Meeresspiegel Ausdehnung durch Hitze lässt Wasser deutlich schneller steigen

Bislang dachte man, der Meeresspiegel steige wegen des schmelzenden Polareises. Doch das ist nur ein Teil.

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Die Temperaturen klettern nach oben. Dürre. Stürme. Die Folgen des Klimawandels können dramatisch sein. Und weil die Polkappen schmelzen, steigt der Meeresspiegel, dachten wir bislang - was womöglich ein Fehler war.

Klar, auch das Polareis trägt dazu bei - wichtiger scheint aber zu sein, dass sich das Wasser in den Ozeanen durch die zunehmende Erwärmung ausdehnt. Ein Forscherteam unter Federführung der Universität Bonn hat anhand von Satellitendaten berechnet, dass dieser Effekt in den vergangenen zwölf Jahren fast doppelt so stark war wie bislang angenommen.

Im Prinzip reagiert das Wasser in den Ozeanen wie ein Quecksilber-Thermometer bei Hitze. "In den besonders tiefen Ozeanregionen reicht bereits eine kleine Erwärmung aus, um einen deutlichen Meeresspiegelanstieg hervorzurufen", so Roelof Rietbroek vom Institut für Geodäsie und Geoinformation der Universität Bonn.

"Bislang wurde unterschätzt, wie stark die wärmebedingte Ausdehnung der Wassermassen in den Ozeanen zum globalen Meeresspiegelanstieg beiträgt", sagt auch Jürgen Kusche, Professor für Astronomische, Physikalische und Mathematische Geodäsie an der Bonner Universität.

Zusammen mit Wissenschaftlern des Deutschen GeoForschungsZentrums (GFZ) in Potsdam und des Alfred-Wegener-Instituts in Bremerhaven berechneten die Geodäten, wie stark der Meeresspiegelanstieg durch die wärmebedingte Ausdehnung des Wassers einerseits als auch durch die Massenzunahme in den Ozean andererseits war. Als Zeitraum nahmen sie sich die 13 Jahre von 2002 bis 2014 vor.

Meeresspiegel steigt jährlich um 1,4 Milimeter durch Ausdehnung

Bislang waren die Forscher davon ausgegangen, dass der Meeresspiegel durch diesen "Thermometereffekt", also die Aufbreitung durch Wärme, jährlich höchstens einen Millimeter anstieg, eher weniger. Nach den Berechnungen der Wissenschaftler betrug der Meerespiegelanteil durch Ausdehnung aber etwa 1,4 Millimeter pro Jahr.

Das hört sich nach wenig an - doch die Folgen sind dramatisch. "Dieser Höhenunterschied entspricht in etwa dem Doppelten des abschmelzenden grönländischen Eisschildes", macht Rietbroek die Folgen deutlich. Diese kleinen Beträge summieren sich in Jahrzehnten zu etlichen Zentimetern.

Die Wahrscheinlichkeit einer zerstörerischen Sturmflut könnte damit drastisch zunehmen. Vom Meeresspiegelanstieg bedroht sind vor allem Siedlungen in Küstennähe, wo die regionalen Änderungen eine größere Rolle spielen können als der globale Anstieg. Deshalb lohnt es sich aus Sicht des Wissenschaftlerteams, unterschiedliche Anstiege des Wasserspiegels im Auge zu behalten - die Variationen können von Ort zu Ort extrem unterschiedlich sein.

Nach den Auswertungen des Forscherteams halten die Philippinen mit rund 15 Millimeter jährlich den Rekord, während an der Westküste der USA weitgehend Stillstand herrscht – weil es dort zu kaum einer Meerwassererwärmung kommt. Rietbroek ist überzeugt: "Der Anstieg des Meeresspiegels ist weit weniger durch natürliche Schwankungen überlagert als der Anstieg der globalen Temperaturen, und damit ein verlässlicherer Indikator des Klimawandels."

Auch andere Forscher beobachten lokale SchwankungenStarke regionale Unterschiede im Grad der Erwärmung beweist auch eine Studie der ETH Zürich. In der Mittelmeerregion wird es zum Beispiel um ganze 3,4 Grad wärmer, selbst wenn das von der Klimakonferenz anvisierte Zwei-Grad-Ziel erreicht wird. Für Brasilien und die USA ist es ähnlich, dort wird die Erhöhung um zwei Grad bereits um 2030 erreicht sein. Das ist rund zehn Jahre früher als im globalen Durchschnitt.

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