NGOs und die Industrie Sind die Weltenretter käuflich?

Greenpeace, WWF, Deutsche Umwelthilfe: Kritiker werfen den Umweltschützern zu große Nähe zur Industrie vor. Was sagen die NGOs?

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Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) gehört zu den größten und streitbarsten Umweltschutzorganisationen in Deutschland. Sie wird regelmäßig von Unternehmen für ihre Kampagnen, zum Beispiel gegen Plastiktüten aus nachwachsenden Rohstoffen, verklagt.

Man könnte meinen, dass Nichtregierungsorganisationen (NGOs) wie die Umwelthilfe oder auch internationale Organisationen wie Greenpeace und der WWF von jeglichem Verdacht zu großer Nähe zur Industrie frei wären. Aber genau das ziehen Kritiker inzwischen in Zweifel. Vor allem die kanadische Vorzeigegrüne, Kapitalismus- und Globalisierungskritikerin Naomi Klein, die mit dem Buch No Logo vor 15 Jahren ihren ersten Bestseller landete, kritisiert die NGOs inzwischen scharf.

Auch in ihrem neuen Buch This changes everything: Capitalism vs. the Climate wirft sie den Weltenrettern vor, von der Industrie korrumpiert worden zu sein und zum Beispiel beim Kampf gegen den Klimawandel zu versagen. Manche Kritiker sprechen in diesem Zusammenhang schon von einem Nonprofit-Industrial-Complex, weil die organisierten Umweltschützer zu enge Beziehungen zu den Unternehmen pflegten.

Wir haben mit Jörg Dürr-Pucher, dem Generalbevollmächtigten der Deutschen Umwelthilfe, über die Vorwürfe von Kritikern wie Naomi Klein gesprochen. Pucher kümmert sich vor allem um das Projekt Lebendige Flüsse und das Themenfeld erneuerbare Energien. Er war von 1998 bis Ende 2006 Bundesgeschäftsführer der DUH.

Herr Dürr-Pucher, Kritiker der NGOs sprechen mittlerweile von einem Nonprofit-Industrial-Complex, in Anspielung auf den Militärisch-industriellen Komplex. NGOs würden sich mittlerweile zu häufig mit Unternehmen arrangieren und kooperieren, so der Vorwurf.

Das ist völlig überspitzt. Es gibt NGOs, die bei ihren Kontakten mit Unternehmen als Schmusekatzen bekannt sind. Aber ich kann für die Deutsche Umwelthilfe sagen, dass wir das nicht sind, sondern genau das Gegenteil. Wir haben uns unsere Unabhängigkeit bewahrt. Was aber auch stimmt: Es ist ein täglicher innerer Kampf.

Wie sieht der aus?

Wenn man zu Partnern aus der Industrie eine zu große Nähe entwickelt, dann muss man sich immer wieder hinterfragen, ob man noch kritisch genug ist und ob man sich noch genug über Dinge ärgert, die schief laufen.

Der WWF arbeitet mit Coca-Cola und Ikea zusammen, Greenpeace mit Unilever. Legt sich die DUH auch mit Industrieriesen ins Bett?

Wir kennen alle Formen der Zusammenarbeit. Da gibt es einmal das klassische Sponsoring mit einer werblichen Gegenleistung. Wir erlauben den Unternehmen dann, über die Kooperation zu berichten und das machen die meisten sehr zurückhaltend. Beim Thema Lebendige Flüsse sind das zum Beispiel das Bekleidungsunternehmen C&A und der Bürotechnikhersteller Kyocera, beim Schutz der Wälder die Deutsche Telekom, mit denen wir seit langem sehr gut zusammenarbeiten, oder bei internationalen Themen der Nachhaltigkeit auch der Lebensmittelhändler Rapunzel Naturkost.

Was dabei wichtig ist: Man muss die Partner gut auswählen. Wenn ich Unternehmen wie Rapunzel Naturkost oder Kyocera habe, dann ist die Gefahr sehr gering, als Teil des Nonprofit-Industrial-Complex gesehen zu werden. Wenn ich etwas mit Coca-Cola mache, ist die Gefahr schon größer. Aber wir haben auch schon mit Daimler, Gruner und Jahr oder Unilever zusammen gearbeitet oder dem Energieversorger EnBW.

Aber Unilever mit seiner umstrittenen Palmölproduktion oder C&A mit seiner Billigkleidung sind nun nicht gerade als Musterknaben der Nachhaltigkeit bekannt. Warum sollte man als NGO mit denen kooperieren?

Wir haben mit C&A schon seit 1998 eine Kooperation für unser Projekt Lebendige Flüsse. Wir bekommen von dem Unternehmen Gelder für diesen Bereich und weisen darauf hin, dass sie uns fördern. Wir haben auch schon bei deren Umweltbericht mitgearbeitet. Aber wir haben auch massiv darauf gedrungen, dass sie sich im Bereich Biobaumwolle engagieren. Deshalb ist C&A wohl heute auch einer der größten Verarbeiter von Biobaumwolle in Deutschland.

Wie sehen die Unternehmen die Zusammenarbeit?

Mein Eindruck ist, dass die Zusammenarbeit für die Unternehmen oft komplizierter und schmerzvoller ist als für uns. Denn wir bleiben in jedem Fall kritisch, aber auch konstruktiv.

Sie bleiben auch bei Unternehmen kritisch-konstruktiv, die ihre Projekte mit Geld unterstützen?

Ja, das war zum Beispiel bei Daimler der Fall. Wir haben uns 2004 so sehr für den Dieselrußfilter eingesetzt, dass das Unternehmen damals die Kooperation mit uns beendet hat.

Wie wichtig sind denn Unternehmen mittlerweile finanziell für die NGOs? Können es sich große NGOs überhaupt noch leisten, überhaupt kein Geld zu nehmen?

Ich glaube ja, Greenpeace zum Beispiel nimmt kein Geld von den Unternehmen und der BUND nur mit ganz hohen Auflagen. Für uns war das dagegen immer ein sehr wichtiger Baustein der Finanzierung. Ökologisierung der Wirtschaft ist bei uns sogar Satzungsziel. Unsere Strategie war dabei immer: Wir nehmen Geld von 20 bis 50 verschiedenen Partnern. Dann kann ich eine einzelne Zusammenarbeit notfalls auch mal beenden.

Was kommt noch als Einnahmequelle hinzu?

Wir finanzieren uns außerdem mit Spenden, Erbschaften und Beiträgen von Bürgern und wir haben Einnahmen aus dem Verbraucherschutz und als wichtigste Säule die klassische Finanzierung über Förderanträge von Stiftungen oder staatlichen Stellen. Die Anteile sind auf lange Frist in etwa ähnlich stark, aber es schwankt zwischen den Jahren auch erheblich.

Kommen Sie bei Ihren Kampagnen nicht auch in Gewissenskonflikte? Denn häufig ist der Schaden des einen Unternehmens der Gewinn des anderen.

Das ist uns tatsächlich auch vorgeworfen worden. Und ich gebe zu: Wir kämpfen aus unserer Sicht mit den Guten gegen die Bösen. Also zum Beispiel mit Mehrweg-Firmen gegen Einweg bei den Verpackungen, mit Filterherstellern für Luftreinheit gegen diejenigen, die keine Filter einsetzen wollen. Das war zum Beispiel beim Rußfilter in Dieselfahrzeugen der Fall.

Die Unternehmen geben sich manchmal aber nicht kampflos geschlagen. Zum Beispiel hat sie ein Hersteller von vermeintlichen Bio-Plastiktüten auf mehrere Millionen Euro Schadenersatz verklagt. Supermärkte hatten nach einer Kampagne der DUH die Tüten aus dem Sortiment genommen. Unter anderem wurde auch ihr Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch persönlich verklagt. Beeinflusst Sie das in der Arbeit?

Die Strategie, die Deutsche Umwelthilfe oder uns persönlich anzugreifen, das gibt es schon länger. Das Kalkül dahinter: Die Umweltschützer bekommen Angst, wenn sie hohe Geldbeträge bezahlen müssen. Tatsächlich haben wir Angst davor, weil einen so etwas ruinieren kann. Unsere Führungskräfte sind aber auch mutig und rechtlich gut beraten. Deshalb gehen sie dieses persönliche Risiko ein.

Aber es ist doch ungewöhnlich, dass nicht eine Organisation auf Schadenersatz verklagt wird, sondern eine Person?

Es gab schon Fälle in der Vergangenheit, wo das versucht wurde. Der Fall mit den Plastiktüten war jetzt aber das erste Mal, dass es öffentlich wurde.

Hat denn der jahrelange Kampf der DUH etwas gebracht – sind die Unternehmen umweltbewusster geworden?

Das Thema Umweltschutz wird in den Vorstandsetagen ernster und wichtiger genommen. Die Unternehmen sind aber vorsichtiger geworden, das nach außen zu tragen. Sie haben Angst, von der Öffentlichkeit für Greenwashing an den Pranger gestellt zu werden. Greenwashing ist tatsächlich eine Gefahr – wir raten Unternehmen aber immer, die Fortschritte zu kommunizieren. Aber sie sollten die Herausforderungen nicht verschweigen.

Was wünschen Sie sich von den großen DAX-Unternehmen in Deutschland?

Echte Investments in erneuerbare Energien und mehr Engagement für Energieeffizienz. Das ist der Bereich, in dem Deutschland bisher überhaupt keine sichtbaren Fortschritte macht.

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