Öko-Beerdigungen Sinnvoll oder pietätlos?

Särge aus Pflanzenstärke, Laugenbäder, die den Körper zersetzen. Anbieter versprechen umweltfreundliche Beerdigungen. Muss das sein?

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Elektroautos, Öko-Strom und Bio-Lebensmitttel vom Bauernhof: Die Deutschen geben sich umweltbewusst. In einer Umfrage des Readers Digest Magazin, der größten Verbraucherstudie Europas, gaben 94 Prozent der Befragten an, ihren Müll sorgfältig zu trennen. Zudem sparen 91 Prozent im Haushalt Energie, während weitere 86 Prozent aktiv versuchen, umweltschädliche Produkte im Alltag zu meiden. Damit liegen die Deutschen in allen drei Kategorien weit über dem europaweiten Durchschnitt.

Ein umweltfreundliches Leben liegt vielen Deutschen also nicht fern. Doch wie sieht es beim Sterben aus? Nach Angaben des Bundesverbands Deutscher Bestatter (BDB) sterben jährlich etwa 860.000 Menschen in Deutschland. 45,5 Prozent lassen sich in der Erde bestatten, die restlichen Verstorbenen werden verbrannt und in einer Urne oder auf See bestattet.

Manch einer mag sich nun fragen, welche Folgen sich daraus für die Umwelt ergeben?

Die Verbrennungsöfen, die für die meisten Feuerbestattungen zum Einsatz kommen, verbrauchen vergleichsweise viel Energie. In der Regel werden diese mit Erdgas beheizt, um auf 1.200 Grad erhitzt zu werden. Pro Einäscherung benötigt ein Ofen laut BDB etwa drei Kubikmeter Gas.

Aufgrund gestiegener Emissionswerte in den vergangenen Jahrzehnten, werden seit den 1990er Jahren alle anfallenden Abgase der Krematorien auf Kohlenmonoxid, organische Stoffe, Staub und Dioxine untersucht. Genau diese Schadstoffe nämlich, da sind sich Experten des BDB einig, könnten durch höhere Verbrennungstemperaturen verringert werden. Doch je mehr Energie eingesetzt wird, desto teurer wird die Einäscherung für die Kommunen. Da scheint es auf den ersten Blick umweltbewusster, auf die Verbrennung des Leichnams zu verzichten.

Gestorben, zersetzt und eingefrorenDie Branche sucht deshalb fortwährend nach billigeren und gleichzeitig angeblich ökologischeren Methoden, um umweltbewusste Kunden zu ködern. „Ökologische Aspekte gewinnen bei der Bestattung an Bedeutung“, sagt auch Rolf Lichtner, Geschäftsführer des BDB. Umweltfreundliche Materialien spielten dabei eine besonders große Rolle. So bieten Bestattungsunternehmen in Großbritannien oder den USA seit langem Bestattungswäsche aus Naturfasern, Urnen aus Kartoffelstärke und Särge aus Wellpappe oder Bambus an, die sich besonders gut zersetzen und keine Rückstände in der Erde hinterlassen.

Gänzlich radikalere Wege gehen Verstorbene, wenn sich ihre Angehörigen (oder sie selbst vor dem Tod) für eine alkalische Hydrolyse oder auch Resomation entscheiden. Die Leiche wird hierbei in einem Hochdruckbehälter mittels einer Lauge zersetzt – ein Verfahren, mit dem auch Tiere den Weg zur letzten Ruhe nehmen.

Außer ein paar Knochenresten bleibt dabei nur eine braune Flüssigkeit zurück, die aus Aminosäuren, Eiweiß, Zucker und Salzen des Toten besteht. Diese Flüssigkeit kann dann problemlos im Abfluss entsorgt oder als Dünger verwendet werden, behaupten die Anbieter. Umgerechnet 488 Euro kostet der "flüssige Abgang", der in den USA, Großbritannien, Kanada und Australien möglich ist.

Erlaubt, aber in Deutschland nicht eingesetztMindestens genauso ungewöhnlich ist die sogenannte Promession, ein Verfahren, das die schwedische Biologin Susanne Wiigh-Mäsak entwickelt hat. Der Leichnam wird dabei in minus 196 Grad kalten Stickstoff getaucht und dadurch gefriergetrocknet. Der Körper zerfällt anschließend in millimetergroße Teile und kann dann in einem kompostierbaren Sarg aus Pflanzenstärke beerdigt werden. Quecksilber und andere Metalle werden natürlich separat recycelt.

Während die rechtlichen Voraussetzungen für diese Bestattungsart in Schweden noch fehlen, erlauben es einige deutsche Bundesländer bereits. So ermächtigt das Niedersächsische Bestattungsgesetz laut § 10 die Behörden, „eine Tieftemperaturbehandlung mit anschließender Erdbestattung auf einem Friedhof in einem kompostierbaren Sarg zuzulassen.“ Auch in Mecklenburg-Vorpommern ist dieses Verfahren laut Rolf Lichtner vom BDB erlaubt.

Eingesetzt wurde das Vereisen oder die Beseitigung der Leiche in einer Lauge aber deutschlandweit noch nie (lässt man einmal die Mafia außen vor). Der Grund: "Weder die sonare Zertrümmerung des tiefgefrorenen menschlichen Körpers noch das Kochen des menschlichen Leichnams in einer Lauge sind Verfahren, die einen bestattungskulturellen und transzendenten Hintergrund in Europa haben und deshalb keine ethische Akzeptanz finden."

Normale Bestattung sind keine UmweltsünderHinzu kommt, dass diese neuen Methoden - anders als es die Anbieter meist versprechen - keine Vorteile gegenüber den klassischen Erd- oder Feuerbestattungen bringen. Vielmehr entsteht sogar ein Umweltproblem, da die Frage wohin die Lauge nach der Zersetzung des Menschen entsorgt werden soll, ungeklärt ist. "Der Vorschlag mancher Unternehmen, diese Lauge als Dünger auf Feldern auszubringen, ist unter ethischen und ökologischen Aspekten fragwürdig", sagt Lichtner.

Der Bestattungsexperte rät daher zu konventionellen Beerdigungen, um der Umwelt etwas Gutes zu tun. Erd- und Feuerbestattungen, wie sie in Deutschland üblich seien, entsprächen den gesetzlichen Vorschriften zum Umweltschutz. „Keine dieser Bestattungsarten ist als umweltschädigend einzustufen“, sagt Lichtner. So dürften bei Erdbestattungen zum Beispiel ausschließlich vergängliche Materialien beigesetzt werden. „Dies gilt sowohl für Sargmaterialien als auch für Bekleidung des Verstorbenen und Sargbeigaben“.

Zudem seien die Emissionen, die durch Krematorien anfallen, sehr gering und deshalb zu vernachlässigen. Sämtliche Krematorien lägen mit ihren Emissionen bei einem Fünftel der zulässigen Werte, erklärt Lichtner. Einer ökologischen und vor allem pietätvollen Bestattung steht also in Deutschland nichts im Weg.

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