"Politisches Kochbuch" zeigt Bio kostet kaum mehr als konventionelles Essen

Ein Kochbuch zeigt, welche Kosten sich in konventioneller Nahrung verstecken und warum Bio-Essen nur drei Prozent teurer ist.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

"Bio-Essen ist immer 20 Prozent teurer!" - am Anfang bekamen die Mitarbeiter des Öko-Instituts diese Aussage immer wieder zu hören und zu lesen. Was unterschiedliche Ernährungsstile aber tatsächlich kosten, ist gar nicht so richtig erforscht. Das wollten sie daher im Rahmen der Studie "Ist gutes Essen also wirklich teuer?" herausfinden.

Herausgekommen ist das "Politische Kochbuch", hier in reduzierter Version zum Download. Darin finden sich nicht nur Rezepte und eine Auswertung, was Bio-Essen im Laden wirklich kostet. Es bezieht auch die "Externalitäten" mit ein: Wie teuer etwa wären unsere Lebensmittel, wenn die Hersteller die Kosten für Treibhausgasemissionen, erodierende landwirtschaftliche Flächen oder Gesundheitsrisiken aufgrund falscher Ernährung tragen müssten? Ein Journalist der New York Times hat ähnliche Überlegungen über die Begleiterscheinungen von Cheeseburgern angestellt. Doch grundsätzlich gibt es zu den versteckten Kosten unserer Ernährung bislang ebenfalls kaum Analysen.

Rezepte von SterneköchenDas Öko-Institut kommt in seiner Studie zu dem Ergebnis, dass besonders eine saisonale Ernährung und der Verzicht auf Fleisch die Kosten senken würde, die Verbraucher und Gesellschaft tragen müssen. Das Politische Kochbuch hilft Verbrauchern nun dabei, sich gesünder und umweltbewusster zu ernähren.

Zu jeder Jahreszeit gehört eine Übersicht, welches Obst und Gemüse gerade auf den Feldern zu finden ist. Außerdem finden Leser einfache Rezepte für  Frühling, Sommer, Winter und Herbst.

Neben der Ernährungswissenschaftlerin Dagmar von Cramm und dem Journalisten und Hobby-Koch Hans-Albert Stechl haben auch zwei Sterneköche ihre Rezepte beigesteuert: So erklärt Cornelia Poletto, wie man Linsensuppe mit geräucherten Forellenfilets (Herbst) oder gratinierte Champignos mit Ziegenkäse und Pinienkernen (Winter) zubereitet. Und Vincent Klink verrät seine Zutaten für Wirsingsalat mit Orangen (Sommer) oder Spinatknödel mit Käse (Frühling).

“Wir haben uns sehr gefreut, dass die Köche spontan zugesagt haben”, sagt Professor Rainer Grießhammer, Mitglied der Geschäftsführung des Öko-Instituts und Co-Autor des Buchs. “Die waren auch neugierig auf die Ergebnisse.” Die Rezepte sind bewusst einfach gehalten. Viel Hausmannskost ist in dem Buch zu finden, Suppen und Salate ebenso wie Haupt- und Nachspeisen. Und: Nur wenig Rezepte enthalten Fleisch.

Bio-Nahrung ist nur drei Prozent teurer"Wir hatten die Vermutung, dass Einkäufe mit weniger Fleisch die Preisunterschiede zwischen einer biologischen und einer konventionellen Ernährung nahezu kompensieren", sagt Grießhammer. Bio müsste dann nicht mehr automatisch teurer sein.

Für den Vergleich machten die Autoren ein Jahr lang Probeeinkäufe in unterschiedlichen Supermärkten. Sie probierten sich durch verschiedene Wurstsorten und verglichen die Kosten für Bio- und konventionell erzeugte Lebensmittel nach zuvor saisonal zusammengestellten Tagesplänen.

Als Maßstäbe dienten den Forschern dabei zwei unterschiedliche Ernährungsstile: Der des durchschnittlichen Deutschen stellten sie eine Essweise nach den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) gegenüber, bei der 69 Prozent weniger Fleisch, dafür aber 30 Prozent mehr Milchprodukte auf den Tisch kommen.

Die Ergebnisse der Feldforschung gaben Grießhammers Vermutung recht. Tatsächlich ergibt sich nur ein Unterschied von drei Prozent beziehungsweise 81 Euro pro Jahr zwischen den Kosten für eine Bio-Ernährung nach den DGE-Vorschlägen und einer konventionellen Essweise ohne Fleischverzicht (siehe die Balken "DGE Bio" versus "Fleischbetont konventionell"). Für den Umstieg auf eine gesunde und biologische Ernährung muss der Konsument also nicht einmal sieben Euro pro Monat mehr investieren.

Kosten für Übergewicht, Bodenerosion, CO2Dass sich nicht jeder Bio leisten kann, stimmt also nur bedingt. Verbraucher müssen allerdings willens sein, gewaltige Abstriche beim Fleischkonsum zu machen. Das lohnt sich dafür mehrfach: Zum einen werden rund 12 Prozent weniger Treibhausgase erzeugt, bei vegetarischer oder veganer Ernährung sind es noch einmal signifikant weniger. Zum anderen führt die konventionelle Landwirtschaft dazu, dass Böden erodieren. Außerdem verringert Fleischverzicht das Risiko zu erkranken und schont somit das Gesundheitssystem.

Je weniger tierische Produkte auf dem Teller landen, desto weniger Treibhausgase entstehen (Copyright: Öko-Institut e.V.)"Wir haben eine konservative Schätzung vorgenommen, nach der Übergewicht aufgrund von Fehlernährung nur 20 Prozent der Herz-Kreislauf-Erkrankungen verursacht", erklärt Grießhammer. Rechnet man noch 50 Prozent der Kosten von Adipositas und Diabetes hinzu, kommt man schnell auf rund 11 Milliarden Euro pro Jahr - oder 140 Euro pro Bundesbürger. Für die Schäden in der Landwirtschaft kommen nach den Berechnungen des Öko-Instituts jährlich noch einmal 30-100 Euro pro Kopf dazu.

Gewächshaus-Tomaten verursachenfast das siebenfache an CO2Dabei ist die Bodenerosion nicht der einzige Kostenverursacher. Grießhammer erklärt das am Beispiel von Tomaten: So hat etwa das trockene Spanien große Ausgaben für Kanäle und Staudämme, um die Bewässerung von Tomaten zu gewährleisten. Die zahlt erst einmal der Steuerzahler. Der Preis für Folgeschäden durch die Übernutzung der Grundwasservorräte kommt da für die Gesellschaft noch hinzu. Zudem entstehen den Produzenten gewaltige Mehrkosten, weil sie Düngemittel oft nicht effizient einsetzen. Die werden meist an den Kunden weitergereicht.

Die niederländischen Erzeuger sind da schon weiter. Sie führen die Nährstoffe nach genauen Berechnungen computergesteuert zu.  "Die Tomaten werden das ganze Jahr durch in hocheffizienten Gewächshäusern erzeugt", sagt Grießhammer. Ein Vorbild sind die Niederlande für ihn deshalb aber nicht. "Der Geschmack der Tomaten ist nicht gut und nicht vergleichbar mit der Ware, die in den Sommermonaten produziert, reif geerntet und angeboten wird." Besser sei da eine saisonale Ernährung. Die spare auch Transport- und Lagerkosten.

Ändert bewusster Konsumwirklich etwas?Eine auf den Euro genaue Kalkulation können die Forschungsergebnisse des Öko-Instituts zwar nicht leisten. Klar ist aber: Würden den Verursachern nur die externen Kosten für Schäden in der Landwirtschaft und im Gesundheitssystem auferlegt, könnte der durchschnittliche deutsche Ernährungsstil um bis zu 240 Euro im Jahr teurer werden. Eine bewusst fleischärmere und biologische Ernährung ist dagegen fast günstig.

Dass eine bloße Konsumumstellung einiger Verbraucher wirklich etwas verändert, hat der Wirtschaftsjournalist Caspar Dohmen in seinem neuen Buch zwar eben erst angezweifelt. Grießhammer ist da aber optimistischer: "Veränderter Konsum kann einen Betrag bewirken. Damit schafft er zusätzlich Vorbilder und politischen Druck, auf den Märkte und Politik in den Folgejahren reagieren müssen."

___________"Nachhaltig kochen! Die Kosten unterschiedlicher Ernährungsstile - Ein politisches Kochbuch des Öko-Instituts" kann für 15 Euro über das Öko-Institut bezogen oder als PDF heruntergeladen werden - dann allerdings ohne die Rezepte.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%