Tödlicher Kredit Weltbank bereut blutigen Palmöl-Deal

Die Weltbank hat einen Palmöl-Produzenten unterstützt, der in einen tödlichen Landkonflikt verstrickt ist. Einblicke in eine wenig nachhaltige Branche.

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Gelegentlich steuert jeder den Einkaufswagen zu dem Regal mit den Speiseölen. Aus Sonnenblumen oder Oliven sind sie meist gepresst, manche mild, andere fruchtig oder mit Chilischoten gewürzt. Spiegelt die Auswahl die Nachfrage der Kunden wieder, dann dürfte kaum jemand zu Palmöl greifen.

Ein Trugschluss: Ein paar Regale weiter verbergen sich gigantische Mengen des Pflanzenprodukts in Schokolade, Margarine, Fertiggerichten, Kosmetika und Reinigungsmitteln. Wissen tun das die wenigsten Verbraucher. Mit einem Anteil von etwa einem Drittel verteidigt das billige Palmöl den Spitzenposten bei der weltweiten Produktion pflanzlicher Öle. Gleichzeitig wird kaum ein anderer Lebensmittelzusatz so massiv kritisiert, Umwelt und Arbeitern zu schaden.

Ein Schlaglicht auf die vielfach völlig unzureichend kontrollierten Produktionsmethoden wirft derzeit ein Fall in Honduras, einem kleinen zentralamerikanischen Land. Diesmal stehen aber nicht große internationale Konzerne am Pranger, sondern die Weltbank. Ihr Auftrag eigentlich: Wirtschaftliche Entwicklung zu fördern und den Lebensstandard der Menschen in Schwellenländer zu verbessern.

In Honduras aber hat die Weltbank eine Firma finanziell unterstützt, die schon länger in der Kritik steht, in die Vertreibung und sogar den Tod von Farmern verstrickt zu sein.

Der Hintergrund: Die Tochterorganisation Internationale Finanz-Corporation (IFC) der Weltbank wählt Unternehmen in Entwicklungsländern aus und versorgt sie mit günstigen Krediten. In Honduras hat die IFC den Palmöl- und Nahrungsmittelproduzenten Dinant auserkoren. 15 von insgesamt 30 Millionen zugesagten Dollar überwies sie im Jahr 2009. Schon ein Jahr später landete die erste Beschwerde auf dem Schreibtisch des Präsidenten des Weltbank.

Im einem als Aguán bekannten Tal sei die Firma daran beteiligt gewesen, Bauern zu vertreiben, kritisierten Menschenrechtsgruppen. Sie seien von Sicherheitskräften der Palmölfirma eingeschüchtert und sogar getötet worden. In der fruchtbaren Region, nahe der Küste des karibischen Meeres, tragen Farmer und Agrarunternehmen seit Jahren einen erbitterten Konflikt um Land aus.

Aber auch die Bauern nutzten rabiate Methoden. Grundstücke des Unternehmens wurden besetzt und Personal attackiert. Das Ergebnis ist eine Gewaltspirale, die auf beiden Seiten in den vergangenen Jahren insgesamt mehr als hundert Todesopfer gefordert hat.

Eingeschüchtert, vertrieben und getötet

Der Präsident der Weltbank gab die Vorwürfe an die hauseigene Kontrollbehörde, den Compliance Advisor Ombudsman (CAO) weiterIn diesem Januar nun hat die CAO einen 72-seitigen Untersuchungsbericht vorgelegt. Zwar fokussiert er sich vor allem darauf, wie die honduranische Firma in Zukunft besser überwacht werden soll. Allerdings greift der Report die Vorwürfe gegen Dinant auch explizit auf:

"Eine Reihe von Quellen erklärt, dass Dinant, der Eigentümer (der Plantage, Anm. d. Red.), Mitarbeiter und das Sicherheitspersonal Vergehen begangen haben wie Zwangsvertreibungen, vielfache Tötungen und gewaltsame Angriffe auf Vertreter der Bauern-Bewegung des Aguán-Tals." Dinant hingegen bestreitet bis jetzt jegliche Verbindung zu den Verbrechen oder beruft sich auf das Recht der Selbstverteidigung.

Die Kritik im Report des CAO richtet sich auch gegen das Personal des IFC, der Tochterorganisation der Weltbank: “Die Angestellten haben die Risiken bezüglich der Sicherheit und des Landkonflikts unterschätzt”, formuliert der Report. Sie hätten nicht angemessen auf die Gewalt reagiert und sogar gegen die eigenen Regeln, also die der Weltbank, verstoßen. Besonders heikel: Berichte über den gewaltsamen Konflikt seien schon veröffentlicht worden, bevor der Vertrag über den Millionen-Kredit überhaupt unterzeichnet wurde.

Teile der Vorwürfe bestreitet der IFC jetzt in einer ersten Erklärung. Grundsätzlich gestehen die Verantwortlichen der Organisation aber ein, nicht streng genug auf die Menschenrechte geachtet zu haben: “Würde heute ein ähnliches Projekt für eine Finanzierung geprüft werden, glauben wir, dass es als hochriskant eingestuft werden würde.” Die Situtation habe sich aber deutlich gebessert, seit dem die Vorwürfe erhoben worden seien, heißt es in der Rechtfertigung. Zum Beispiel habe Dinant einen Menschrechtsberater eingestellt und neue Regeln für das Sicherheitspersonal aufgesetzt.

Ende der Ausbeute - oder des Kredits

Die Kritik am IFC kam prompt: Die Reaktion sei völlig unzureichend, empörten sich daraufhin 70 NGOs in einem öffentlichen Schreiben, darunter Vertreter der honduranischen Farmer, aber auch internationale Menschenrechts- und Umweltschützer. Sie forderten nicht nur unabhängige Untersuchungen darüber, welche Rolle die Sicherheitsleute von Dinant bei Verbrechen gespielt haben, sondern auch, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden.

"Menschenleben stehen auf dem Spiel", warnt Jessica Evans, Rechtsanwältin von Human Rights Watch. Sie beschreibt die aktuelle Situation so: "Der IFC überlässt die Arbeit dem Fuchs, der den Hühnerstall als erstes überfallen hat."

Der Aufruf zeigte Wirkung. In einer zweiten Erklärung ist der IFC am vergangenen Mittwoch von seinem wachsweichen Kurs abgerückt und stellt Dinant nun ein Ultimatum: Entweder das Unternehmen verstärke seine Zusammenarbeit mit den Menschen vor Ort, verbessere Umweltstandards und überprüfe die eigene Sicherheitspolitik - oder der IFC kündige den Kredit. Wie Dinant auf die Forderungen reagieren will, ist bisher nicht bekannt.

Nach dem Fall Dinant stellt sich die Frage: Ist er die Ausnahme in der Palmölproduktion oder die Regel? Eine eindeutige Antwort gibt es nicht.

Zwar hat der WWF den Rountable on Sustainable Palm Oil gegründet, um umwelt- und menschenrechtliche Mindeststandards durchzusetzen. Allerdings ist die Einhaltung freiwillig. Greenpalm-Zertifikate sind weiterhin keine Garantie für wirklich nachhaltig erzeugtes Öl.

Genau solche Garantien und Zertifikate, denen die Kunden vertrauen könnten, bräuchte es aber. Denn Ölpalmen haben ein weiteres Problem: Sie wachsen in der Regel dort, wo sonst Regenwälder gedeihen. Der wird für ihre Plantagen gerodet, das Treibhausgas CO2 entweicht und der Klimawandel beschleunigt sich. Insbesondere in Indonesien und Malaysia, den beiden Hauptproduzenten von Palmöl, sind die Umweltschäden enorm.

Taugt der größte Player als Vorbild?

Aber trotz der schon lange bekannten Umweltauswirkungen steigt die Nachfrage nach Pflanzenöl ungebremst. Seit 1990 hat sich die weltweite Anbaufläche für Ölpalmen auf 16 Millionen Hektar verdoppelt. Das entspricht ungefähr der doppelten Fläche Österreichs. Fast zwei Drittel des Öls fließt in die Produktion von Nahrungsmitteln.

An sich ist das nichts schlechtes. Im Vergleich zu Raps, Soja und anderen Ölen braucht das Palmerzeugnis die wenigsten Ressourcen für jeden gepressten Liter. Und wird es verantwortungsvoll angebaut können lokale Gemeinden und Farmer auch vom Anbau profitieren. Wenn aber Rodung, Umweltzerstörung und Ausbeutung im Spiel sind, stellt sich diese Bilanz auf den Kopf.

Aber es gibt auch Fortschritte: Neben den Unternehmen, die Teil des WWF-Projekts sind, hat sich auch Wilmar International, der größte Player im Palmöl-Geschäft, im Dezember vergangenen Jahres einer nachhaltigen Firmenpolitik verschrieben: Das Unternehmen verspricht das Ende von Rodung, der Nutzung von Torfmoor-Böden und der Ausbeutung von Arbeitern und der Gemeinden.

Und was kann der Kunde tun? Derzeit nicht viel, denn erst ab Ende diesen Jahres wird die EU-Regel gelten, dass sich Palmöl nicht länger hinter Produktverschleierungen wie “pflanzlichem Öl” verstecken darf. Dann können die Kunden mit ihrem Einkaufswagen Fälle wie in Honduras abstrafen - ganz einfach indem sie auf Palmölprodukte verzichten.

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