Trotz Legalisierung Cannabis bleibt Ökokiller

Trotz der Legalisierung von Cannabis in einigen US-Bundesstaaten bleibt die Ökobilanz eines Joints verheerend.

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So manch ein Joint wurde schon als Akt der Naturverbundenheit zelebriert. Eine Illusion. Denn wer nur eine einzige Cannabis-Zigarette raucht, setzt viereinhalb Kilogramm des klimaschädlichen Kohlenstoffdioxids frei.

Allerdings nicht erst beim eigentlichen Konsum, sondern schon früher, wenn man die Auswirkungen der Herstellung berücksichtigt, wie es ein kalifornischer Wissenschaftler getan hat. Für einen Joint von der US-amerikanischen Westküste fällt demnach so viel CO2 an, als würde man eine 100 Watt-Glühbirne 135 Stunden brennen lassen.

Die Zahlen sind nicht neu. Sie wurde im Jahr 2011 veröffentlicht. Im selben Jahr wurde der Besitz von bis zu 28 Gramm Cannabis im ersten US-Bundesstaat straffrei gestellt. Lampen und Lüftungssysteme machen den Anbau von Cannabis im Hausinneren extrem energieintensiv (Copyright:West Midlands Police)[/caption]

Sechs mal höherer Stromverbrauch als die PharmaindustrieEvan Mills hat die durchschnittlichen Energiekosten eines Joints berechnet. Der Experte für Energie und Umweltsysteme forscht an der University of California in Berkeley. In seiner Studie aus dem Jahr 2011 hat er die komplette Produktion der Droge wissenschaftlich unter die Lupe genommen.

In den Vereinigten Staaten wurden jährlich sechs Milliarden Dollar für Strom ausgegeben, um damit Cannabis zu züchten. Der Anbau fraß nach Mills Berechnungen sechs Mal so viel Strom wie die US-amerikanische Pharmaindustrie.

In Kalifornien, dem größten Cannabis-Produzenten des Landes, flossen drei Prozent der genutzten Energie in den Anbau des Stoffs.

Mills gelangt zu dem Schluss, dass die vernichtende Umweltbilanz eine Folge des Anbau-Verbots war: Aus Angst davor, entdeckt zu werden, züchteten die Produzenten Cannabis meist im Inneren von Gebäuden.

Ökologisch macht das wenig Sinn. Die Pflanzen brauchen zwar warme, feuchte Temperaturen - vor allem aber viel Licht. In geschlossenen Räumen müssen sie damit künstlich versorgt werden. Das kostet Unmengen an Energie.

Vor ein paar Monaten machte im Netz ein Foto die Runde, das den extremen Energieaufwand auch in anderen Ländern illustriert:

Der Schnee eines Daches war genau an der Stelle geschmolzen, unter der illegal Cannabis angebaut worden war. Ein Hinweis für die niederländische Polizei, das Haus zu durchsuchen.

"Kriminalisierung führt auch zu weiterer Ineffizienz im Produktionsprozess - einschließlich langen Fahrten und Maßnahmen zur Unterdrückung von Lärm- und Gerüchen, die eine effiziente Nutzung von Ventilatoren unmöglich machen",  schreibt der Studienautor.

Löst die Legalisierung das Umweltproblem?Der kalifornische Wissenschaftler Evan Mills zeigte sich jedoch schon 2011 skeptisch, ob die Legalisierung allein die Umwelt-Probleme lösen würde:

"Tatsächlich werden Leute weiterhin in Gebäuden anbauen, unabhängig von ihrem legalen Status". Es müsse mehr unternommen werden, um die Produktion umzustellen.

Doch nur wenige US-Bundesstaaten haben sich bislang die Mühe gemacht, der Cannabis-Branche strenge Umweltauflagen zur verpassen.

Selbst der Anbau unter freiem Himmel macht noch keine umweltfreundliche Produktion. Das hat das für seine Umweltrecherchen bekannte US-Magazin Mother Jones dokumentiert.

Für die erfahrenen Produzenten von Cannabis im Norden Kaliforniens bleibt das Geschäft lukrativ - auch ohne Lizenz. Sie bauen die Pflanze weiterhin illegal an und zwar dort, wo die Chancen gering sind, aufzufliegen:

In Wäldern und an entlegenen Plätzen in der Natur. Dafür müssen Bäume weichen, selbst Bergspitzen wurden für den Anbau abgetragen, schreibt das Magazin. Böden und Gewässer seien mit Rattengift und anderen aggressiven Pestiziden verseucht worden.

Nach Schätzungen des Cannabis-Investoren-Netzwerks ArcView aus dem Jahr 2014 liegt der Jahresumsatz auf dem amerikanischen Cannabis-Schwarzmarkt zwischen 18 und 30 Milliarden Dollar. Legal werden mit dem Rauschmittel dagegen bislang 1,4 Milliarden Dollar verdient. Der illegale Anbau bleibt also enorm profitabel.

Sehen Sie hier einen Video, das die Umweltschäden verdeutlicht. Auf Satellitenbildern sind die Plantagen zu sehen.

So schnell scheint also auch die Legalisierung die Cannabis-Ökobilanz nicht zu verbessern. Dabei wäre das Potential für naturverträglichen Anbau groß.

Wie Tomaten oder andere Nutzpflanzen lässt sich Cannabis unproblematisch in Gewächshäusern züchten (das Container-Gewächshaus Cropbox könnte den Wasserverbrauch sogar um 90 Prozent senken). Dort ist die Pflanze vor Dieben und Schädlingen geschützt.

Und es lässt sich die nötige Wärme und Luftfeuchtigkeit herstellen - zu einem Bruchteil der Energiekosten, die in Gebäuden anfallen. Die verbleibende Energie für Ventilatoren können Solaranlagen beisteuern.

Eine boomende Öko-Branche

Seit der Legalisierung in einigen US-Bundessaaten boomt das Geschäft mit Utensilien für den Cannabis-Anbau. Unternehmen steigen ins "Cannabusiness" ein, Gartenbau und Landwirtschaft spezialisieren sich auf Gewächshäuser.

Die Werbe-Botschaften von legal anbauenden Cannabis-Produzenten lesen sich mitunter als hätten sie engagierte Biolandwirte verfasst.

"Wir haben uns verpflichtet, unseren Kunden das möglichst gesündeste Produkt zu liefern und ein guter Verwalter der kostbaren Umweltressourcen zu sein, von denen wir abhängen", schreiben etwa die Betreiber der High Valley Farm über ihr Gewächshaus im Bundesstaat Colorado.

Hohe Anschaffungs-Kosten erklären allerdings auch, weshalb sich der umweltfreundliche Anbau noch nicht in der Fläche durchgesetzt hat.

Die Preise für einen Hektar Gewächshaus-Fläche belaufen sich auf etwa zwei Millionen Dollar, erklärt Zev Ilovitz, Gründer von Envirotech Greenhouse Solutions, einen der führenden Unternehmen in dem Bereich.

Solange der illegale Anbau in Gebäuden oder unberührten Naturgebieten nicht eingedämmt und der legale Anbau härtere Umweltauflagen erfährt, wird sich an der verheerenden Ökobilanz eines Joints wenig ändern. Bis dahin ist der "Greenrush" nur vermeintlich ein grünes Geschäft.



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