Umwelt Wo Klimaskeptiker irren – und wo nicht

Seit Jahren kämpfen Skeptiker gegen mehr Klimaschutz. In fünf zentralen Punkten irren sie. In einem haben sie allerdings Recht.

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Heute geht die Klimakonferenz in Doha zu Ende und so mancher Beobachter mag sich fragen: was soll das ganze Bohei eigentlich? Eine riesige Versammlung von rund 13.000 Experten, bei der am Ende eh wieder nichts herauskommt!

Klimaskeptiker stellen diese Frage schon seit Jahren. Aber nicht weil sie glauben, dem Klima sei mit anderen Maßnahmen als Gipfeln mehr gedient. Ganz im Gegenteil: Sie sind davon überzeugt, es gäbe gar keinen Klimawandel. Oder: Falls er tatsächlich stattfindet, hat der Mensch damit nichts zu tun. Zum Teufel mit den Gipfeln also!

In den Weiten des Netzes und den Kommentarspalten der Online-Medien sind die Skeptiker omnipräsent. Man könnte fast meinen, sie spiegelten mit ihren Thesen die Ergebnisse eines Großteils der wissenschaftlichen Forschung.

Weit gefehlt. Denn sieht man sich die Zahlen an, kommt dieses Bild heraus: Zwischen 1991 und 2012 wurden 13.950 wissenschaftliche Artikeln zum Thema Klimawandel veröffentlicht. Nur 24 davon kommen zu dem Schluss, dass es ihn nicht gibt (hier mehr zur Methode der Untersuchung).

Liest man aber Skeptiker-Seiten wie die von Eike oder Clima-Gate oder die unzähligen englischsprachigen Seiten (zwei viel gelesene hier und hier) bekommt man einen ganz anderen Eindruck. Die meisten Forscher lehnen einen direkten Dialog mit den Skeptikern rigoros ab.

Aber es gibt durchaus auch renommierte Wissenschaftler, die dafür plädieren, einzelne Argumente der Skeptiker ähnlich dem Crowdsourcing ernst zu nehmen. Darunter der Deutsche Hans von Storch oder die bei ihren Kollegen höchst umstrittene Amerikanerin Judith Curry.

In den vergangenen Wochen haben wir nicht nur im Netz, sondern auch zu Artikeln im Heft der WirtschaftsWoche Dutzende Leser-Zuschriften erhalten. Viele davon fragen: Was ist denn nun eigentlich dran an den Thesen der Skeptiker?

Wir haben uns die fünf häufigsten Argumente angeschaut. Mit dem aktuellen Stand der Klimaforschung haben sie wenig zu tun. In einem Punkt haben die Skeptiker aber durchaus Recht.

Und was ist mit den Dutzenden weiteren Argumenten, die die Skeptiker vorbringen? Am besten lässt sich diese Frage wohl so beantworten: Es ist wahrscheinlich,  dass einzelne Skeptiker - darunter Experten für Statistik, Computerwissenschaftler und Physiker - zu einzelnen Untersuchungen etwas beitragen können. Das Gesamtbild eines vom Menschen verursachten Klimawandels wird das aber nicht beeinflussen.

1. Die Sonne ist an allem SchuldJeder, der an einem schönen Sommertag im Park liegt, merkt welche Kraft die Sonne hat. Sie hat auch entscheidenden Einfluss auf unser Klima. Studien zeigen, dass die Sonnenaktivität in früheren Zeiten sehr eng mit der Entwicklung der Erdtemperatur verbunden war. Skeptiker glauben deshalb, sie heize auch aktuell die Erde auf.

Der Haken: In jüngster Zeit nahm die Sonnenaktivität ab und die Erdtemperatur stieg dennoch. Studien gehen davon aus, dass die Sonne in den vergangenen 100 Jahren höchstens einen Anteil von 15 Prozent an der globalen Erwärmung hatte. Neuere Berechnungen führen mindestens 76 Prozent der Erderwärmung auf den direkten, vom Menschen verursachten CO2-Ausstoß zurück.

2. Die Erderwärmung macht eine PauseLange Zeit behaupteten viele Skeptiker, die steigende Erdtemperatur sei auf falsche Messungen zurückzuführen. Dieses Argument widerlegte der US-Forscher Richard Muller in einer groß angelegten Untersuchung vergangenes Jahr (Wobei die Skeptiker nun behaupten, Mullers statistische Methode sei falsch gewesen).

Worauf die Zweifler an der Klimawandelthese aktuell verweisen: Dass die Temperatur auf der Erde in den vergangenen 15 Jahren nicht gestiegen ist – obwohl der CO2-Ausstoß weiter nach oben ging. Wissenschaftler entgegnen darauf, dass die Gesamttemperatur der Erde (Ozeane, Land und Atmosphäre) sehr wohl in dieser Zeit zunahm.

Außerdem: Über eine Periode von 30 Jahren - mit der Klimaforscher für gewöhnlich arbeiten - ergibt sich eine stetige Erwärmung von 0,16 Grad Celsius pro Jahrzehnt.

3. Klimamodelle sind QuatschDie Frage ist entscheidend: Was macht Computermodelle glaubwürdig? Der wichtigste Punkt ist wohl, dass sich ihre Aussagen mit „realen“ Entwicklungen decken. Die Frage stellt sich auch bei den Berechnungen für die künftige Entwicklung der Erdtemperatur des Weltklimarates (IPCC). Bei einer Verdoppelung des CO2-Gehalts der Atmosphäre sagen dessen Computermodelle eine signifikante Erwärmung voraus.

Glaskugel oder Wahrheit? Forscher des Zentrums für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen haben jetzt Daten zur Temperaturentwicklung der vergangenen 65 Millionen Jahre ausgewertet. Ihr Ergebnis erschien Ende November in der Fachzeitschrift Nature.

Das Fazit: Die globale Mitteltemperatur nahm immer dann zwischen 2,2 und 4,8 Grad zu, wenn sich in der Vergangenheit der CO2-Gehalt in der Atmosphäre verdoppelte. Diese Werte decken sich mit den Ergebnissen der Klimamodelle des Weltklimarates.

4. Was sich erwärmt, kühlt auch wiederEigentlich logisch: Wolken reflektieren die Sonnenstrahlen und tragen damit zur Kühlung der Erde bei. Je mehr Wolken, desto kälter wird es. Skeptiker glauben nun, dass die Erderwärmung auch zu mehr Wolkenbildung führen muss – sprich, die Erdtemperatur sich selbst reguliert und schließlich abkühlt. Fehlte dieser Mechanismus, hätte die Erde sich auch in der Vergangenheit schon unerträglich aufgeheizt. Prominentester Vertreter dieser These ist Richard Lindzen, Atmosphärenforscher am renommierten MIT.

Dass das Klima fähig zur Selbstreparatur ist, versucht Lindzen seit Jahren mit seinen Veröffentlichungen zu beweisen. Einige wissenschaftliche Artikel stützen seine Thesen – die Mehrheit der Klimaforscher aber hat Lindzens Berechnungen verworfen. (wer einen ganzen Sonntag - oder auch zwei - Zeit hat, kann sich hier in das Thema einlesen)

5. Kohlendioxid fördert die ErntenZu den Running Gags von Klimaskeptikern gehört es, einen Schluck Mineralwasser zu trinken. „CO2 soll gefährlich sein?“, ist die Frage, die folgt. "Aber ich trinke das doch gerade."...

Ein anderes Argument: Mehr CO2 in der Atmosphäre fördere das Wachstum von Pflanzen, wie in einem Treibhaus. Sind Kohlekraftwerke also nichts anderes als riesige Düngemittelfabriken? Von Hungersnöten in Folge des Klimawandels also keine Spur?

Tatsache ist: Allein die mit dem Klimawandel zunehmenden Extremwetter wie Dürren und Starkregen könnten – vor allem in den ärmsten Südländern der Erde – riesige Teile der Ernten vernichten. Außerdem sind einige verbreitete Zuchtsorten auf ein schnelleres Wachstum durch den erhöhten CO2-Gehalt nicht ausgelegt. Allerdings gehen Forscher der US-Uni Stanford derzeit davon aus, dass weiterentwickelte Pflanzensorten und neue Anbautechniken, den Verlust durch den Klimawandel ausgleichen können.

Aber mit welchem Argument haben die Klimaskeptiker nun Recht?Am ehesten mit diesem: Dass nicht alles, was Wissenschaftler sagen und vor allem vorhersagen auch mit 100 Prozent Wahrscheinlichkeit so eintritt. Wissenschaft ist fehlbar – das würde kein Klimaforscher bestreiten. Und Unsicherheiten bleiben in allen Feldern der Klimaforschung. Verschwiegen werden sie keineswegs. Über sie berichtet selbst der Weltklimarat in seinen Reports – die Medien dagegen selten. Auch die Forschung streitet sich darüber, zum Beispiel hier.

Aber wie sollten Politiker mit dieser Unsicherheit umgehen? Stellen wir uns vor, der Pilot eines Flugzeuges stellt fest, dass seine Maschine mit einer Wahrscheinlichkeit von 70 Prozent abstürzen wird. Die Passagiere haben die Wahl: Weiterfliegen oder notlanden? Die Entscheidung dürfte nicht schwer fallen.

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