Umweltschutz Italiens schwieriger Abschied von der Plastiktüte

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Tüten-Debatte in Deutschland

Der Umweltschutzverband Legambiente begrüßte die neue Regel. „Italien setzt den 2011 eingeschlagenen Weg fort, als ein Plastiksackerl-Verbot eingeführt wurde. Auch wenn dieses Gesetz nicht ganz respektiert wird, ist der Konsum von Plastiktüten in Italien seitdem um 55 Prozent rückgängig“, sagte Stefano Ciafani, Generaldirektor von Legambiente. Anders wird die Lage vom Konsumentenschutzverband Condacons eingeschätzt, der von einer weiteren Steuer für die Italiener sprach. „Statt die Konsumenten zusätzlich zu besteuern, sollten Industrie und Supermärkte die Kosten für die grüne Einwegtüte übernehmen“, so Codacons in einer Presseaussendung.

In Europa werden nach Angaben der Agentur für den Umweltschutz 100 Milliarden Plastiktüten pro Jahr verbraucht. Teile davon landen im Meer oder auf den Stränden, kritisierte Legambiente. Die EU-Staaten beschlossen Ende 2014 einen Kompromiss zur Reduktion. Es ging dabei um Maßnahmen für sogenannte Einweg- oder Wegwerfsackerl mit einer Dicke von unter 50 Mikrometer. Diese können entweder völlig verboten werden oder der Kunde muss sie in den Geschäften bezahlen. Darauf beruft sich die italienische Regierung. Nur: Die Römer sind bisher die einzigen Europäer, die den Gemeinschaftsplan derart konsequent umsetzen.

Die Alternativen des deutschen Handels

In Deutschland ist der Tütenverzicht zwar schon seit zwei Jahren ein Thema – allerdings eher auf Basis freiwilliger Selbstverpflichtungen. 2016 hatte Umweltministerin Barbara Hendricks mit dem Handel eine Bezahlpflicht für Einkaufstüten ausgehandelt.

Es sollte eine freiwillige Selbstverpflichtung sein, um eine gesetzliche Regelung wie jetzt in Italien zu verhindern. Laut Bundesumweltministerium zeigt die freiwillige Bezahlpflicht Wirkung und habe bereits zu einem „deutlichen Rückgang des Tütenverbrauchs“ geführt, sagte ein Ministeriumssprecher im vergangenen Jahr der WirtschaftsWoche. So wurden nach den Zahlen der Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung (GVM) im Jahr 2016 rund 3,7 Milliarden Tüten an die Kunden ausgegeben. Damit verringerte sich die Abgabe der Plastikbeutel um rund 30 Prozent. Der Pro-Kopf-Verbrauch von Plastiktüten in Deutschland sank damit von 68 auf 45.

Bei mehr als 350 Unternehmen müssen Kunden seit Sommer 2016 Geld für eine Plastiktüte zahlen. Große Lebensmittelhändler wie Real, Lidl oder Aldi entschieden sich sogar dafür, die Tüten komplett aus dem Sortiment zu streichen, nachdem der Kölner Rewe-Konzern mit einem Tütenbann vorgeprescht war. Rewe-Chef Lionel Souque beziffert die Ersparnis allein bei Rewe auf rund 140 Millionen Plastiktüten pro Jahr. Bei Lidl soll die Einsparung bei über 100 Millionen Tüten liegen.

Im öffentlichkeitswirksamen Kampf gegen Plastikmüll haben die deutschen Händler schon den nächsten Gegner ausgemacht: Knotenbeutel, also die dünnen Plastiktüten, die für Obst- und Gemüse verwendet werden. Erste Pilotprojekte laufen. Teils werden Kunden darauf hingewiesen, dass viele Obst- und Gemüsesorten auch ohne Beutel im Einkaufswagen zur Kasse transportiert werden könnten. Teils werden statt des bekannten Plastikbeutels spezielle Mehrweg-Frischenetze angeboten.

Und auch die Folienverpackungen sollen reduziert werden – etwa bei Rewe. Die Kölner bieten Bananen inzwischen ohne zusätzliche Verpackung an und testen für Bio-Avocados und Bio-Süßkartoffeln ein so genanntes „Natural Branding“. Per Laser werden dabei Logo und Informationen zu dem Produkt direkt in die Schale graviert. Möglich sei auch eine Ausweitung des Laser-Verfahrens auf andere Gemüse- und Obstsorten wie zum Beispiel Äpfel, heißt es bei Rewe.

Die Erfahrung aus Italien lehrt: Für den Frieden an der Obsttheke wäre es besser, das Verfahren schnell zu entwickeln. Bevor auch hier Tüten-Tarife eingeführt werden.

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