Nachhaltige Versicherungen Das sind die spannendsten Konzepte

Von grünen Hausratpolicen bis zu alternativen Krankenkassen: Was bringen die Angebote genau?

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Marie-Luise Meinhold hätte es bei der Allianz weit bringen können. Die promovierte Wirtschafts- und Naturwissenschaftlerin bekleidete mehrere Führungspositionen und galt als eine der talentiertesten Nachwuchsmanagerinnen. Doch dann stieg sie aus und machte ihr eigenes Ding: Meinhold rief vor zwei Jahren den Ver.de Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit ins Leben, der Konzepte für nachhaltige Versicherungen entwickelt.

Die 43-Jährige beschäftigt sich schon seit Studienzeiten mit dem Thema Nachhaltigkeit. Sie hofft, jetzt auf diesem Weg zu schaffen, was ihr bei der Allianz versagt blieb: Die Versicherungsbranche ein Stück grüner zu machen.

Eigene Tarife für Bio-Käufer?Mit diesem Ziel steht Meinhold nicht allein. Auch andere Entrepreneure konzipieren derzeit neue Versicherungskonzepte, zudem bieten etablierte Konzerne immer häufiger Tarife für nachhaltig orientierte Kunden an. Schon länger versprechen einige Lebensversicherer, das Geld der Kunden in Aktien und Anleihen ökologisch vorbildlicher Unternehmen zu investieren. Neuerdings sind auch in anderen Versicherungssparten, etwa bei Kranken- oder Hausratpolicen, nachhaltige Alternativen am Markt oder stehen kurz vor der Einführung. Damit wollen auch Versicherer das wachsende Segment nachhaltig orientierter Kunden gezielt ansprechen. Aber wie sehen die Konzepte aus? Und für wen sind sie geeignet?

Wir haben uns die interessantesten Modelle angeschaut. Als Pilotprojekt hat Ver.de-Gründerin Meinhold eine grüne Hausratversicherung entwickelt. "Wer eine umweltfreundliche Ersatzanschaffung tätigt, bekommt von uns einen Zuschlag von 20 Prozent", erklärt sie das Konzept. Geht etwa die Waschmaschine wegen eines Wasserschadens kaputt, besteht der Anreiz, ein energiesparendes Nachfolgegerät zu kaufen.

Ein weiterer Pfeiler des Konzepts: Die Beiträge der Kunden, die nicht zur Schadensregulierung ausgegeben werden, sollen auf Konten nachhaltiger Geldhäuser wie der GLS Bank oder Triodos fließen. "Dadurch stellen wir sicher, dass das Geld sinnvoll eingesetzt wird - zum Beispiel für Kredite an Unternehmen aus nachhaltigen Branchen", erklärt Meinhold.

Auf dem Markt ist die Police aber noch nicht. "Wir suchen derzeit Investoren, die Startkapital zur Verfügung stellen", berichtet Meinhold. Eine Million Euro von Stiftungen und vermögenden Privatleuten sei bereits in der Kasse.

Einen anderen Weg geht Marcus Reichenberg - neben Meinhold der zweite Entrepreneur, dessen Start-up bereits bekannt ist. Auch der Gründer von Greensurance im bayrischen Weilheim hat ein Konzept für nachhaltige Sachversicherungen entwickelt. Doch bei ihm erhalten ökologisch handelnde Kunden im Schadensfall nicht mehr Geld, sondern sie zahlen von vornherein weniger. "Wir können versicherungsmathematisch nachweisen, dass Menschen mit nachhaltigem Lebensstil ein geringeres Risiko für den Versicherer darstellen", sagt Reichenberg, dessen elfköpfiges Team aus Naturwissenschaftlern und Versicherungsmathematikern besteht. Der Grund: Solche Ökobewegte verhalten sich in der Regel verantwortungsbewusster und verursachen somit weniger Schäden.

Die Lehre daraus: Assekuranzen könnten einen nachhaltigen Lebensstil mit niedrigeren Prämien belohnen, ohne um ihre Gewinne fürchten zu müssen. Um Versicherte korrekt einzustufen, hat Greensurance ein Ökopunktesystem entwickelt, das deren Lebensweise bewertet. Details dazu will Reichenberg noch nicht verraten. "Wir führen derzeit intensive Gespräche mit mehreren großen Versicherern, die Interesse haben, solche Tarife anzubieten." Er hofft, spätestens im Herbst loslegen zu können. In Eigenregie bietet Greensurance bereits Haftpflichtversicherungen für mehrere Berufsgruppen an.

Sein Konzept, glaubt Reichenberg, sei für alle Sachversicherungen geeignet - neben Hausratpolicen und Haftpflichtversicherungen zum Beispiel im Kfz-Bereich: Hier gäbe es nicht nur Rabatte für Wenigfahrer mit Garage und langjähriger Fahrpraxis, sondern auch für Besitzer von Ökoautos. "Wer einen Wagen mit niedrigem Spritverbrauch hat, zahlt bei unserem Konzept weniger als ein Sportwagenbesitzer", sagt Reichenberg. Bei klassischen Tarifen fließt der Verbrauch allenfalls teilweise und auf Umwegen in die Kalkulation der Prämie ein, etwa über den Fahrzeugtyp.

Wie bei der Hausratversicherung gilt laut Reichenberg auch hier: Da nachhaltige Kunden im Schnitt weniger Schäden verursachen, rechnet sich eine solche Prämienpolitik auch für die Assekuranzen.

Bonus für defensives FahrenEine denkbare Weiterentwicklung des Greensurance-Modells wären Policen, die eine umweltschonende Fahrweise belohnen. Dafür müssten Kunden eine Blackbox installieren, die Daten zum Fahrstil aufzeichnet und an den Versicherer übermittelt.

Technisch ist dies möglich: Seit Anfang des Jahres bietet die Sparkassen-Direktversicherung in Deutschland den ersten Telematik-Tarif an. Der soll allerdings keine spritsparende, sondern eine sichere Fahrweise belohnen. Wer selten stark bremst oder beschleunigt, mit niedrigem Durchschnittstempo unterwegs ist und nicht bei Dunkelheit fährt, kann einen Prämienrabatt von bis zu fünf Prozent erhalten.

Der Spritverbrauch spielt hier keine Rolle. Doch das Modell lässt sich in diese Richtung weiterentwickeln. Kritiker monieren aber, dass die Technik noch nicht ausgereift ist. "Ein Telematik-Tarif, der zielsicher eine umweltschonende Fahrweise honoriert, ist deshalb noch Zukunftsmusik", sagt Reichenberg.

Nachhaltige Krankenversicherer unterscheiden sich vor allem in zwei Dingen von der Konkurrenz. Sie werben damit, besonders bereitwillig und umfassend alternative Behandlungsmethoden zu bezahlen, etwa Homöopathie, chinesische Medizin oder Yogakurse für Schwangere. Und sie investieren Rücklagen nach nachhaltigen Kriterien. Mit diesem Konzept werben zum Beispiel die gesetzliche BKK advita (Slogan: "Nachhaltig gesund") oder die private Barmenia.

Doch während die Assekuranzen bereitwillig über sanfte Medizin informieren, geben sie sich beim Thema Geldanlage zugeknöpft. Sie liefern zwar allgemeine Angaben zu finanzierten Projekten. So führt die Barmenia etwa Kraftwerke zur Stromerzeugung aus regenerativen Quellen auf. Doch eine detaillierte Auflistung der Investments verweigern sie. Wer also jenseits alternativer Medizin eine umfassend nachhaltige Krankenkasse sucht, der sollte vor dem Abschluss diese Angaben zur Kapitalanlage unbedingt einfordern.

Offener zeigen sich die Anbieter nachhaltiger Lebens- und Rentenversicherungen. So stellt der Verein für alternative Versorgungskonzepte (VAV) im Internet einen detaillierten Anlagebericht für die von ihm entwickelte Police transparente bereit, welche die Assekuranzen Neue Leben, Volkswohl Bund und Stuttgarter vertreiben. Demnach wurde in das Gesundheitszentrum St. Pauli, eine Fachklinik für Suchtkranke der Jugendhilfe und mehrere nachhaltige Wohnimmobilien in Gneven bei Schwerin investiert. Auch Solarparks und Fonds wie der Gerling Responsibility oder der Dr. Hoeller prime values income gehören zum Portfolio.

Windräder im PortfolioMarktführer oeco capital nennt zahlreiche Beispiele für aktuelle Investments - etwa Aktien der Windradhersteller Vestas und Nordex oder des Solarzulieferers SMA. Allerdings stuft oeco capital auch Genossenschaftsinstitute wie die DZ Bank pauschal als nachhaltig ein und investiert deshalb kräftig in deren Anleihen.

Ökofundamentalisten unter den Anlegern dürfte das nicht gefallen. Doch die breite Streuung sorgt für mehr Stabilität - je kleiner das Anlageuniversum, desto größer ist schließlich das Schwankungsrisiko. Auch deshalb erhielt oeco capital beim jüngsten Lebensversicherungsrating der WirtschaftsWoche fünf von fünf Sternen (Heft 40 2013). Wer trotz niedriger Zinsen, unter denen die Lebensversicherer besonders leiden, eine Police abschließen will, ist also bei oeco capital gut aufgehoben - vorausgesetzt, er ist bereit, Abstriche in Sachen Nachhaltigkeit hinzunehmen.

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