Nachhaltigkeit Die drei größten Missverständnisse in Unternehmen

Nachhaltigkeit spielt in Unternehmen eine immer größere Rolle - an konsequenter Umsetzung mangelt es aber häufig noch.

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Ein Gastbeitrag von Carsten Meier, Co-Gründer von intraprenör. Die Strategieberatung berät Konzerne dabei, Nachhaltigkeit in ihr Geschäftsmodell zu implementieren und so Innovationen voranzutreiben. Intraprenör entstand aus einer Forschungsarbeit der Universität der Künste in Berlin und arbeitet nach dem Prinzip des Social Intrapreneurship. Auf ihrem Blog schreiben die Gründer regelmäßig über die Veränderungen der Wirtschaft durch Nachhaltigkeit und soziale Innovationen.

Nachhaltigkeit ist in aller Munde und Unternehmen scheinen mit diesem Wort einen neuen Liebling gefunden zu haben. Es ist schön zu beobachten, wie in kürzester Zeit Nachhaltigkeitsabteilungen aus dem Boden schießen, um dem Thema die nötige Relevanz entgegenzubringen. Die Deutsche Bank, Volkswagen, RWE: Alle haben jetzt ihre eigene Corporate-Social-Responsibility-Abteilung (CSR) und entwickeln einmal pro Jahr dicke Wälzer für die Öffentlichkeit.

Bei genauerem Hinsehen entpuppt sich die hoch gelobte Nachhaltigkeit jedoch eher als dekoratives Beiwerk zum Kerngeschäft. Das Management der Nachhaltigkeitsabteilung ist meist nicht Teil der wichtigen strategischen Meetings im Unternehmen - langfristige Entscheidungen werden von anderen gemacht.

Es gibt aber auch andere Unternehmen, die Nachhaltigkeit zu ihrem Kern gemacht haben. Die GLS Bank hat sich auf die Investition in soziale und ökologische Projekte spezialisiert und konnte so ihren Kundenstamm in den letzten Jahren sehr erfolgreich erweitern. Der Tiefkühlprodukte-Hersteller frosta stellte seine Produktentwicklung vor einigen Jahren komplett auf nachhaltige Zutaten um und konnte so im Wettbewerb gegen Billig-Konkurrenten bestehen.

Aber offensichtlich wird von vielen Unternehmen bisher nicht verstanden, welches Potential Nachhaltigkeit in Hinblick auf eine langfristige Geschäftsmodellentwicklung hat. Nachhaltiges Engagement kann nicht nur ökologische und soziale Innovationen bewirken. Sie kann, richtig verstanden, ökonomischen Fortschritt im Unternehmen ermöglichen, neue Märkte erschließen und Produkte erneuern.

Das Geheimnis grünen ErfolgsDas Ziel von strategischer Nachhaltigkeit muss es also sein, „shared value“ zu erzielen. Denn ein Wert, der ökonomisch, ökologisch und sozial ist, hat innerhalb eines Marktes überragende Schlagkraft und damit enormes Potential für einen Wettbewerbsvorteil. Um diesen „shared value“ zu ermöglichen, müssen Unternehmen einige Missverständnisse hinter sich lassen und sich von festgefahrenen Meinungen über Nachhaltigkeit trennen.

Missverständnis 1: „Nachhaltigkeit interessiert unsere Kunden nicht.“

Die Wirtschaftswoche berichtete Ende letzten Jahres von einer Studie der Beratungsfirma Reputation Institute, die herausstellte , dass 60% der befragten Konsumenten Unternehmen trotz Corporate Social Responsibility in puncto Nachhaltigkeit durchfallen lassen. Viele Manager tappen aufgrund solcher Studien häufig in die Falle, ihren Kunden kein Interesse an Nachhaltigkeit zu attestieren - vor allem wenn ihre Produkte nicht das gehobene Bildungsbürgertum ansprechen.

Bei genauerer und intensiverer Forschung fällt aber auf, dass tatsächlich jeder Kunde Interesse und Bedürfnisse an Nachhaltigkeit besitzt. Wer aber einfach nur fragt „Ist Ihnen Nachhaltigkeit wichtig?“ oder „Würden Sie für Bio-Produkte mehr zahlen?“ wird garantiert nicht die richtigen Antworten erhalten. Denn jeder Kunde und jede Kundin definiert den Begriff Nachhaltigkeit nach eigenem Gusto. Die Kundenbedürfnisse müssen deshalb durch qualitative Methoden gefiltert und in der Lebenswelt der Kunden und Kundinnen identifiziert werden. Für eine strategische Ausrichtung von Nachhaltigkeit gilt also das Gleiche wie für die grundlegenden Theorien des strategischen Marketings:  Kundenbedürfnisse müssen gefunden und dann individuell adressiert werden.

Eine solche Forschung kann dann auch zu öffentlichkeitswirksamen Maßnahmen führen: Die Schweizer Supermarktkette Migros rief die „Generation M“ ins Leben - ein Portal, bei dem die Konsumenten ihre Ideen an das Unternehmen weitergeben und so das Management zu unternehmerischen Versprechungen bewegen können. Mittlerweile wurden mehrere Projekte von Seiten des Unternehmens angegangen - beispielsweise wurden Teile der Lebensmitteltransporte auf die Schiene umgestellt und bis Ende des Jahres sollen alle Plastik-Flaschen im Markt abgegeben und recycelt werden können.

Missverständnis 2: „Nachhaltigkeit muss nach Nachhaltigkeit aussehen.“

Wer einmal verschiedene Websites im Bereich Nachhaltigkeit durchklickt oder die zahlreichen Anzeigen analysiert, merkt schnell, dass hier stets die gleichen Motive gespielt werden. Neben glücklichen Kindern in der Natur, schöner Ökopapier-Scherenschnitt Optik und romantischen Wort-Phrasen vergisst dabei so manches Unternehmen, dass Nachhaltigkeit viel mehr ist als nur braun und grün.

Nachhaltigkeit darf und muss so individuell und unterschiedlich sein, wie Unternehmen selbst sind. Ein Öko-Image passt nicht zu jedem - Nachhaltigkeit dagegen schon. Eine eigens auf das Unternehmen zugeschnittene Nachhaltigkeit ermöglicht damit die Abgrenzung von Wettbewerbern.  Eine Nachhaltigkeit, die zu Unternehmen passt, ist für Kunden transparenter und authentischer. Und wo „grüne“ PR-Aktionen gelebter Nachhaltigkeit weichen, werden Vorwürfe über „Green Washing“ keinen Nährboden finden.

Missverständnis 3: „Meine Mitarbeiter sind jetzt schon von dem Thema genervt.“

Häufig scheint es, als sei Nachhaltigkeit intern eines der Dinge, die „eben gemacht werden müssen“ und die vor allem zweierlei sind: zeitaufwendig und unnötig. Auch hier entsteht der Trugschluss, den Mitarbeitern Nachhaltigkeit nicht mehr zumuten zu wollen. Der Fehler liegt allerdings nicht am Nerv-Potential der Thematik, sondern an der Art und Weise der Implementierung: Statt entwickelte Nachhaltigkeits-Werte „top-down“ umzusetzen, sollten eigene Nachhaltigkeits-Positionierungen gemeinsam mit den Mitarbeitern entwickelt werden.

Laut einer Studie des Projekts „Nachhaltig leben und arbeiten“ sind diese nämlich sehr wohl an der Umsetzung persönlicher Werte am Arbeitsplatz interessiert. Eine von der Wirtschaftswoche geförderte Untersuchung dazu, was Top-Unternehmen anders machen, zeigte zudem, dass hoch motivierte Mitarbeiter meist doppelt so innovativ sind und demnach das Unternehmen schneller und effektiver vorantreiben.

Die Personalabteilung hat also das größte Potential, der Motor der nachhaltigen Entwicklung im Unternehmen zu werden. Das Schlüsselwort dafür lautet: Intrapreneurship. Unternehmen müssen ihre Mitarbeiter zu Intrapreneuren ausbilden - also zu Angestellten, die sich inhaltlich und emotional mit dem Arbeitgeber identifizieren und deshalb mit Motivation, Leadership und Innovationsgeist „ihr“ Unternehmen zukunftsfähig gestalten wollen.

Auf diese Weise ist mit einem Perspektivwechsel innerhalb des Nachhaltigkeitsengagements weg von dem Druck der Verbraucher-Organisationen wie Greenpeace und Co. hin zu einer Orientierung an Kunden und Mitarbeitern eine echte nachhaltige Innovation möglich, die einen shared value schafft - und so Unternehmen zu Vorreitern im Markt werden lässt.

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