Plastik Tütenverbot schützt Meere kaum

Plastiktüten und -flaschen müllen seit Jahren unsere Meere zu, weil sie selten richtig entsorgt werden. Deshalb verbieten immer mehr Unternehmen ihre kostenlosen Tüten. Das hilft kaum: Denn unbemerkt geben wir jeden Tag Plastikmüll in die Umwelt ab.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Plastikmüll in der Hanauma Bay vor der Küste der hawaiianischen Insel Oʻahu Quelle: AP

Plastik erlebt seit Jahrzehnten einen Produktionsboom, weil es in Verpackungen, Autos oder Gebäuden günstig, flexibel und haltbar eingesetzt werden kann. In den 1960er-Jahren wurden weltweit 15 Millionen Tonnen Plastik aus Erdöl hergestellt. 2014 war es bereits das Zwanzigfache mit 311 Millionen Tonnen. Und bis 2050 soll sich dieser Wert gar auf 1124 Millionen Tonnen noch einmal fast vervierfachen.

Produktion für die Tonne

Der größte Teil des verbrauchten Plastiks, in der EU knapp 40 Prozent, wird für Verpackungen genutzt. Die landen nach kurzem Gebrauch zu über 90 Prozent direkt im Müll.

Weltweit würde jährlich so ein Warenwert von 80 bis 120 Milliarden US-Dollar nach dem ersten Gebrauch direkt vernichtet, schreibt das Weltwirtschaftsforum WEF.

Deshalb sagen Unternehmen und Regierungen dem Plastik den Kampf an. Der Discounter Penny hat gerade das Aus der Plastiktüte in seinen Läden verkündet, wie zuvor schon Lidl und Rewe. Frankreich will bis 2020 landesweit Einweg-Plastik verbieten. Die indische Hauptstadt Neu-Delhi macht das bereits seit Januar.

Und während in Europa das Recycling der vernichteten Plastikverpackungen sehr gut funktioniert, landen in vielen Ländern weltweit die Tüten und andere Müllreste einfach in der Umwelt, statt in der Mülltonne.

Knapp ein Drittel der Plastikverpackungen entgehen so jährlich weltweit der regulären Müllverwertung, schreibt das WEF. Große Teile des Mülls landen schließlich im Meer. Knapp 40 Milliarden Dollar fließen so jährlich buchstäblich hinaus aufs offene Meer. 

Unbemerkte Verschmutzung

Die USA und Europa haben solche Plastikreste bereits stark minimiert. Verbote von Plastiktüten würde somit zwar die verbrauchte Menge reduzieren, nicht aber die Meeresverschmutzung. Denn Plastikteile gelangen von uns unbemerkt konstant in die Umwelt, wie jetzt eine neue Studie der Umweltorganisation ICUN zeigt. 

Trotz Tütenverbot kommen nämlich auch USA und Europa nicht vom Plastik los. Sogenanntes Mikroplastik, feinste Plastikteilchen mit einer Größe bis fünf Millimeter, verschmutzen die Umwelt dort fast genauso stark wie Plastikreste von Verpackungen und anderen Plastikteilen. 

Ein Drittel des Mikroplastiks, das im Meer landet, stammt aus Kunstfasern, etwa Polyester, die in unserer Kleidung vernäht werden. Bei jedem Waschgang lösen sich daraus feinste Fasern, die kaum gefiltert ins Abwasser fließen. Und Plastik in unserer Kleidung und Schuhen gewinnt gerade erst an Bedeutung in der Herstellung. Die Produktion von Polyesterfasern soll sich bis 2025 noch verdoppeln. 

Ungeahntes Ausmaß

Nachdem bestimmtes Mikroplastik in Kosmetika ab Juli in den USA verboten ist, überlegen nun auch Textilhersteller, wie sie Plastikmüllpartikel vermeiden können.

Denn die Menge an Mikroplastik, das über Textilien jedes Jahr unbemerkt ins Meer gelangt ist beachtlich. In Europa entspricht sie pro Person umgerechnet fast einer Tüte in der Woche. Zum Vergleich: Beim Einkaufen verbrauchen die Deutschen jedes Jahr 71 Plastiktüten.

Der Outdoor-Textilproduzent Patagonia hat 2016 deshalb eine Studie in Auftrag gegeben, um seine eigenen Ausstoß von Plastik aus der Kleidung zu überprüfen. Ein erster Teil der Untersuchung fand: je nach Waschmaschine gelangen beim Waschen einer Synthetik-Jacke i Schnitt 1,7 Gramm Mikroplastik ins Abwasser. Einen großen Teil davon können die Wasserwerke nicht filtern, da es zu kleine Partikel sind. 

Bereits jetzt ist absehbar, dass 2050 mehr Plastikpartikel im Meer schwimmen als Fische. Und das sogar unter der Prämisse, dass die Fischbestände bis dahin konstant bleiben, was wegen Überfischung keinesfalls selbstverständlich ist. 

Müll aus dem Meer filtern

Start-ups haben sich deshalb der  Vermüllung der Meer angenommen.

Der 23-jährige Bojan Slat etwa hat mit The Ocean Cleanup ein Projekt ins Leben gerufen, das die Meere reinigen soll. Er will Plattformen im Meer installieren, die mit großen Filteranlagen die Plastikpartikel aus der Strömung fischen. 

Solche Anlagen gibt es auch in kleiner Form. The Seabin-Project hat eine Art Mülleimer fürs Meer konstruiert, der Schmutzteile im Wasser ansaugt und filtert.

Das Plastik einzusammeln lohnt sich. Denn aufgrund seiner langen Lebensdauer kann auch das Plastik aus dem Meer wieder aufgearbeitet werden.  Adidas hat 2015 etwa einen Schuh vorgestellt, der aus Plastikabfällen aus dem Meer produziert wurde. Nach dem Prototyp folgte 2016 eine limitierte Auflage der Schuhe aus Meeresplastik zu kaufen. Das Obermaterial wurde aus Plastikabfällen aus dem Meer gefertigt. Und die Zwischensohle wurde mit recyceltem Material hergestellt, das aus geborgenen Fischernetzen stammt. 

Noch einen Schritt weiter will Gründer Vincent Callebaut gehen. Er plant nicht nur das Plastik zu sammeln und zu recyceln, sondern es auch mit Algen vermischt nutzbar zu machen.

Gelingt es, das Plastik wieder aus den Meeren zu fischen, wäre nicht nur der Umwelt geholfen. Es könnten auch die jährlich bis 40 Milliarden Dollar wieder aus dem Meer gefischt werden, die durch den Plastikmüll der Wertschöpfungskette bislang verloren gehen.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%