Abfalltransport Sind Pferde die Müllwagen der Zukunft?

Immer mehr Pferde transportieren in kleinen Gemeinden den Abfall ab. Der Mülltransport durch die Vierbeiner ist günstig und schont die Umwelt.

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Im Sommer geriet Montforte del Cid mit seinen 7000 Bewohnern in die Schlagzeilen. Das kleine Städtchen nahe Alicante im Südosten Spaniens hatte das "Hipomóvil" eingeführt – eine Pferdekutsche, die nun den Müll abholt. Ein LKW koste in der Anschaffung weit über 100.000 Euro, ein Pferd mit Kutsche 6000 Euro, rechnete die Bürgermeisterin vor. Damit könne man die Ausgaben für die Müllbeseitigung jährlich halbieren.

Im Kern des verschlafenen Örtchens – also dort, wo die Kutsche nun unterwegs ist – sind die Gassen eng, es gibt viele Einbahnstraßen und die grünen Mülltonnen stehen ohnehin direkt an der Straße. Das permanente Stop-and-Go der LKW sorgte hier bislang für eine besonders hohe Abgasbelastung. Die Pferde haben geringere Emissionen und die Kutsche ist sogar mit Solarzellen ausgestattet, die die Beleuchtung mit Strom versorgen können.

Sparsam und zuverlässigFür solche Orte könnten Pferde die Zukunft der Müllentsorgung sein. Durch die geringe Größe ersetzt ein Pferdekarren einen – meist nicht vollen – Müllwagen. Und der Lärm und die Pferdeäpfel, die einst als Nachteil gegenüber dem Auto galten, sind dank speziellen Hufbeschlägen und Auffangbehältern kein Problem mehr.

Brandneu ist die Idee nicht. Im US-Staat Vermont rollt seit 1997 ein Pferdekarren durch die Gemeinde Bristol und sammelt Müll ein - nicht aus der Not heraus, eher als umweltfreundliche Folklore. In den hochgelegenen Bergdörfern der Amalfiküste Italiens ist die Notwendigkeit schon eher gegeben. Dort gibt es Esel, die unter anderem auch Abfall die steilen Abhänge hinabbringen.

In vielen Regionen der Welt haben die Menschen durch Armut und soziale Probleme gar keine Alternative. Im Gaza-Streifen führt der Treibstoffmangel dazu, dass Müllfahrzeuge regelmäßig stillstehen – für diesen Fall übernehmen Pferde den Transport. Und die Müllsammler der ägyptischen Hauptstadt Kairo oder Millionenmetropole Lagos in Nigeria sind schlichtweg zu arm, um sich etwas anderes als einen Esel leisten zu können.

So arm sind die spanischen Gemeinden noch nicht - dennoch müssen sie sparen. Und natürlich spielt auch der Umweltschutz eine Rolle. Die erste belgische Gemeinde, die Pferde für den Mülltransport einsetzte, war 2011 Schaarbeek. Ein Schritt, den der zuständige Beigeordnete Michel de Herde hauptsächlich mit der nachhaltigen Entwicklung des Ortes erklärte.

Vorteile der TechnikAuch in Deutschland gibt es die 2-PS-Müllabfuhr. Auf der Nordseeinsel Juist zum Beispiel, die für den Autoverkehr gesperrt ist. Hier ziehen zwei Pferde eine 30.000 Euro teure Kutsche, die den Müll der rund 1500 Bewohner abholt. Die Kutsche ist eine Spezialanfertigung, die etwa 1,7 Tonnen wiegt. Auf Juist sind viele Bewohner stolz auf die Autofreiheit – die gute Luft und die Ruhe sind ein Vorteil im Kampf um Touristen.

Andere Gemeinden werden hierzulande aber wohl vorerst nicht aufs Pferd setzen. Dazu sind die Straßen zu gut ausgebaut und das Recycling-System macht längere Fahrten nach dem Einsammeln des Abfalls notwendig – dazu sind Müllwagen einfach besser geeignet.

Anderen Mitbewerbern sind Pferde allerdings eine Nüsternlänge voraus. Bis 2009 entwickelten italienische Wissenschaftler den "DustBot". Einen Roboter, den man per SMS bestellen konnte. Dieser sollte sozusagen Mülltransport "on demand" erledigen. Allerdings hat man von dem Projekt seit Jahren nichts mehr gehört.

Doch die Technik kann auch den Mülltransport durch Tiere erleichtern: In der Schweizer Gemeinde Avenches holt seit zwei Jahren eine E-Kutsche den Müll ab. Bergauf unterstützt ein Elektromotor das Pferd. Ob Solarmodul oder Pedelec-Kutsche – die neue Technik und ein gestiegenes Umweltbewußtsein könnte dem alten Pferdekarren in Europa zu einem Revival verhelfen.

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