Bio-Kerosin Lufthansa absolviert Jungfernflug mit Zuckersprit

Airlines müssen klimafreundlicher werden. Die Lufthansa testete zwischen Frankfurt und Berlin erstmals Sprit auf Zuckerbasis.

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Kaum drei Monate, nachdem ASTM International, die zuständige Zulassungsbehörde in den USA, eine neue Biokerosin-Sorte für den Flugverkehr zugelassen hat, meldet die Deutsche Lufthansa jetzt dessen Ersteinsatz. Am 16. September startete um 15.45 Uhr ein Airbus 321 von Frankfurt zum rund einstündigen Flug nach Berlin, dessen Treibstoff zu zehn Prozent mit Farnesan verschnitten war.

Dieser Sprit wird vollständig aus nachwachsenden Rohstoffen gewonnen, genauer gesagt aus Zucker. Dieser wiederum stammt – noch – aus Pflanzen, die auch als Nahrungs- und Futtermittel dienen. Farnesan haben der französische Mineralölkonzern Total und das US-Biotechnologieunternehmen Amyris entwickelt. Der Treibstoff ist genauso aufgebaut wie Kerosin, enthält jedoch keine mineralöltypischen Verunreinigungen, die die Schadstoffemissionen erhöhen. Bei der Verbrennung von Farnesan wird nur wenig mehr Kohlendioxid frei, als die Pflanzen zuvor aus der Luft herausgefiltert haben.

Bisher kommt der Sprit noch von PflanzenAmyris hat extra Mikroorganismen gezüchtet, die das Farnesan aus Zucker herstellen. Als Futtermittel für die Kleinsttierchen nutzen die US-Entwickler Zuckerrohr. Das Verfahren funktioniert jedoch auch mit Rübenzucker. Das ist allerdings auch die Achillesferse des neuen Treibstoffs. Seine Herstellung steht in Konkurrenz zur  Nahrungsmittelproduktion. Denn was im Tank landet, können Menschen nicht mehr essen. Deshalb entwickeln die Amyris-Forscher derzeit Verfahren weiter, um Zucker aus Bioabfällen wie Stroh und Holzschnitzeln zu gewinnen. Künftig könnten ihre lebenden Farnesan-Produzenten also Abfall fressen.

Ehe Farnesan in den Tank kam, hatte Lufthansa bereits ein anderes Biokerosin getestet, das aus einer weder von Tieren noch von Menschen genießbaren Pflanze stammt, der Purgiernuss, meist Jatropha genannt. 2011 pendelte ein halbes Jahr lang zwischen Hamburg und Frankfurt ein Airbus 321 der Lufthansa, dessen Treibstoff bis zu knapp 50 Prozent Biokerosin enthielt. Aber nicht nur Jatropha eignet sich als Treibstoff, sondern im Grunde jegliche Art von Pflanzenöl.

Eine Pilotanlage, die auf solche Art synthetisches Kerosin aus Pflanzenöl herstellt, betreibt das an der Oder ansässige Brandenburger Unternehmen Verfahrenstechnik Schwedt. Diese Art von Biokerosin ist bereits seit fünf Jahren für den Linienflugverkehr zugelassen. Allerdings gibt es weltweit nur geringe Produktionskapazitäten. Vor allem weil das Verfahren noch teuer ist.

Zweifel am Nutzen von JatrophaDas will die Lufthansa mit Hilfe des Stuttgarter Unternehmens JatroSolutions nun ändern. JatroSolutions ist eine Tochter des Karlsruher Stromversorgers EnBW und der Universität Hohenheim, die seit vielen Jahren die Nutzung der Jatropha-Pflanze erforscht. Die Schwaben arbeiten daran, Jatropha in Farmen anzubauen ähnlich wie Bananen oder Kaffee. Anders als diese Pflanzen begnügt sich Jatropha mit den kärgsten Böden, die für landwirtschaftliche Produkte ungeeignet sind. Sie ist auch immun gegen längere Trockenperioden. Deshalb scheint diese Pflanze vielen Experten ideal für die Herstellung von synthetischen Treibstoffen.

Konkurrenzfähig wird sie allerdings erst, wenn sie tatsächlich kostengünstig angebaut und geerntet werden kann. Entsprechende Techniken testet JatroSolutions auf Versuchsfeldern in Argentien, Kamerun, Indien, Madagaskar und Paraguay. Allerdings ist der Anbau selbst der Jatropha umstritten – denn viele Bauern stürzen schlechte Ernten in die Armut. Auch Investoren kehren dem Anbau zunehmend den Rücken. Insofern ist der Treibstoff, den die Mikroorganismen von Amyris herstellen, vielleicht doch die bessere Lösung. Dass er tatsächlich für den Luftverkehr geeignet ist, hat die Lufthansa jetzt gezeigt.

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