Energiewende Bundesregierung fördert millionenschwere "Kopernikus-Projekte"

120 Millionen Euro gibt es für vier Forschungskonsortien.

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Sie bedeutet ein radikales Umdenken, eine Neustrukturierung, einen wirtschaftlichen Komplettumbau: Die Energiewende, nach der atomaren Katastrophe von Fukushima beschlossen, ist das dominierende wirtschaftliche Thema der vergangenen Jahre und wird das wohl auch noch auf absehbare Zeit bleiben. Kaum ein Superlativ ist Kommentatoren, Politikern und Wirtschaftslenkern zu groß, um das Ausmaß der angestoßenen Veränderung zu betonen.

Eben diese enorme Veränderung unterstreicht auch der Name der nun offiziell gestarteten - und größten - Forschungsinitiative zur Energiewende: Kopernikus-Projekte. "Nikolaus Kopernikus steht für einen bedeutenden Paradigmenwechsel, aus dem ein neues Weltbild hervorgeht", heißt es auf der Website der von der Bundesregierung geförderten Initiative über den Wissenschaftler, der 1543 mit seiner Erkenntnis, dass sich die Erde um sich selbst und die Sonne dreht und nicht der Mittelpunkt des Universums ist, eine wissenschaftliche Umwälzung auslöste.

Großer Name, große ZieleDie Initiative hat, passend zum großen Namen, anspruchsvolle Ziele: "Wir werden zeigen, dass eine sichere, bezahlbare und saubere Energieversorgung machbar ist, ohne auf Wohlstand und Arbeitsplätze zu verzichten", sagte Bundesforschungsministerin Johanna Wanka nun bei der Präsentation der ausgewählten Projekte. "Bis 2025 bringen wir neue Energiekonzepte auf den Weg, die im großtechnischen Maßstab angewendet werden können – und die auch gesellschaftlich mitgetragen werden."

Millionenbudget für die Forschung

Dazu wurden vier Projekt-Konsortien von einem internationalen und unabhängigen Beirat aus 41 Projektvorschlägen ausgewählt. Insgesamt hatten sich etwa 1000 Institutionen aus Wissenschaft, Industrie und Gesellschaft beteiligt. Diese interdisziplinäre Aufstellung war Voraussetzung, um nicht nur naturwissenschaftlich und wirtschaftlich Fortschritte zu machen, sondern auch gesellschaftliche Interessen zu berücksichtigen.

230 Institutionen werden nun ihre Projekte umsetzen und können dabei in der ersten von drei Förderphasen auf insgesamt bis zu 120 Millionen Euro (also 30 Millionen Euro pro Projekt) aus dem Bundesministerium für Bildung und Forschung zurückgreifen. Nach Ablauf der ersten Phase 2018 folgen zwei weitere, für die insgesamt weitere 280 Millionen Euro bereitstehen. Innerhalb der Projektphasen sollen die Forschungsergebnisse fortlaufend von unabhängigen Experten evaluiert und begleitet werden. Auch weitere Partner können aufgenommen werden.

Auf der nächsten Seite stellen wir die vier Konsortien im Einzelnen vor.

Das sind die erfolgreichen Kopernikus-Konsortien:Themenfeld 1: Neue NetzstrukturenName: ENSURE (Neue EnergieNetzStruktURen für die Energiewende)Leitung: Professor Holger Hanselka (Karlsruher Institut für Technologie - KIT), RWTH Aachen, E.on, TenneT TSO GmbH, Siemens AG, ABBPartner insgesamt: 21Vorhaben: Konkret will das Konsortium ENSURE eine Frage beantworten, schreibt das KIT auf seiner Website: "Was ist eine sowohl unter technischen, wirtschaftlichen als auch gesellschaftlichen Aspekten sinnvolle Energienetzstruktur und welche Anteile aus zentraler und dezentraler Versorgung beinhaltet sie? Dazu werden im Projekt effiziente neue Systemstrukturen, stabile Systemführungsmechanismen sowie die Integration neuer Technologien auf breiter Basis erforscht. Ein besonderes Augenmerk liegt auf dem zu bewältigenden technischen und gesellschaftlichen Transformationsprozess. Daher stehen Technologien zur Stromübertragung ebenso im Fokus wie Informations- und Kommunikationstechnologien, die in Zukunft die Bilanzierung und Stabilität in vernetzten Versorgungsstrukturen gewährleisten sollen."

Themenfeld 2: Speicherung von ÜberschussstromName: Power-to-XLeitung: Professor Walter Leitner (RWTH Aachen), Forschungszentrum Jülich, Dechema ForschungsinstitutPartner insgesamt: 62Vorhaben: Es soll eine nationale Forschungsplattform für Power-to-X-Technologien entstehen, also für die Methoden, mit denen der Strom, der aus erneuerbaren Quellen gewonnen wird, in stoffliche Energieträger und -speicher umgewandelt wird, um sie zu speichern oder zu transportieren. Die RWTH schreibt: "Mit Power--o-X-Technologien wird zunächst Strom aus erneuerbaren Quellen elektrochemisch umgewandelt in stoffliche Ressourcen wie Wasserstoff, Kohlenstoffmonoxid und Synthesegas. Diese stofflichen Ressourcen müssen anschließend effizient gespeichert und verteilt und in die Endprodukte umgewandelt werden. Dafür bedarf es innovativer Lösungen, die im Projekt zu ökologisch, ökonomisch und gesellschaftlich vorteilhaften Prozessen entwickelt werden sollen. Damit trägt Power-to-X zum Ziel der Dekarbonisierung der Energiesysteme bei, das die Bundesregierung mit der Energiewende anstrebt, und verringert gleichzeitig den Anteil fossiler Rohstoffe in den wichtigen Leitmärkten Transport und Verkehr sowie Chemie."

Themenfeld 3: IndustrieprozesseName: SynErgieLeitung: Professor Eberhard Abele (TU Darmstadt), Universität StuttgartPartner insgesamt: 83Vorhaben: Es geht darum, energieintensive Branchen und erneuerbare Energien unter einen Hut zu bringen - technologisch, wie auch rechtlich und sozialgesellschaftlich. Dazu soll es auch einen Modellversuch in der "Energieflexiblen Region Augsburg" geben. Das Konsortium stellt sich so vor: "Die Forschungsarbeiten starten zunächst mit sieben energieintensiven Branchen: Stahl- und Aluminium-Herstellung, chemische Industrie, Maschinen- und Anlagenbau, Papier-, Lebensmittel-, Zement- und Automobilindustrie. Diese vereinigen rund 90 Prozent des industriellen Nettostrombedarfs. Das Projekt SynErgie betrachtet die energieintensiven Schlüsselproduktionsprozesse dieser Branchen, um deren Energiebedarf mit dem schwankenden Angebot erneuerbarer Energie zu synchronisieren. Dafür sollen die konventionellen, monolithischen Automatisierungsstrukturen aufgebrochen und technologisch angepasst werden. Mit Hilfe moderner Ansätze der Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) wird eine hochdynamische Steuerplattform geschaffen."

Themenfeld 4: SystemintegrationName: ENaviLeitung: Professor Ortwin Renn (Institute for Advanced Sustainability Studies Potsdam)Partner insgesamt: 64Vorhaben: Alles unter einen Hut zu bringen. Das Konsortium hat sich dafür vier zentrale Ziele gesetzt. So heißt es, man stelle "darauf ab,

  • ein tieferes Verständnis des komplex vernetzten Energiesystems im Energiebereich und den damit verbundenen Bereichen wie Industrie und Konsum zu gewinnen,
  • Handlungsoptionen aufzuzeigen, wie die Komponenten des zukünftigen Energiesystems unter Berücksichtigung der energiepolitischen Ziele und (u. a. rechtlichen Rahmen-) und Randbedingungen systemisch integriert werden können,
  • so präzise wie möglich abzuschätzen, welche Folgen eine bestimmte Maßnahme kurz-, mittel- und langfristig auf das Energiesystem haben würde und schließlich
  • im transdisziplinären Diskurs Optionen für wirksame Maßnahmen zu generieren."

Eines der zentralen Produkte soll eine sogenannte "Roadmap" werden, ein Instrument, in die verschiedenen Entwicklungen in den verschiedensten Sektoren beschrieben und frühzeitig identifiziert werden können. Modellregionen sollen ebenfalls analysiert werden.

Die Forschungsarbeiten beginnen in diesem Jahr.

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