Flüssig-Erdgas Schleswig-Holstein wäre als LNG-Standort geeignet

Eine Bedarfsanalyse bestätigt, dass der Bau einer LNG-Anlage in Deutschland sinnvoll wäre.

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Für die Bundesrepublik zählt Erdgas zu einem der wichtigsten Energieträger: Es macht ein Fünftel des Energiemix hierzulande aus. Auch wenn Deutschland den viertgrößten Gasspeicher der Welt besitzt, gibt es allerdings immer wieder Sorge um Engpässe. Der Konflikt zwischen Russland und der Ukrainer hat die Diskussion noch weiter befeuert.

Auch deshalb nimmt die Bedeutung von Flüssigerdgas zu. Das sogenannte Liquified Natural Gas, kurz LNG, lässt sich wegen seines geringen Volumens besser lagern und transportieren. Bislang gibt es allerdings kein LNG-Terminal in Deutschland, das das Erdgas entsprechend aufbereiten kann. Zwar gab es bereits diverse Pläne, doch die wurden immer wieder verworfen. Ein Experte von AT Kearney sagte im vergangenen Jahr sogar noch: „Ein LNG-Terminal in Deutschland ist ganz eindeutig nicht notwendig.“

LNG-Terminal dient der „nachhaltigen Versorgungssicherheit“In Schleswig-Holstein sieht man das anders. Dort will ein Unternehmen den Ausbau eines LNG-Transport- und Logistiksystems vorantreiben. Eine Bedarfsanalyse des Fraunhofer-Center für Maritime Logistik und Dienstleistungen (CML) in Kooperation mit der ILF Business Consult bestätigt nun den Sinn eines solchen Baus.

Ein Import-Terminal für LNG (Liquified Natural Gas) in Schleswig-Holstein biete Potenzial für eine bundesweite Versorgung, so das Ergebnis der „Bedarfsanalyse LNG in Brunsbüttel“. Es diene nicht nur der Energie- und Rohstoffversorgung der Industrie sowie dem Land- und Schiffsverkehr, sondern auch der nachhaltigen Versorgungssicherheit der Bundesrepublik, erklärte der norddeutsche Wirtschaftsminister Reinhard Meyer (SPD). Er ist davon überzeugt, dass von einem LNG-Terminal am Standort Brunsbüttel die gesamte Bundesrepublik profitieren würde.

Bisher sind in Deutschland alle Anläufe für ein LNG-Terminal gescheitet – im Gegensatz zu Schweden, Finnland, den baltischen Staaten oder den Niederlanden, wo bereits kräftig investiert wird. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) betonte im Oktober bei der Maritimen Konferenz in Bremerhaven, dass Deutschland in diesem Bereich international nicht den Anschluss verlieren dürfe. Das Wirtschaftsministerium spricht von einer „zunehmende[n] Bedeutung“ des Themas.

Brunsbüttel in drei Bereichen besonders geeignetAlleine kann Schleswig-Holstein das finanziell aber nicht stemmen. Meyer forderte daher den Bund auf, die entsprechende Infrastruktur rasch voranzutreiben. Ein von der Koalition vor wenigen Wochen eingebrachter Antrag zum Aufbau einer LNG-Struktur in Deutschland weise bereits in die richtige Richtung, so der Minister.

Man habe drei Bereiche identifiziert, für die Brunsbüttel die besten Voraussetzungen habe, sagt Frank Schnabel, Geschäftsführer von Brunsbüttel Ports, der das Thema angeschoben hat. So sei der Standort dafür geeignet, Schiffe zu bebunkern, die regionale und bundesweite Industrie zu beliefern und biete die Möglichkeit, die Quellen der Gasversorgung zu diversifizieren, so Schnabel.

Interesse gibt es genug: von der Kraftwerkswirtschaft, der Chemie- und Kunststoffindustrie, der Industrie ohne Gasnetzanschluss und nicht zuletzt der Energiewirtschaft, deren Gashandel über das deutsche Pipelinenetz durch den Bezug von LNG nachhaltig gestärkt würde. Sowohl die nord- als auch die ostdeutschen Industriestandorte könnten über Brunsbüttel per Lkw, Schiff und Schiene mit LNG versorgt werden. Auch eine Verbindung per Schiene nach Süddeutschland, nach Österreich, in die Schweiz und nach Zentral- und Osteuropa ist vom Standort Brunsbüttel aus möglich.

Schifffahrt setzt verstärkt auf LNG als AntriebZusätzlich könnte ein mit LNG betriebenes Gasturbinenkraftwerk als weiterer Großverbraucher einen wichtigen Beitrag zur Energiewende leisten, da es einen Spitzenlastenausgleich bei schwankender Stromproduktion durch regenerative Energieerzeugung gewährleistet.

Zudem zeichnet sich in der Schifffahrt ein Trend zugunsten von Flüssigerdgas als alternative Antriebstechnologie ab. Sind es aktuell 60 Schiffe, die mit LNG fahren, und 80 mit LNG-Antrieb bestellte Schiffe, soll diese Zahl bis zum 2020 auf 1000 Neubauten und rund 700 Umbauten ansteigen. Die notwendige Infrastruktur gibt es in Deutschland noch nicht, wird aber von der EU bis 2025 beziehungsweise 2030 gefordert.

Das Flüssigerdgas ist allerdings nicht unumstritten: Wenn LNG verbrannt wird, wird der klimaschädliche Stoff Methan freigesetzt, wie der Naturschutzbund kritisiert. Die Abgase aus LNG seien zwar sauberer, so der Hamburger Vorsitzende Alexander Porschke gegenüber der „taz“, das reiche aber nicht, um „tatsächlich von Umweltverträglichkeit zu reden“.

„Bedarf ist da“Trotz dieser Kritik wächst der LNG-Gasmarkt weltweit. Gegenüber dem Niveau von 2012 mit circa 250 Millionen Tonnen soll sich die Nachfrage global bis zum Jahr 2035 verdoppeln. Aktuell bezieht Deutschland rund 40 Prozent seines Gases aus Russland, 26 Prozent aus den Niederlanden, 22 Prozent aus Norwegen und rund zehn Prozent aus dem Inland. Der Vorrat aus der Bundesrepublik selbst wird allerdings voraussichtlich in zehn Jahren erschöpft sein.

„Deutschland weist Bedarf für LNG auf. Dennoch geht der europaweite Trend zum Aufbau von LNG-Infrastruktur bislang an uns vorbei. Die Belieferung erfolgt ausschließlich über das Ausland“, so das Fazit von Ralf Fiedler vom CML.

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