Fracking Unternehmen fördert in Polen erstmals erfolgreich Schiefergas

In Polen hat das Unternehmen San Leon das erste Mal größere Mengen Schiefergas gefördert. Auftakt für einen Fracking-Boom?

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Kaum hat die EU beschlossen, dass sie dem umstrittenen Fracking keine rechtlichen Hürden in den Weg legen will, kommen schon die ersten Nachrichten aus Polen, dass das Verfahren zur Förderung von Schiefergas erfolgreich angewendet wurde. Nach eigenen Angaben hat das irische Unternehmen San Leon Energy über mehrere Tage erfolgreich Erdgas aus einer Schieferformation gefördert. Das ist bisher noch keinem Unternehmen in Polen gelungen.

Wie San Leon in einer Mitteilung schreibt, wurden bis Anfang Januar pro Tag bis zu 60.000 Kubikfuß Gas (rund 1700 Kubikmeter) gefördert. San Leon erkundet bisher vor allem in Westeuropa und Nordafrika Schiefersteinformationen, die Erdgas und Erdöl enthalten. Das Unternehmen hatte im Juli 2013 mit den ersten Fracks in Polen begonnen.

Dabei werden Millionen Liter Wasser, mit Chemikalien und Sand oder Keramikkügelchen vermischt, mehrere Kilometer tief in den Boden gepumpt. Der Druck sprengt daraufhin das Gestein und das Gas kann an die Oberfläche fließen. Der Sand oder die Keramik halten die Risse im Gestein offen.

Nach zwei Versuchen mit unterschiedlichen Mengen und Arten von Chemikalien und Keramik waren die Ingenieure von San Leon im dritten Fracking-Anlauf schließlich erfolgreich. Inzwischen ist die Bohrung laut der Aussage des Unternehmens versiegelt, um die gewonnenen Daten auszuwerten. Der Aktienkurs des Unternehmens stieg gestern an der Börse in London um acht Prozent.

Entsprechend euphorisch kommentierte San-Leon-CEO Oisin Fanning die Nachricht. "Nach vielen Versuchen haben wir den Code geknackt, um das Gas wirtschaftlich zu fördern."

Wenn die zuständigen Behörden ihre Genehmigung erteilen, will das Unternehmen laut Bloomberg Businessweek spätestens im Juli eine 1,5 Kilometer lange horizontale Bohrung durchführen und diese dann in mehreren Stufen fracken. Dieses Verfahren ist in den USA üblich, die Bohrung in Polen dagegen hatte nur vertikal in den Boden geführt. Die aktuelle vertikale Bohrung habe ein Förderpotenzial von bis zu 400.000 Kubikfuß Gas pro Tag, teilt San Leon mit. Mit einer horizonatalen Bohrung läge das Potenzial beim 7- bis 30-fachen dieser Menge. Durchschnittliche Bohrungen im Marcellus-Schiefergasfeld in den USA, einem der größten des Landes, schaffen täglich bis zu 5 Millionen Kubikfuß.

Jetzt schon auf einen kommenden Schiefergasboom für Polen zu schließen, wäre allerdings verfrüht. Erst viele weitere ähnlich erfolgreiche Testbohrungen in anderen Regionen würden beweisen, dass das Land Erdgas im großen Stil fördern kann. Die Schiefergasfelder ziehen sich in Polen von Norden nach Süden durch das ganze Land.

Bisher mehr Frust als Erfolg

San Leon untersucht seit 2010 nahe der Küste im Norden Polens die Schiefergasformation, die bis zu 4,4 Kilometer tief unter der Erde liegt. Das ist sehr viel tiefer als vergleichbare Felder in den USA, die meist eine Tiefe von 3 Kilometern haben.

Auch die Zusammensetzung des Gesteins unterscheidet sich von den USA. Außerdem ist die Schieferformation in Nordpolen mit bis zu 750 Metern außergewöhnlich hoch. Das macht es für die Unternehmen schwieriger, den richtigen Punkt für Förderung zu finden.

Zuvor hatten einige große Unternehmen Polen nach erfolglosen Bohrungen verlassen. Im Sommer 2012 war ExxonMobil abgezogen, erst vor wenigen Tagen tat es der italienische Ölriese Eni den Amerikanern gleich. Beunruhigender für viele Experten wird die Ankündigung des US-Unternehmens Marathon Oil im Mai 2013 gewesen sein, dass es seine Aktivitäten in Polen in diesem Jahr einstellen wird.

Marathon Oil, ein im Vergleich mit den Supermajors der Branche eher mittelgroßes Unternehmen, hat im Gegensatz zu den Großen viel Erfahrung im Bereich Schiefergas und gehört zu den Treibern des amerikanischen Öl-und Gasbooms der vergangenen Jahre.

Gas für mindestens 35 JahreAndere Unternehmen hoffen so wie San Leon immer noch auf ihr Glück: Chevron hat sich erst im Dezember mit dem polnischen Öl- und Gasunternehmen PGNiG zusammengeschlossen, um im Südosten des Landes Erkundungen zu starten. Auch ConocoPhillips ist weiter tätig.

Laut einer Schätzung des polnischen Geologischen Institutes aus dem Frühjahr 2012 liegen in den Schiefergasformationen des Landes förderbare Ressourcen zwischen 346 und 768 Milliarden Kubikmetern - das würde die Versorgung Polens für einen Zeitraum von 35 bis 65 Jahren garantieren. Vor allem die Abhängigkeit von russischem Erdgas wäre damit vorbei.

Bisher ist allerdings nicht geklärt, welche Folgen das Fracking genau für die Umwelt hat. Offensichliche Auswirkungen der Fördermethode sind starker Lastwagenverkehr, um das benötigte Wasser, den Sand und die Chemikalien heranzuschaffen. Kommt es zu Unfällen an der Oberfläche, verschmutzen diese Chemikalien den Boden.

Wissenschaftliche Studien, die nachweisen, dass Frackingflüssigkeit aus den tiefen Gesteinsschichten an die Oberfläche in Wasserreservoirs gelangt, gibt es dagagen bisher nicht. Aktuell laufen in den USA mehrere Untersuchungen, die sich mit der Sicherheit des Verfahrens befassen.

Ein weiterer Streitpunkt sind die Klimaauswirkungen der Schiefergasförderung. Ein Argument der Befürworter der Methode: Vergleichsweise sauberes Erdgas helfe, den Klimawandel zu stoppen. Kritiker wenden allerdings ein, dass bei der Förderung Methan frei werde, was Schiefergas mindestens so umweltschädlich wie Kohle mache. Auch hier streiten sich die Forscher aktuell, wie groß der Effekt wirklich ist.

In Polen demonstrieren derweil viele Anwohner nahe den Schiefergasfeldern der Konzerne gegen die Praxis. Ein Fall, wo Demonstraten ein Testfeld von Chevron besetzten, wird inzwischen vor Gericht verhandelt.

Korrektur: San Leon geht davon aus, bis zu 400.000 Kubikfuß Gas pro Tag mit der vertikalen Bohrung fördern zu können und nicht, wie im Text beschrieben, mit der horizontalen Bohrung. Außerdem förderte auch das Unternehmen Lane Energy (an dem u.a. ConocoPhillips beteiligt ist) vergangenes Jahr schon kleinere Mengen Schiefergas in Polen. Danke an den aufmerksamen Leser für den Hinweis!

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%