Gleich- und Wechselstrom Geteilte Masten erleichtern den Netzausbau

Neue Gleichspannungsleitungen können mancherorts bestehende Masten mitnutzen - und so den Netzausbau erleichtern.

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Gleichstrom- und Wechselstromleitung gehen immer getrennte Wege. Bislang gab es auch keine Notwendigkeit: Wechselstrom wird aufgrund des Stromverlustes für kurze, Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ) dagegen für lange Strecken genutzt. Berührungspunkte gab es lange nicht, doch der Ausbau der Erneuerbaren Energien und die damit einhergehende Belastung der Netze macht es nötig.

Nur will niemand einen neuen Mast vor der Tür haben, der Wechselstrom transportiert - vor allem, wenn es schon Masten gibt. Um die dicht besiedelten Räume im Westen und Südwesten Deutschlands zu schonen, haben die Übertragungsnetzbetreiber Amprion und TransnetBW ein innovatives Planungsprinzip festgelegt: ULTRANET soll auf bestehenden Leitungstrassen neben Wechselstrom eine Gleichstromleitung mitführen. Weltweit ist das einmalig - allerdings technisch möglich, das haben Feldversuche bereits gezeigt.

Das Herzstück sind die Umrichter am Anfang und Ende der Leitung. Ohne Stromrichterstationen, die sogenannten Konverter, können HGÜ-Leitungen nicht in das Verbundnetz integriert werden.

Konverter wandeln den Strom aus dem Wechselspannungsnetz für die Einspeisung in die HGÜ-Leitung in Gleichstrom um - und andersherum, denn am Ende der Übertragungsleitung läuft dieser Vorgang dann wieder in umgekehrter Richtung ab, Gleichstrom wird in Wechselstrom gewandelt und kann wieder in das Wechselstromnetz eingespeist werden kann.

Netze übernehmen KraftwerksaufgabenDie Anlagen, die nun von Siemens gebaut werden und über eine Übertragungsleistung von 2.000 Megawatt (MW) verfügen, zählen zu den modernsten ihrer Art. Neu ist auch die sogenannte "Vollbrückentechnologie". Mit ihrer Hilfe lässt sich die Netzspannung regulieren und stabilisieren – eine Funktion, die heute vor allem konventionelle Kraftwerke übernehmen.

Die Umrichter können Gleichspannung sehr schnell ändern - etwa bei Störungen durch einen Blitzschlag - und verhindern, dass Verbindungen für längere Zeit unterbrochen werden. "Das ist ein wichtiger Schritt, um die Sicherheit der Stromübertragung in Zeiten der Energiewende zu gewährleisten", sagt Dr. Klaus Kleinekorte, Geschäftsführer bei Amprion. So kann der Netzausbau gleich doppelt zur Versorgungssicherheit beitragen.

Doch die Pläne bleiben vorerst nur Pläne, denn obwohl die Trassen bereits bestehen, müssen die Projektpartner ein Planfeststellungsverfahren durchlaufen. Auch für die Umrichter. Vor 2018 rechnen Amprion und TransnetBW nicht mit einer Genehmigung. Wenn alles gut läuft. 2020 könnte es dann losgehen.

Das deutsche Stromnetz besteht bislang zu mehr als 99 Prozent aus Wechselstromleitungen. Im Rahmen der Energiewende wird es jedoch nötig, Strom über lange Wege zu transportieren, was mit Gleichstrom technisch bedingt effizienter funktioniert als mit Wechselstrom.

"ULTRANET ist daher ein Hybridtechnologie-Pilotprojekt für die verlustarme Übertragung hoher Leistung über große Entfernung bei voraussichtlich nur sehr geringen bautechnischen Maßnahmen", erklärt Alexander Schilling, Sprecher von TransnetBW. "Vor einem großflächigeren Einsatz ist es jedoch erforderlich, zunächst planerische und betriebliche Erfahrungen zu sammeln."

Realisiert wird ULTRANET über eine 340 Kilometer lange Strecke – von Nordrhein-Westfalen nach Baden-Württemberg.

Gleichstromleitungen werden notwendigGleichstromleitungen haben nicht nur den Vorteil einer hohen Übertragungskapazität – sie sind sozusagen der Highway unter den Stromleitungen. Sie bieten auch mehr Systemsicherheit, da sie sich besser steuern und regeln lassen. Gleichstrom ermöglicht damit eine schnelle Reaktion auf Schwankungen der Energiemengen.

Außerdem kann er in beide Richtungen (bidirektional) übertragen werden. Der Vorteil: Nicht nur der Windstrom kann bei Stromüberschuss durch Windproduktion von der Küste nach Süden geleitet werden – in sonnenstarken Zeiten ist es möglich, zum Beispiel auch Strom aus Fotovoltaik in den Norden abzutransportieren.

Außerdem wird bei ULTRANET die Gleichstromleitung so ausgelegt, dass sie auch für den Wechselstrombetrieb genutzt werden kann. Nicht nur die Leiterseile müssen das hergeben, vor allem die Isolatoren - die die Leiterseile tragen - müssen dafür angepasst werden. Bei Wechselstrom ist das anders. Er macht sozusagen was er will. Mit anderen Worten: er lässt sich schlecht steuern.

Mehr AkzeptanzZu einer großen Kosteneinsparung wird die Doppelnutzung nicht führen. Finanziell ins Gewicht fallen mit insgesamt 900 Millionen Euro die beiden Umrichter – auch Konverter genannt. Im Verhältnis dazu falle der Mastbau finanziell nicht mehr so sehr ins Gewicht, erklärt Amprion-Pressesprecherin Joelle Bouillon.

Dafür können die Netzbetreiber darauf hoffen, dass diese Art des Netzausbaus nicht auf großen Widerstand der Anwohner trifft. Gleichzeitig sammeln sie wichtige Erfahrungen für den weiteren Verlauf der Energiewende. Die Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung wird weltweit bereits in über 20 Ländern eingesetzt. In Deutschland soll HGÜ das bestehende Stromnetz ergänzen und stabilisieren.

Die große Lösung für die Netzproblematik ist dies aber nicht. "Die Kapazitäten sind nicht überall gegeben", so Joelle Bouillon. Mit einem Verzicht von einem Neubau von Trassen werde das nicht einhergehen, so die Pressesprecherin. Nicht überall kann einfach eine Wechselstrom- durch eine Gleichstromleitung ersetzt werden.

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