„Hausbau rückwärts“ AKW-Abriss in Mülheim-Kärlich und Biblis

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BUND kritisiert die Müllverwertung

„Alles wird gemessen, nichts bleibt unkontrolliert“, versichert AKW-Leiter Volmar. „Wir haben dauerhaft mindestens immer einen TÜV-Mitarbeiter auf der Anlage. Die Kernenergie ist eine der bestgeprüften Technologien in Deutschland.“ Die nuklearen Mülheim-Kärlicher Brennstäbe sind schon vor mehr als zehn Jahren zur französischen Wiederaufbereitungsanlage La Hague gebracht worden.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) freut sich zwar über den Abriss von Atommeilern, sieht aber das Vorgehen der Energiekonzerne sehr kritisch. „Das Problem ist das sogenannte Freimessen“, sagt der rheinland-pfälzische BUND-Umweltschutzreferent Michael Ullrich. Bauschutt mit einer Radioaktivität unterhalb einer willkürlich festgelegten Schwelle werde als normaler Abfall „aus dem Atomgesetz entlassen“. Als wiederverwerteter Stahl oder Beton könnte er dann etwa in neuen Bratpfannen, Autos und Straßen landen. „Aber auch eine niedrige radioaktive Dosis kann über längere Zeit Krebs verursachen“, mahnt Ullrich. Solcher Bauschutt sollte daher zum Beispiel in besonders gesicherten Deponien aufbewahrt werden.

Das Kraftwerk Biblis, Hessens einziges AKW, geriet einst immer wieder mit Pannen in die Schlagzeilen, etwa 1987 mit dem kurzzeitigen Entweichen radioaktiven Dampfs. Heute gibt es auch hier im Block A keine abgebrannten Brennstäbe mehr. Block B soll 2018 kernstofffrei sein. Die abgebrannten Brennstäbe werden in Castor-Behältern auf dem Kraftwerksgelände in einem Zwischenlager untergebracht. Nach einem Endlager-Standort für den hoch radioaktiven Atommüll wird in Deutschland noch gesucht.

Eigentlich hätte das Atomkraftwerk Biblis je nach Auslastung bis etwa 2020 laufen können. Nach Fukushima gingen die beiden Biblis-Blöcke 2011 mit sechs weiteren deutschen AKW-Blöcken zunächst für drei Monate vom Netz. Bis dahin galt das Kraftwerk als der älteste kommerziell genutzte Atomreaktor Deutschlands. Die Blöcke A und B stammen aus den Jahren 1974 und 1976.

Die Gemeinde Biblis hat das Aus für ihr Kraftwerk deutlich zu spüren bekommen. Zuvor wurden jedes Jahr Millionen Euro in ihre Kasse gespült. „Bei vielem in der Gemeinde steht der Spargedanke im Vordergrund“, sagt nun der Vorsitzende des Wirtschafts- und Verkehrsvereins Biblis, Bruno Neumann. Das AKW Biblis bot einst rund 1000 Arbeitsplätze. Viele Beschäftigte kamen von Fremdfirmen und suchten Übernachtungen. „Da gab es Unternehmen, die hatten das ganze Jahr Zimmer gebucht“, erinnert sich Neumann.

Welche deutschen Atomkraftwerke demnächst vom Netz gehen

Der Mülheim-Kärlicher AKW-Leiter Volmar ist hin und her gerissen: „Als Ingenieur ist ein Rückbau eine spannende Aufgabe. Das hat viel mit Kreativität zu tun. Als Bürger dieses Landes schmerzt mich das aber schon.“

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