Kältewelle zeigt Atom-Abhängigkeit Was bleibt von Frankreichs Energiewende?

Frankreichs Atombranche erlebt schwere Zeiten. Die Atomaufsicht nennt die Lage „besorgniserregend“. Und vor der Präsidentschaftswahl ist unklar, wie es mit Frankreichs Energiewende weitergeht.

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Das französische Atomkraftwerk Cattenom nahe der deutschen Grenze. Quelle: dpa

Als die Temperaturen in den Keller fielen, gerieten Frankreichs Stromnetzbetreiber ins Schwitzen. Die Regierung rief die Bevölkerung zum Energiesparen auf, Paris schaltete die Beleuchtung der Kathedrale von Nôtre-Dame ab, und Medien spekulierten über die Gefahr eines Blackouts. Und in Deutschland wurden Reservekraftwerke angefahren, um auf mögliche Probleme schnell reagieren zu können.

Letztlich überstand Frankreich die Kältewelle vergangene Woche ohne Probleme, auch dank hochgefahrener Stromimporte. In jedem Fall lenken die Strom-Sorgen den Blick auf die Abhängigkeit des Landes von seinem alternden Atomkraftwerkspark.

Frankreich hat 58 Reaktoren, es erzeugt rund drei Viertel seines Stroms aus Atomkraft - so viel wie kein anderes Land. Erneuerbare Energien steuern nur 16,5 Prozent bei, in Deutschland ist es fast doppelt so viel.

Ein Grund für die angespannte Lage in diesem Winter war, dass eine Reihe von französischen Atomreaktoren zeitweise stillstanden. Zum Teil aufgrund geplanter Wartungen, zum Teil aber auch infolge von Kontrollen, die die Atomaufsicht dem Betreiber EDF aufgedrückt hatte. Es ging um Materialfehler in Dampferzeugern, die von der japanischen Firma JCFC stammen, insgesamt zwölf Reaktoren ließ die ASN überprüfen. Die meisten haben inzwischen wieder grünes Licht bekommen, und kurz vor der Kältewelle wurden zwei noch ausstehende Kontrollen schnell verschoben.

Richtig aufatmen kann Frankreichs Atombranche damit aber noch lange nicht. In einem Skandal um mögliche Fälschungen von Unterlagen zu AKW-Bauteilen in einer Areva-Schmiede werden derzeit alle Herstellungsdokumente überprüft. „Die (Atomaufsicht) ASN schließt nicht aus, dass bei dieser Gelegenheit neue schwerwiegende Unregelmäßigkeiten entdeckt werden“, sagte ihr Chef Pierre-Franck Chevet vergangene Woche. Der Reaktor 2 des Kraftwerks Fessenheim an der deutschen Grenze ist wegen eines Bauteils aus dem Werk Le Creusot bereits seit vergangenen Sommer stillgelegt.

Außerdem ist die Branche auch wirtschaftlich in schwerem Fahrwasser. Um den schwer angeschlagenen Atomkonzern Areva zu retten, baut der Staat die Industrie um und schießt Milliarden zu. Der Stromkonzern EDF übernimmt das Reaktorgeschäft Arevas. Auf EDF kommen zudem hohe Kosten zu, um seinen alternden Atompark auf Vordermann zu bringen. Die Reaktoren sind um die 30 Jahre alt, das Land will die Laufzeit aber über 40 Jahre hinaus ausdehnen.

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