March for Science Revolte statt Elfenbeinturm

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Der Kampf für Fakten beginnt erst

Und auch in anderen Ländern soll es Proteste geben. Hier geht es vor allem gegen die Abkehr vom faktenbasierten Denken. Geplant sind mehr als 510 Demos auf sechs Kontinenten. Nicht direkt gegen Trump, sondern gegen den Abschied von belegbaren Daten und Fakten.

In Deutschland etwa bereiten Aktivisten an mehr als 20 Standorten Demonstrationen vor - unter anderem in Berlin, Helgoland, München oder Trier. Eine Übersicht über alle hierzulande geplanten Veranstaltungen gibt es im Netz. „Heute findet sich für jede noch so abstruse ,Wahrheit‘ irgendein Beleg im Internet – und für jede noch so unsinnige Weltsicht ein Forum“, sagt Tanja Gabriele Baudson, Mitorganisatorin der deutschen Wissenschaftsmärsche.

Fünf deutsche Nobelpreisträger als Unterstützer

Die Organisatoren haben prominente Unterstützer: „Wir müssen uns dafür stark machen, dass wissenschaftliche Fakten als Grundlage des gesellschaftlichen Diskurses nicht verhandelbar sind“, sagt etwa Otmar Wiestler, Neuropathologe und Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft. Auch fünf Nobelpreisträger finden sich auf der deutschen Unterstützerliste. „Die Rückmeldungen sind überwältigend“, sagt Baudson, die an der Technischen Universität Dortmund als Bildungsforscherin arbeitet.

Dass Forscher auf die Straße gehen, ist dabei alles andere als üblich – und in der Wissenschaftswelt nicht unumstritten. Die Zunft bevorzugt es, unter ihresgleichen Dispute auszufechten. Eine Großdemo nach dem Vorbild des Frauenmarschs gegen Trumps Politik kollidiert zudem mit dem Selbstverständnis vieler Wissenschaftler, dass sich, wer unbeeinflusst nach Erkenntnis strebt, aus politischen Konflikten herauszuhalten habe.

Der Geologe Robert Young von der Universität von Western Carolina warnt sogar, dass der Marsch sein Ziel verfehle: Statt vom Glauben an die Wissenschaft zu überzeugen, „bestätigt die politische Aktion – ausgerechnet am weltweiten Umweltschutztag, dem ,Earth Day‘ – nur deren Skepsis an unserer Neutralität“. Das werde die Gesellschaft noch stärker spalten.

Ungeachtet dessen wächst die Zahl der Unterstützer für die Wissenschaftsmärsche stetig weiter an. Alleine die Facebook-Seite der zentralen Wissenschaftsdemo in Washington nähert sich 525.000 Fans. Und allen Beteiligten ist klar, dass der Kampf für Fakten im Grunde am 22. April erst beginnt. „Eine Demo ist erst mal nur eine Demo“, sagt auch die deutsche Wissenschaftlerin Baudson und drängt darauf, dass sich Forscher und Bevölkerung auch weiterhin austauschen – sei es in wissenschaftlichen Blogs oder Veranstaltungen.

Dass sich Widerstand lohnt, hat auch Harvard-Dekan Daley bereits erlebt. Trumps Vorvorgänger George W. Bush hatte 2001 per Präsidialerlass die staatlichen Gelder auch für Daleys embryonale Stammzellforschung gestrichen. Acht Jahre später revidierte Präsident Barack Obama diesen Bann. Bis irgendwann – mit Trumps Nachfolger – auch die Ära der „alternativen Fakten“ wieder enden könnte, darauf will derzeit aber niemand warten.

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