Ohne Netz Erstes völlig energieautarkes Mehrfamilienhaus der Welt fertiggestellt

In der Schweiz ist jetzt ein Mietshaus eingeweiht worden, das nicht an die Energienetze angeschlossen ist - die Mietkosten sind dabei nicht höher als anderswo.

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Kein Strom aus dem Netz: Dieses Haus versorgt sich und seine Bewohner selbst mit Strom. (Foto: Umweltarena Spreitenbach)

"Autarkie" ist derzeit das Zauberwort, wenn es um klimafreundliches Bauen geht: Immer wieder verkünden Architekten oder Bauherren, dass ihre Gebäude autark seien, da sie ausschließlich mit selbst erzeugter Energie aus regenerativen Quellen – in der Regel durch Photovoltaik- und Solarthermieanlagen sowie Wärmepumpen – versorgt werden.

Was den Strom betrifft, ist das allerdings fast immer eine Mogelpackung. Denn autark sind die Immobilien nur bilanziell: Die Solarsysteme liefern auf das Jahr gerechnet mehr Strom als im Haus verbraucht wird. Im Sommer produzieren sie Überschüsse, während die Bewohner im Winter Strom aus dem Netz beziehen müssen.

Im schweizerischen Brütten bei Zürich ist nun ein Mehrfamilienhaus mit neun Mietswohnungen fertig gestellt worden, das tatsächlich autark ist und deshalb ganz ohne Anschluss an das Stromnetz auskommt. Nach Angaben des Bauherren, des Schweizer Bauunternehmers Walter Schmid, handelt es sich dabei um das weltweit erste Gebäude dieser Art. "Wenn Bertrand Piccard mit einem Flugzeug ohne fossilen Treibstoff rund um die Erde fliegen kann, sollten wir auch ein Wohnhaus ohne fossile Energien bauen und betreiben können", ist Schmid überzeugt.

Blick auf das optisch eingefasste Solar-Dach. (Foto: Umweltarena Spreitenbach)

Sonne und Wasserstoff

Wichtigste Energiequelle sind Photovoltaikmodule, die ästhetisch ansprechend in die Fassaden integriert und großflächig auf dem Dach installiert sind. Als eine Art Langzeitspeicher für den Sonnenstrom hat Schmid einen Elektrolyseur im Keller installieren lassen. Das Gerät gewinnt mithilfe des Sonnenstroms aus Wasser Wasserstoff, der in Tanks gelagert wird. Aus dem Wasserstoff erzeugt eine Brennstoffzelle Strom und Wärme, wenn die Sonne nicht scheint.

Laut Berechnungen des Architekten René Schmid, Sohn des Bauherren, wird dieser Langzeitspeicher aber nur an 25 Tagen im Jahr gebraucht. In der übrigen Zeit genügen die zusätzlich installierte Wärmepumpe sowie ein Batteriepaket als Kurzzeitspeicher, um den Strom- und Wärmebedarf der Bewohner zu decken.

Dieser Tank hält die Wasserstoff-Vorräte des Hauses. (Foto: Umweltarena Spreitenbach)

Wie ernst der Bauherr den Begriff der Autarkie nimmt, zeigt die Tatsache, dass auch die Mobilität Teil seines Konzeptes ist. So stellt Schmid seinen Mietern ein Elektro- und ein Erdgasfahrzeug zur Verfügung. Ersteres wird durch die Solaranlage und die Brennstoffzelle geladen. Das Erdgasauto muss zwar an regulären Tankstellen betankt werden. Dafür werden aber die Garten- und Küchenabfälle in eine Biogasanlage gebracht, die daraus Treibstoff für eine Fahrleistung von 10.000 Kilometern pro Jahr erzeugt. Hier ist die Autarkie zumindest bilanziell erreicht.

Allerdings hat dieses ausgeklügelte Energiekonzept seinen Preis. Um gut zehn Prozent liegen die Baukosten laut Schmid über denen eines vergleichbaren Mehrfamilienhauses mit konventioneller Technik. Im Gegenzug müssen die Bewohner aber kein Geld für Strom und Wärme ausgeben – ein wichtiger Faktor in der Schweiz, wo Energie sehr teuer ist. Die Mietkosten bewegen sich daher laut dem Bauherren auf ortsüblichem Niveau.

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