Plastikmüll im Meer Wie eine Deutsche die Ozeane retten will

Seite 2/2

Im Modell funktioniert die Meereswaschmaschine schon

Was sie am Computer entwarf, erinnert der äußeren Form nach ein wenig an einen riesigen, etwas exotischen Rochen. An drei Seiten geschlossen, mit Räumen für Maschinen, Besatzung und Material, dreht sich die 400 mal 400 Meter große, mit Drahtseilen am Meeresboden verankerte Anlage in die Strömung. Die treibt den Müll in zahllose Kanäle, die sich zur vierten Seite wie ein Kamm öffnen, dessen Zinken verbogen sind. Dort wird er aus dem Wasser gefischt. So das Grundprinzip. Die Kanalwände, und das ist der ganz besondere technische Clou, ragen wie Kiele 35 Meter tief ins Wasser und bremsen nach einem ausgeklügelten System die Strömung. Der Effekt: Das Plastik steigt an die Oberfläche und kann abgeschöpft werden.

Zumindest im Computermodell reinigt die Plattform die Gewässer höchst effektiv. Längst ist es der Architektin gelungen, ein 15-köpfiges Team zumeist gleichaltriger Ehrenamtlicher mit ihrem Enthusiasmus anzustecken, die nun ebenfalls in ihrer Freizeit das Projekt vorantreiben.

Alles Profis aus unterschiedlichen Fachrichtungen, die ihr Wissen zusammenwerfen und so Neues schaffen: Strömungstechniker, Bau- und Umweltingenieure, Geographen, Maschinenbauer, Materialexperten. Hansch ist stolz auf das Team. „Wir verstehen etwas von der Sache und haben die richtigen Leute im Boot. Alle Berechnungen zeigen, dass die Technik im Prinzip funktioniert.“

Skizze des Reinigungssystems: Keile bremsen die Strömung und holen das Plastik aus der Tiefe an die Oberfläche (für vergrößerte Ansicht bitte anklicken) Quelle: Presse

Aber auch ihr ist klar, dass erst die Praxis zeigen wird, ob das Konzept technisch wie ökonomisch trägt. Um der Wahrheit schnell näher zu kommen, beantragt sie gegenwärtig Forschungsgelder und hofft auf baldige Zusagen etwa des Bundeswirtschaftsministeriums oder der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU). Mit den Geldern will sie Doktorandenstellen und Studienarbeiten finanzieren, um schon in wenigen Jahren einen Prototypen bauen und testen zu können. „Wir brauchen was zum Anpacken“, weiß Hansch.

Zu ihrem Überzeugungsfeldzug gehören auch Gespräche mit der Industrie. Kläranlagenbauer, Hersteller von Wasseraufbereitungsanlagen, sogar einen Schiffbauer hat sie schon aufgesucht. Über die Namen darf sie noch nicht reden. „Die Resonanz war jedenfalls gut“, verrät sie. Das wäre immerhin ein Zeichen, dass potenzielle Geldgeber und hart rechnende Experten ihre Idee nicht für Spinnerei halten.

Bioabbaubare versus biobasierte Kunststoffe

Gehen ihre Pläne auf, würde ihre Anlage ähnlich einer Ölbohrplattform vor der Küste in offenem Gewässer gebaut und anschließend an ihren Einsatzort geschleppt. Für die erste Erprobung und um Erfahrungen zu sammeln, schwebt ihr eine Flussmündung vor, zum Beispiel von Rhein oder Elbe, bevor es aufs weite Meer hinausgeht. Dort soll das Reinigungssystem dann in absehbarer Zukunft täglich mehr als jene 350 Tonnen Plastikmüll aus den Ozeanen filtern, die dort nach Berechnungen der Umweltschutzorganisation WWF täglich hineinkommen.

Das ist weit mehr als der junge Niederländer Boyan Slat sich mit seiner Kampagne „The Ocean Cleanup“ vorgenommen hat. Weiterer Unterschied: Die schwimmenden Fangarme seiner Meereswaschmaschine sammeln im Wesentlichen nur das Plastik auf der Meeresoberfläche ein. Es soll an Land gebracht und dort recycelt werden. Einen ersten Versuch mit einem Prototypen in der Nordsee musste der Luft- und Raumfahrtingenieur vergangenes Jahr abbrechen.

Auch Hansch ist auf Rückschläge eingestellt. „Bei einer so fundamental neuen Technologie ist das immer möglich.“ Dennoch ist sie vom Erfolg ihres Konzepts überzeugt. Ihre große Hoffnung: Ist der Nachweis erbracht, dass ihre Anlage zu vertretbaren Kosten funktioniert, setzt das die Politiker in aller Welt unter Zugzwang, endlich zu handeln und die Befreiung der Meere vom Plastikmüll zu finanzieren.

„Das möchte ich gerne schaffen“, sagt das Energiebündel. Und wie sie es sagt, lässt keinen Zweifel: Den langen Atem und die Hartnäckigkeit dafür hat sie.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%