Saubere Energie Wie Kohle Öko wird

Ihren Erfindergeist nutzen zahlreiche Start-Ups inzwischen, um aus Pflanzenresten Biokohle zu machen. Die nutzen Kraftwerken zur Stromerzeugung.

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Wozu die Natur Jahrmillionen brauchte, das schafft der Mensch inzwischen innerhalb von weniger als einer Stunde: die Herstellung von Kohle. Nur eine unter vielen Möglichkeiten: Man erhitze Holz in einem Reaktor auf bis zu 300 Grad Celsius. Luft muss dabei draußen bleiben. Sie ließe das Holz verbrennen. Übrig bleibt am Ende Biokohle.

Lange schienen solche künstlichen Verfahren unnötig, weil Unmengen auf natürliche Weise entstandene Kohle in der Erde schlummern. Zudem ist der Brennstoff vor Öl und Gas der zurzeit billigste Energieträger. Dumm nur, dass die schwarzen Brocken gleichzeitig wahre CO2-Bomben sind und dem Klima gar nicht gut tun. Deshalb sind für eine saubere Energieversorgung der Zukunft Alternativen nötig. Genau die liefern jetzt immer mehr Start-Ups.

Das wohl jüngste unter ihnen nennt sich Topell Nederland, ein Joint Venture der Essener RWE Innogy, die 49,9 Prozent der Anteile hält, und dem niederländischen Unternehmen Topell Energy.

Torrefizierung (vom lateinischen torrere = rösten) nennt sich das Verfahren, das Topell Nederland nutzt. Im niederländischen Duiven geht derzeit die weltweit wohl größte Anlage dieser Art in Betrieb. Pro Jahr werden dort 60000 Tonnen Biokohle in Pelletform hergestellt, die normale Steinkohlekraftwerke verfeuern können. Das Holz stammt aus Holland. Abnehmer der Kohle ist der niederländische Stromkonzern Essent, eine RWE-Tochter.

Nun kann man sich fragen, warum das Verfahren so sauber ist? Aus folgendem Grund: Verbrennt die Biokohle, wird nur die Menge CO2 frei, die der Baum fürs eigene Wachstum aus der Luft gefischt hat. Dazu kommt allerdings das CO2, das beim Fällen, beim Transport, beim Zerkleinern und vor allem beim Erhitzen des Reaktors frei wird.

Die weiteren Vorteile des neuen Energieträgers:

1 - Biokohle lässt sich aus Pflanzenresten aller Art herstellen.

2 - Sie hat ähnliche Brenneigenschaften wie Holzkohle und lässt sich ohne gesonderte Vorbehandlung in Steinkohlekraftwerken verbrennen. Sie wird einfach in den Vorratsbunker gekippt und vor dem Verbrennen gemeinsam mit der natürlich entstandenen Kohle  gemahlen.

3 - Im Vergleich zu Holzschnipseln hat sie außerdem eine mehr als sechs Mal höhere Energiedichte. Daher lässt sie sich auch wirtschaftlich transportieren, selbst über tausende Kilometer per Schiff. Künftig werden Anlagen deshalb vor allem in Regionen gebaut, in denen es große Wälder gibt, etwa in Kanada oder Skandinavien.

Wie grün ist die Biokohle wirklich?

Wie viel besser im Vergleich mit herkömmlicher Kohle die Energiebilanz des künstlichen Doppelgängers ist, war bisher aber unbekannt. Um das zu untersuchen, startet der finnische Technologiekonzern Metso, der ein eigenes Torrefizierungsverfahren entwickelt hat, gerade ein Programm zur Erforschung des industriellen Einsatzes von Biokohle. Die Fragen der Metso-Wissenschaftler und der drei Partnerunternehmen:  Welche Auswirkungen hat die Produktion von Biokohle auf die Umwelt?  Das reicht vom Fällen der Bäume bis hin zu den Abgasen, die bei der Verbrennung der schwarzen Pellets entstehen

Aber auch ohne wissenschaftliche Untersuchung sind die Vorteile für viele Experten jetzt schon offensichtlich: Der Stromversorger Helsingin Energie zum Beispiel sieht Biokohle als wichtiges Hilfsmittel an, um bis 2050 eine CO2-freie Stromerzeugung zu erreichen.

Deshalb ist auch Deutschland das Interesse an der Biokohle groß: Zum Beispiel am Institut für Energiesysteme und Energietechnik der Technischen Universität Darmstadt. In einem kleinen Reaktor haben die Forscher um Institutsleiter Professor Bernd Epple und den Projektleiter Jan-Peter Busch bisher selbst Biokohle hergestellt, um anschließend ihre Energiedichte und das Brennverhalten zu analysieren.

Seit kurzem bekommen sie Biokohle aus einer Pilotanlage auf der schwedischen Insel Gotland. Gebaut hat sie der Stockholmer Apparatebauer Torkapparater. Die Biokohle wird nach den Vorgaben aus Darmstadt hergestellt. Um eine optimale Qualität zu erreichen, setzen die Schweden Rohstoffe wie Holz, Miscanthus und Grünschnitt ein, die sich bei unterschiedlichen Temperaturen und Verarbeitungszeiten in Biokohle verwandeln. Das Ziel der Hessen ist das gleiche wie das der Finnen. Sie wollen eine komplette Umweltbilanz erarbeiten.

Auf eine andere Technik setzt das Unternehmen Suncoal aus Ludwigsfelde in Brandenburg. 2008 siegte es beim Gründerwettbewerb der WirtschaftsWoche. Suncoal hat die vor rund 100 Jahren entwickelte hydrothermale Carbonisierung weiterentwickelt. Dabei entsteht kein holzkohlenartiger Brennstoff, sondern einer, der mit Braunkohle vergleichbar ist. Gut geeignet für diesen Prozess ist etwa Laub, das in dieser Jahreszeit in Mengen von Millionen Tonnen entsorgt werden muss.

Und so funktioniert der Prozess: Blätter und anderes Biomaterial werden zerkleinert und gewaschen. Das Material wird mit Wasser verrührt und in einen Reaktor geschüttet. Bei einer Temperatur von etwa 200 Grad Celsius und einem Druck von 20 bar werden in einem mehrere Stunden dauernden Prozess Wasserstoff- und Kohlenstoffmoleküle gewissermaßen getrennt. Übrig bleiben Wasser und ein Brei aus Kohlenstaub.

Ein kleiner Nachteil allerdings: Rund sieben Prozent der Energie, die im Bioabfall schlummert, gehen beim Herstellungsprozess im Durchschnitt verloren.

Anfang dieses Jahres erweiterte Suncoal seine Versuchsanlage, die seit 2008 lief. Derzeit schluckt sie pro Stunde 200 Kilogramm Biomaterial. Daraus macht sie knapp 60 Kilogramm Kohle, die verfeuert oder zur Bodenverbesserung in Gärten genutzt werden kann.

Die Ingenieure des Unternehmens arbeiten derzeit an den Plänen für eine Anlage, die jährlich 60000 Tonnen Grünabfälle in knapp 18000 Tonnen Biokohle verwandelt.

Und damit nicht genug: Auf die gleiche Technik wie Suncoal setzt auch das Düsseldorfer Unternehmen TerraNova Energy. In der Zentralkläranlage von Kaiserlautern betreibt es seit mehr als zwei Jahren eine Anlage, die jährlich 1200 Tonnen Klärschlamm in Biokohle umwandelt.

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