Strom aus Meeresströmung Japanische Forscher wollen AKW durch Turbinen ersetzen

Japanische Forscher wollen mit Turbinen Energie aus Meeresströmungen gewinnen. Kommen nun Windparks unter Wasser?

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Mit einer Geschwindigkeit von etwa 250 Stundenkilometern ist im Juli 2014 der Taifun "Neoguri" auf Japan zugerast. Das war dann doch zu viel des Guten. Denn schon an gewöhnlichen Tagen kann der Wind an der japanischen Küste mit etwa 25 Stundenkilometern wehen. Eine Naturgewalt, die Windräder hervorragend in Energie umwandeln können.

Ungesehen versteckt sich unter der Wasseroberfläche vor der japanischen Ostküste eine weitere Kraft der Natur: der Kuroshio, eine Meerströmung des Nordpazifischen Ozeans. Hier fließen enorme Wassermassen mit gemächlichen fünf Stundenkilometern an der Insel vorbei. Dennoch wollen japanische Forscher diese nun mit Turbinen in Strom umwandeln.

"Die Strömungen sind relativ langsam", räumt das Forscherteam um Professor Katsutoshi Shirasawa des Okinawa Insitute of Science and Technology Graduate University (OISTGU) ein. In einem Aufsatz für das Branchenmagazin "Renewable Energy" erklären die Wissenschaftler jedoch, dass Wasser über 800-mal dichter als Luft ist, weshalb Ozeanströmungen mit starken Winden vergleichbar seien. Meeresstromkraftwerke seien aber verlässlicher als Windräder, weil sich das Wasser stets mit der gleichen Geschwindigkeit in eine Richtung bewegt.

In dem Aufsatz dokumentieren sie einen eignen Versuch: In ihrer Werkstatt haben die Forscher ein etwa 2,3 Meter großes Miniaturkraftwerk zusammengebaut, das mit drei Rotorblättern einem Windkraftwerk ähnelt. Nur statt Wind bringt sie die Meeresströmung zum Rotieren. Damit der Generator sich nicht mitdreht, ist an seinem unteren Ende ein 50 Kilogramm schweres Gewicht befestigt.

Wettstreit der Wasserdrachen

Am oberen Ende haben die Forscher einen Schwimmer befestigt. "Durch den Auftrieb und die Schwerkraft bleibt die Turbine in einer stabilen Position", erklären sie die Vorrichtung in dem Aufsatz. Für den Testlauf haben sie das Kraftwerk an einem Seil ins Wasser gelassen und nur wenige Meter unter der Wasseroberfläche hinter einem Fischerboot hergezogen. So haben sie die Strömung simuliert. Mit Erfolg, wie die Forscher berichten.

In der Zukunft werden die Turbinen etwa 100 Meter tief installiert, um den Einfluss der Wellen an der Oberfläche zu vermeiden. Da bei Taifunen größere Wassermassen in Bewegung geraten, soll die Befestigung sogar in etwa 500 Metern Tiefe am Meeresgrund angebracht werden. Die Turbine soll - wie ein Drache an einem Seil befestigt - ein paar hundert Meter höher im Wasser schweben.

Die Vision der Designer: Ähnlich einer Windfarm sollen 300 der Turbinen auf einer Fläche mit dem Durchmesser von 80 Metern schweben - und durchgehend ein Gigawatt Leistung zur Verfügung stellen. Das entspräche immerhin der Leistung eines Nuklearreaktors. Exakt fünf Jahre nach der Kernschmelze von Fukushima ist ihre Publikation deshalb auch ein Statement für den Ausbau erneuerbarer Energiequellen.

An derlei futuristischen Unterwasserkraftwerken wird schon länger experimentiert: 2003 wurde an der britischen Küste der Seaflow installiert - allerdings an einem fixen Stahlpfosten. Weitere Projekte folgten in Norwegen und Nordirland. Hin und wieder machen auch ausgefallene Modelle Schlagzeilen - Generatoren, die wie Drachen an einem Seil befestigt in achtförmigen Bewegungen ihre Bahnen durchs Wasser ziehen oder riesige Turbinen, größer als die von Flugzeugen. Schätzungen zufolge könnten zwei bis drei Prozent des europäischen Stromverbrauchs mit derartigen Anlagen gedeckt werden.

Kippen Turbinen das Weltklima?

Kritiker hingegen halten den Forschern immer wieder vor, dass sie der Natur schaden würden: Die Anbringung am Meeresgrund würde einen enormen Eingriff darstellen. Durch die schwebenden Turbinen könnten die Wanderrouten von Fischen gestört werden. Möglicherweise könnten sie sogar mit den Rotorblättern zusammenprallen.

Außerdem sei eine grundsätzliche Frage nicht geklärt: Wie reagiert das Klima, wenn derartige Turbinen im großen Stil installiert werden? Immerhin könnten sie die Meeresströmungen bremsen.

Unwahrscheinlich also, dass die Technologie sofort eine Revolution der Energieversorgung auslösen wird. Das lässt sich auch aus einem knappen Absatz des Artikels herauslesen, in dem die japanischen Forscher auf die Hürden bis zu einer Realisierung eingehen: "Es müssen noch viele technische Probleme gelöst werden, beispielsweise hinsichtlich der Installation, der Kosten, der Wartung, der Umwelt, und der Übertragung der Elektrizität."

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