Studie zur Versorgungssicherheit Stromzufuhr bleibt trotz AKW-Ausstieg stabil

Die schrittweise Stilllegung von Atomkraftwerken gefährdet die Versorgungssicherheit in Deutschland nicht. Das zeigt eine neue Studie. Auch Kohlekraftwerke könnten zunehmend abgeschaltet werden.

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Bis 2022 sollen alle deutschen AKWs vom Netz sein – auch das Kernkraftwerk in Brokdorf/Schleswig-Holstein. Quelle: dpa

Als im Sommer 2011 in Deutschland als Reaktion auf die Atomkatastrophe von Fukushima der Ausstieg aus der Kernenergie beschlossen wurde, machte sich in Teilen der Bevölkerung Unruhe breit: Wie sollte die Stromversorgung in Zukunft sichergestellt werden, wenn es den Atomstrom, der damals knapp ein Fünftel im deutschen Strom-Mix ausmachte, plötzlich nicht mehr gab?

Seitdem sind neun Kernkraftwerke, die es gemeinsam auf eine Leistung von 9,7 Gigawatt gebracht haben, stillgelegt worden. Bis zum Jahr 2022 sollen auch die verbleibenden acht Meiler abgeschaltet werden. Eine aktuelle Studie zeigt nun, dass die Energieversorgung in Deutschland trotz dieses endgültigen Abschieds von der Kernenergie nicht gefährdet ist.

Die Beratungsfirma Energy Brainpool, die die Analyse im Auftrag des Ökostrom-Anbieters Greenpeace Energy durchgeführt hat, stützt sich dabei auf drei verschiedene Indikatoren für die Versorgungssicherheit im Zeitraum des AKW-Ausstiegs.

Energiewende ohne Einfluss auf die Versorgungsqualität

Der System Average Interruption Duration Index (SAIDI) ist ein Index für die Zuverlässigkeit von Stromversorgungsunternehmen, der jährlich von der Bundesnetzagentur ermittelt wird. Von 2010 bis 2012 betrug die durchschnittliche Versorgungslücke 15,9 Minuten und lag damit rund 30 Prozent unter dem Wert von 2006. Einen maßgeblichen Einfluss der Energiewende auf die Versorgungsqualität schließe die Bundesnetzagentur zudem aus, heißt es in der Studie.

Der SAID-Index zeigt: Seit 2006 ist die durchschnittliche Versorgungslücke kleiner geworden. (Foto: Energy Brainpool)

Auch das Konzept der gesicherten Leistung haben die Analysten in ihre Studie mitaufgenommen. Es vergleicht Einspeise- und Lastsituation zu einem bestimmten Zeitpunkt unter der Annahme, dass die Reserven ihren geringsten Wert und die zu deckende Last ihren höchsten Wert annehmen – so kann die voraussichtlich kritischste Situation bewertet werden.

Die Autoren der Studie berufen sich hier auf Daten des Bundeswirtschaftsministeriums und machen „eine verbleibende Leistung von etwa 10 GW“ aus. „Der Kernausstieg wird, nach dieser Zahl zu urteilen, von einer hohen Überkapazität begleitet“, heißt es. Windkraft etwa könne eine gesicherte Leistung von sieben Prozent beisteuern, Biomasse zudem für größere Flexibilität sorgen.

Kohlekraftwerke lassen sich schrittweise ersetzen

Der dritte Indikator, der Einsatz sogenannter Regelleistung, deutet ebenfalls auf eine gesicherte Stromversorgung trotz AKW-Ausstieg hin. Von Regelleistung spricht man dann, wenn kurzfristige Einspeisungen durch die Stromnetzbetreiber nötig sind.

Der durchschnittliche Bedarf an Regelleistungen sei im Vergleich zu 2011 gesunken, so die Autoren der Studie. Das zeige, „dass während des Zeitraums des Kernkraftausstiegs die Netzbetreiber durchschnittlich weniger Regelleistung benötigten, um das Netz stabil betreiben zu können“. Auch die Zunahme an schwankenden erneuerbaren Energien habe nicht zu einem höheren Bedarf an Regelleistung geführt.

Die Ergebnisse der Studie werden jedoch dadurch relativiert, dass unterschiedliche Faktoren die Versorgungssicherheit im Stromsystem beeinflussen  – und die Stromerzeugung aus Atomkraft nur einer davon ist. Zudem seien für das positive Ergebnis auch Maßnahmen wie  etwa Ausbau, Verstärkung und intelligente Steuerung des Stromnetzes auf Übertragungseben nötig gewesen. Welchen Anteil diese Schritte am Erhalt der Versorgungssicherheit hatten, müsse noch untersucht werden.

Anstelle von Kohlekraftwerken könnte Biomasse in Zukunft „gesicherte Leistung“ bereitstellen. Quelle: dpa

Eins zeige die Analyse dennoch deutlich: „Ein hoher Anteil an konventioneller Erzeugungsleistung – etwa aus Kernkraft – garantiert kein hohes Niveau an Versorgungssicherheit“, sagt Thorsten Lenck, der die Studie bei Energy Brainpool geleitet hat.

Zudem ließen sich klimaschädliche Kohlekraftwerke als Reserve für abgeschaltete AKWs schrittweise ersetzen: „Bereits 2020 kann eine effiziente Steuerung bei Biomasseanlagen, Haushalten und Industrieanlagen die Spitzennachfrage um bis zu 4,4 Gigawatt reduzieren“, so Lenck. Entsprechend seltener müssten dann fossile Kraftwerke die so genannte „gesicherte Leistung“ bereitstellen.

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