Innovationen Unternehmen nutzen Kunden als Ideengeber

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Nicht mehr die Forschungsabteilungen allein bringen Innovationen hervor. Sie entwickeln Produkte nun gemeinsam mit Kunden, Zulieferern und freien Ingenieuren. Innovationsforscher Frank Piller von der RWTH in Aachen bezeichnet das als „Interaktive Wertschöpfung“ oder „Crowdsourcing“. Unternehmen lagern einen Teil des Innovationsprozesses sozusagen an die Crowd, ergo die Masse, aus.

Wenn Piller Vorträge zum Thema hält, sind die Plätze schnell ausgebucht: So gut wie alle deutschen Konzerne, sagt er, „befassen sich mit den Instrumenten der Open Innovation“.

Denn das Innovationsrad dreht sich immer schneller. Laut der Unternehmensberatung Accenture hat sich die Entwicklungszeit in der Autoindustrie in zehn Jahren um 20 Prozent verkürzt. Um den Anschluss zu behalten, planen europäische Industrieunternehmen, ihre Forschungsausgaben nächstes Jahr um 14 Prozent zu erhöhen, ergab eine Umfrage der Bonner Beratungsfirma Simon-Kucher & Partners. Ein großer Schritt. Alle eint dabei die Suche nach Innovationen, die sich schneller in Produkte umsetzen lassen. Diese Ideen zu prämieren ist auch das Ziel des Deutschen Innovationspreises, den die WirtschaftsWoche mit namhaften Partnern wie Accenture und EnBW ausschreibt.

Doch gerade bei dem Schritt, innovative Ideen in marktfähige Produkte zu verwandeln, hapert es: Weniger als 0,5 Prozent der in deutschen Industrieunternehmen verfolgten Ideen werden zu einem Erfolg, hat Simon-Kucher-Innovationsexperte Philip Grothe errechnet. „Open Innovation“, sagt Grothe, „kann diese Flop-Rate deutlich reduzieren.“

Weil die Unternehmen ihren Kunden besser zuhören. Und weil sie an Wissen gelangen, das sie selbst nicht haben.

Lebensrettende Erkenntnis

Dem kanadischen Minenbetreiber Goldcorp rettete die Weisheit der Massen die Existenz – und machte ihn zu einem der Pioniere im Wissensaustausch mit dem Publikum. Vor einigen Jahren rutschte das Unternehmen in die Krise. Der Goldabbau im ostkanadischen Ontario stockte, die Kosten gerieten außer Kontrolle.

Da entschied sich Goldcorp zum radikalen Schritt: Das Unternehmen stellte Hunderte Megabyte geheimer Firmendaten ins Netz. Aufzeichnungen über Bohrungen, geologische Gutachten und Lagepläne. Experten aus aller Welt sollten sich online an der Suche nach Gold beteiligen. Für Hinweise auf übersehene Fundstellen lobte Goldcorp 575.000 Dollar Finderlohn aus. Mehr als 1000 Geologen, Studenten, Rentner und Ex-Militärs aus 50 Ländern halfen, Dutzende neue Fundstellen zu entdecken. Goldcorp überwand die Krise und vervielfachte seinen Börsenwert.

Das Beispiel machte Schule. Kaum ein Unternehmen zapft das Wissen der Massen heute intensiver an als Procter & Gamble. Der Konsumgüterkonzern verschrieb sich 2001 dem Ziel, rund die Hälfte seiner Innovationen von außen einzukaufen. Diese Vorgabe erreichte das Unternehmen vor mehr als zwei Jahren. Wichtigster Baustein der Strategie war die Internet-Seite Connect + Develop. Hier können Kunden ihre Ideen einreichen und an konkreten Problemen des Unternehmens knobeln, wie etwa schmerzfreien Methoden der Haarentfernung oder wirksame Hilfe gegen Halsschmerzen.

Diese Ideen-Spielwiesen im Netz sind das wichtigste Instrument in der offenen Innovationswelt. Das Münchner Unternehmen Hyve hilft seinen Kunden, solche Plattformen aufzubauen. Und vor allem, sie bekannt zu machen. Denn nichts ist frustrierender, als wenn die Masse keine Antwort gibt: Neben sozialen Netzwerken wie Facebook und MeinVZ arbeitet Hyve dafür auch mit Universitäten.

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