Innovationen Unternehmen nutzen Kunden als Ideengeber

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Sie treffen sich auf Internet-Seiten wie Innocentive. Hier lobte etwa die US-Online-Videothek Netflix eine Million Dollar aus für einen Algorithmus, mit dem das Unternehmen den Geschmack seiner Kunden besser vorhersagen kann. Die kürzlich prämierte Lösung lieferten sieben Statistiker und Programmierer aus den USA, Österreich, Kanada und Israel.

Die Aufgaben bei Innocentive erstrecken sich über alle Fachgebiete: 20.000 Dollar gibt es für neue Ideen, Mais vor Insekten zu schützen, 10.000 Dollar warten auf den Programmierer, dessen Software Kunden-Emotionen entschlüsselt, und 5000 Dollar bekommen Entwickler, die Alternativen für Plastikdeckel präsentieren. Charme des Modells: Gezahlt wird für die Lösung, nicht für den Versuch.

Trotzdem wird oft gezahlt: Laut einer Analyse der Harvard Business School wird jede dritte bei Innocentive gestellte Aufgabe gelöst. Denn die Plattform kann auf ein weltumspannendes Expertennetz zurückgreifen aus 180.000 Ingenieuren, Forschern, Erfindern und Studenten.

Aufgabensteller und Problemlöser lernen sich meist erst nach Abschluss des virtuellen Brainstormings kennen. Sicherheit geht vor. Denn auch wenn Open Innovation klingt wie Open Source: Die Rechte an den Ideen sind meist alles andere als frei. Auf Portalen wie Innocentive vereinbaren die Teilnehmer in der Regel Vertraulichkeit. Gewinnt ein Vorschlag, tritt der Urheber seine Rechte oft ab.

Die Motivation der Teilnehmer bremst das nicht, „sofern die Vereinbarungen als fair empfunden werden“, sagt Füller. Der Innovationsexperte hat sich lange mit der Frage beschäftigt, weshalb Menschen an Projekten im Netz mitarbeiten. Füller hat sogar ein paar Monate am MIT bei Boston dazu geforscht. „Sicher spielen die Preisgelder eine Rolle“, sagt er. Ebenso wichtig jedoch sei, dass Menschen, die sich für ein Thema interessieren, gern Wissen austauschen. Sie sind stolz, wenn sie eine schwierige Aufgabe lösen konnten. Dabei vertiefen sie zugleich ihr Know-how und treffen andere Experten ihres Fachgebiets. Oft, sagt Füller, reiche das als Motivation schon aus.

Die Motivation ist manchmal sogar so groß, dass die Fragesteller mit Vorschlägen regelrecht zugemüllt werden. Doch hier hilft neue Technik: Das Aachener Unternehmen Dialego hat ein Programm entwickelt, das die Zuschriften strukturieren und zu Themenclustern sortieren kann. „Das beste Instrument sind aber die Teilnehmer des Wettbewerbs“, sagt Füller. Gebe man den Nutzern die Möglichkeit, Vorschläge anderer zu bewerten, würden die besten an die Spitze gespült.

Der neue Innovationswerkzeugkasten bringt den Unternehmen nicht nur frische Ideen. Mitunter auch frisches Personal. Nach seinem Wirtschaftsstudium absolvierte Robin Thiemann ein Praktikum bei einem mittelständischen Nutzfahrzeughersteller. Eines Nachmittags wurde er auf einen Wettbewerb aufmerksam: Fujitsu Technology Solutions suchte Konzepte für das Rechenzentrum der Zukunft.

Angeregt durch seine Erfahrung entwarf er ein einfaches Datensicherungssystem für Mittelständler. Fujitsu hatte damals kein passendes Paket für sie im Angebot. Thiemanns Lohn: der erste Preis. Und weil den Fujitsu-Managern seine Art, Probleme zu lösen, gut gefiel, machten sie ihm wenige Tage nach der Preisverleihung ein Angebot. Seitdem arbeitet er in der Strategieabteilung des Unternehmens.

„Open Innovation bringt Wissen ins Unternehmen“, sagt Thiemann. „Und ermöglicht ihnen einen Perspektivwechsel.“ Dafür ist er das beste Beispiel.

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