Innovationspreis Böhl: Montage mit Biss

Eine Schraube soll die Konstruktionswelt revolutionieren. Sie kann Rundstäbe blitzschnell befestigen und lösen – beliebig oft.

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Böhl-Innenspannschraube: Flexible Verbindungen für Rohre und Rundstäbe

Harald Böhl hatte schon Dutzende sonderbar aussehende Schrauben hergestellt. Die jüngste schien gründlich missraten zu sein. "Ich wollte sie schon in den Schrott werfen", sagt der Maschinenbaumeister und Chef des Metallbearbeitungsunternehmens Habö im nordhessischen Rosenthal. Dann aber gab er ihr noch eine Chance. Und staunte nicht schlecht: "Sie funktionierte besser als alle Vorgänger."

Böhls Ziel war ein Befestigungssystem für Rundstäbe aus Edelstahl. Es sollte die Stäbe mit festem Griff packen und sie durch einfaches Lockern wieder loslassen. Es dauerte eine Weile, bis er herausgefunden hatte, warum das vermeintlich missratene Teil genau die erwünschten Eigenschaften hatte, die Böhl suchte.

Unternehmer Böhl spricht von revolutionärer Erfinfung

Die Öffnung im Inneren der hohlen Schraube bietet Platz für Rundstäbe, deren Durchmesser wenige Zehntel Millimeter kleiner ist als jener der Schraube. Mit ihrem Außengewinde lässt sie sich in eine Mutter schrauben, die beispielsweise fest in ein Regalbrett versenkt ist. Bei der letzten Vierteldrehung verkleinert sich der Innendurchmesser dank der besonderen Konstruktion der Schraube, sodass sie sich an den Stab presst. Die so geschaffene Verbindung hält Gewichte von immerhin bis zu 330 Kilogramm aus.

Trotzdem bleibt die Befestigung flexibel: So lässt sich etwa die Position von Regalbrettern sekundenschnell wieder verändern, um Platz für den neuen Weltatlas zu schaffen, der deutlich höher ist als andere Bücher: Eine Vierteldrehung gelöst, erlaubt es die Schraube, das Brett einfach ein paar Zentimeter höher zu schieben.

Unternehmer Böhl ist sich sicher, mit der neuen inzwischen Habö ISS – das Kürzel steht für Innenspannschraube – getauften Schraube eine revolutionäre Erfindung gemacht zu haben: Sie soll eines der wichtigsten Produkte des elf Jahre alten Unternehmens werden. "Heute produzieren wir noch zu 90 Prozent für die Industrie", sagt Böhl. Sein Unternehmen fertigt unzählige Produkte, darunter komplexe Bauteile aus Titan unter anderem für Kampfflugzeuge und Airbus-Klimaanlagen.

Böhl muss Unternehmen massiv vergrößern

"In einigen Jahren wollen wir den Anteil auf die Hälfte zurückfahren", sagt der Unternehmer. Frei werdende Kapazitäten an den Bearbeitungsstationen, in denen Metallteile gebohrt, gefräst, gesägt und geschliffen werden, sollen dann verstärkt für Eigenprodukte wie die Schraube mit Biss genutzt werden.

Das Umsatzpotenzial der Schraube beziffert Böhl kühn auf 50 bis 70 Millionen Euro. Dafür muss nicht nur die Schraube ein gigantischer Erfolg werden. Böhl muss auch sein Unternehmen massiv vergrößern. Derzeit kommt er auf gut zehn Millionen Euro Umsatz pro Jahr.

Hätte es die Finanzkrise nicht gegeben, würde er mehr als 15 Millionen Euro umsetzen, ist er überzeugt. Wobei der Habö-Chef selbst dem Einbruch etwas Positives abgewinnen kann: „Bis dahin warenwir so gut ausgelastet, dass wir an eigene Produkte gar nicht denken konnten.“ Um den krisenbedingten Umsatzeinbruch abzufedern, hat Böhl Innovationen vorangetrieben und inzwischen eine eigene kleine Entwicklungsabteilung aufgebaut.

Jüngstes Projekt der hessischen Tüftler ist eine Befestigung für Fotovoltaikmodule, die – natürlich – auf die ISS setzt. Jedes erhält vier runde Edelstahlbeine, die in den Dachsparren befestigt werden. Wenn das Dach besonders wellig ist, vergrößert der Installateur einfach den Abstand – und zieht die ISS wieder an.

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