Konstantin Guericke "Die Bewertung regelt der Markt"

Der Börsengang des weltgrößten beruflichen Online-Netzwerks LinkedIn ist ein voller Erfolg geworden. Konstantin Guericke, der deutsche Mitgründer des Karriere-Netzwerks, spricht mit der Wirtschaftswoche über den Börsengang seines Unternehmens.

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Konstantin Guericke soll LinkedIn in Deutschland stärker vorantreiben

Herr Guericke, am Donnerstag hat das von Ihnen mitgegründete Business-Netzwerk Linkedin den erfolgreichsten Börsengang eines Internet-Unternehmens seit Google hingelegt. Wie haben Sie den Tag verbracht?

Guericke: Ich war in Deutschland, habe mich in München informell mit Mitgliedern unseres Netzwerkes getroffen, um mehr über deren Bedürfnisse und Nutzungsverhalten zu erfahren. Ich arbeite ja immer noch als Berater für Linkedin.

Was ist das für ein Gefühl, wenn das eigene Unternehmen an der New Yorker Börse gelistet wird?

Es ist schön. Als Unternehmer braucht man eine Menge Selbstantrieb. Gerade in der Anfangsphase, wo viele Leute denken, dass das, was man macht nicht interessant ist und sowieso nicht funktionieren wird. Das ist auch ganz natürlich, wenn man etwas Innovatives versucht. Da ist es schon sehr schön, durch so etwas wie einen erfolgreichen Börsengang bestätigt zu werden.

Wird der Linkedin IPO jetzt das Tor für weitere Börsengänge von Internet-Unternehmen öffnen?

Wenn es gute Firmen mit interessanten Geschäftsmodellen gibt, finden sich auch immer Investoren. Weil es lange keine Börsengänge in dem Bereich gab, gibt es eine Reihe von interessanten Unternehmen, die nichts mit Schnelllebigkeit zu tun haben. Man darf nicht vergessen, dass wir Linkedin acht Jahre aufgebaut haben. Wir sehen den Börsengang nicht als Endziel. Er ist motivierend, aber das meiste, was wir erreichen wollen, liegt ja noch vor uns.

Linkedin ist an der Börse rund neun Milliarden Dollar wert und damit nur rund eine Milliarde Dollar weniger als die Deutsche Lufthansa AG. Vielen Leuten fällt da sofort die Internet-Blase ein. Ganz allgemein gefragt – sehen Sie die Gefahr einer Blase?

Jeder muss selbst entscheiden, ob er investieren will und was er für zu hoch oder zu niedrig empfindet. Niedrig stört ja in der Regel keinen. Aber die Bewertungen entsprechen der Marktnachfrage, das ist schon per Definition so. Mir steht nicht zu, das einzuschätzen, das regelt der Markt. Sicherlich gibt es einige Anleger, die nur den kurzfristigen Gewinn sehen. Aber auch viele, die an das Produkt glauben, eine Aktie für die Zukunft kaufen. Im Internet muss man langfristig denken. Ich freue mich, dass unsere Aktionäre unsere Zukunftsperspektive erkennen.

Wie wird der Linkedin-Börsengang die Startup-Kultur im Silicon Valley beeinflussen?

Momentan sitzt das Geld wieder sehr locker, besonders für das allererste Startkapital für Unternehmen, das sogenannte seed funding. Es gibt sehr viele Unternehmer, die zu Geld gekommen sind und nun als Business Angel in interessante Startups investieren. Nicht immer, um das ganz  große Geld zu machen, sondern weil sie es spannend finden.

Gleichzeitig sind die Kosten für den Aufbau einer Internet-Firma relativ gering. In vielen Bereichen gibt es dann plötzlich zehn Firmen, die aus Sicht des Konsumenten alle das gleiche machen. Das ist auch okay so, fördert Innovation und Wettbewerb. Aber es ist auch klar, dass von den zehn vielleicht zwei weiter finanziert werden. Wir werden das bei der sogenannten A-Runde sehen. So viel Geld haben die Wagnisfinanzierer nicht, um alle Projekte der Businessangel fortzuführen.

Sehen Sie auch Auswirkungen auf die Internet-Branche in Deutschland?

Ich würde mich sehr freuen, wenn das Beispiel von Linkedin deutsche Gründer animiert. Wir haben in Deutschland relativ wenige Startups und kaum international agierende Internet-Unternehmen. Ich sehe sehr viele BWLer, die Startups gründen. Aber die wirklich großen Firmen kommen meiner Beobachtung nach meistens von Technikern, die langfristiger denken. Ich würde mich freuen, wenn sich mehr deutsche Ingenieure finden würden, die ein Startup gründen. Ich würde das gern mit meinen Erfahrungen unterstützen, so wie ich das derzeit als Mentor mit Studenten an der Stanford Universität tue.

Macht es Sinn, ein Internet-Unternehmen in Deutschland zu gründen. Oder ist es nicht besser, gleich in die USA zu gehen?

Man sollte Anleihen am israelischen Modell nehmen, wo die Entwicklung in Israel verbleibt und der Geschäftsführer und ein Teil des Managements relativ schnell in die USA geht, um das Produkt zu vermarkten und weiteres Wachstumskapital einzusammeln. Das könnte auch in Deutschland funktionieren, wo wir ja sehr gute Leute haben.

Im Silicon Valley ist es momentan sehr schwer, gute Entwickler zu bekommen und zu halten. Facebook, Google, Zynga, Twitter oder auch Linkedin suchen nach Ingenieuren. Viele Talente wollen sich gar nicht anstellen lassen, sondern was eigenes machen. Ein gutes Ingenieursteam in Deutschland zu haben, wo ein Teil des Gründungsteams sofort in die USA geht, ist schon sinnvoll. Ich würde empfehlen, gleich eine Inc in den USA zu gründen und später eine deutsche Tochter, um mit Aktienoptionsplänen gute Leute anheuern zu können.

In Deutschland hat Linkedin mit Xing einen starken Konkurrenten. Wie zufrieden sind Sie mit ihrem Deutschlandgeschäft?

Wir sind sehr zufrieden. Sicherlich müssen wir noch eine Menge Aufklärungsarbeit leisten, wie wir uns von unseren lokalen Wettbewerbern unterscheiden, insbesondere mit unserem internationalen Ansatz. Allgemein ist eine Menge Wachstumspotential in Deutschland. Die Nutzer sind konservativer, haben schon viel Berufserfahrung, wollen überzeugt werden. Aber in den Personalabteilungen hat sich schon die Ansicht durchgesetzt, dass es nicht mehr reicht, eine Anzeige in der Frankfurter Allgemeinen zu schalten, um gute Bewerber zu finden.

Der Auswanderer

Konstantin Guericke startete Anfang 2003 mit seinen Stanford-Bekannten Reid Hoffman, Allen Blue, Jean-Luc Vaillant und Eric Ly das Karriere-Netzwerk Linkedin und fungierte bis zum Erreichen der Gewinnschwelle im Jahr 2006 als dessen Marketingchef.  Der an der Elituni Stanford ausgebildete Wirtschaftsinformatiker ging mit 15 Jahren als Austauschschüler in die Vereinigten Staaten. Guericke lebt  seit 25 Jahren im Silicon Valley. An Linkedin hält er ungefähr ein Prozent der Anteile.

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