Langstreckenflugzeuge Airbus vs. Boeing: Duell am Himmel

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Komfortabler, leiser, sparsamer

Zu den Gewinnern zählt Tim Clark vor allem die Fluggäste. „Auf ihre Bedürfnisse sind die Hersteller früher viel zu wenig eingegangen“, kritisiert der Chef der Fluglinie Emirates aus Dubai, die mit 70 Fliegern zu den Großabnehmern der A350 gehört. So bieten beide Maschinen einen Luftdruck an Bord in 12.000 Meter Reisehöhe entsprechend der Verhältnisse auf einem 1800 Meter hohen Berg bei Windstille. In heutigen Boeing-Maschinen herrschen Bedingungen wie bei einer Höhe von rund 2400 Meter, in moderne Airbussen wie auf gut 2000 Meter.

Die Luftfeuchtigkeit soll bis zu 20 Prozent betragen – üblich sind heute etwa fünf Prozent. Das werden die Feinschmecker genießen. Denn ist die Luft zu trocken, schmecken Wein, Putenbrust und Käse schnell fad. Die feuchtere Luft schont zudem die Schleimhäute.

Der höhere Anteil von Verbundwerkstoffen aus vielen Lagen hauchdünner Leichtmetallfolien und Kohlenstofffasern ermöglicht das angenehmere Bordklima. Sie machen den Rumpf nicht nur leichter, sondern schützen ihn auch gegen Korrosion durch die Luftfeuchtigkeit. Zudem halten sie den gewaltigen Drücken und Druckunterschieden, die in großen Höhen auf der Außenhaut eines Fliegers lasten, besser stand als Aluminium. Der Anteil der Verbundwerkstoffe liegt bei der A350 mit 53 Prozent leicht über dem der 787, die auf etwas mehr als 50 Prozent kommt. Besonders beanspruchte Teile wie Triebwerksaufhängungen oder das Fahrwerk werden allerdings auf absehbare Zeit weiter aus Metallen wie Titan oder Stahl gefertigt. Der Grund: Sie halten besonders ungleichmäßige Zugkräfte besser aus, die etwa bei heftigen Stürmen oder der Landung entstehen.

Freuen dürfen sich die Passagiere auf Flüstertriebwerke und leisere Klimaanlagen. Die Hintergrundgeräusche während des Flugs werden, so die Erwartung der Ingenieure, um mindestens ein Drittel niedriger sein als in heutigen Maschinen. Breitere Rümpfe vermitteln ein großzügigeres Raumgefühl. Ihre ovale Form bringt rund zehn Zentimeter mehr Kopffreiheit und erlaubt den Einbau größerer Gepäckfächer. Teile der Küche und der Toiletten verschwinden entweder im Untergeschoss, die Schlafplätze der Besatzung im bislang nicht genutzten Raum oberhalb der Kabine. Das schafft Platz für zusätzliche Sitzreihen, mehr Beinfreiheit oder neue Angebote wie einer Bar in der Business Class.

Die Fenster sind doppelt so groß wie heute und lassen sich elektronisch verdunkeln. Zu den Optionen gehört ein künstlicher Sternenhimmel an Bord – er soll nachts das Einschlafen erleichtern – sowie ein orangefarbenes Licht, das die Passagiere vor der Landung sanft weckt. Die Leuchtdioden für das Wohlfühlambiente liefert Diehl Aerospace aus Nürnberg.

Zum angenehmen Flug trägt bei, dass die Maschinen dank des stabileren Rumpfes aus Kunststoff eine größere Reisehöhe erreichen und dadurch viele Turbulenzen überfliegen. Ein neues Steuerungssystem mindert zudem Schlingerbewegungen während des Flugs auf ein Zehntel der heutigen Werte. „Wer einmal mit der A350 oder der 787 geflogen ist, wird nur ungern in eine andere Maschine einsteigen“, glaubt Montie Brewer, Chef der Air Canada.

Boeing hat für jedes Modell der 787 eine spezielle Flügelform entwickelt, die den Luftwiderstand minimiert und so den Kerosinverbrauch reduziert. Airbus dagegen liefert alle Versionen der A350 mit dem gleichen, charakteristisch stark gekrümmten Flügel aus. Zwar erhöht der Verzicht auf eine angepasste Form geringfügig den Treibstoffbedarf, dafür müssen die Fluglinien weniger unterschiedliche Ersatzteile vorrätig halten und die Wartungskosten sinken. Weiterer Vorteil der Airbus-Lösung: Weil nun fast das ganze Flugbenzin in den Flügel passt, muss während des Flugs nicht mehr aufwendig wie bisher das Kerosin zwischen Flügel und den Tanks im Rumpf hin und her gepumpt werden, damit das Flugzeug immer optimal im Wind liegt.

Sollte die A350 tatsächlich so erfolgreich sein, wie es sich abzeichnet, könnte das Ergebnis Airbus freilich in neue Turbulenzen bringen. Hauptproblem ist die immer dünner werdende Personaldecke. 3000 von 57.000 Beschäftigten im Konzern arbeiten gegenwärtig an dem Langstreckenflieger. Der Kern besteht aus einer Gruppe von gut 800 Spezialisten, die in zwei benachbarten Häusern direkt in der Konzernzentrale in Toulouse sitzen. Um den geplanten Erstflug 2012 nicht zu gefährden – Boeings Dreamliner soll nach mehreren Verspätungen Ende dieses Jahres erstmals abheben –, bräuchte Airbus deutlich mehr Personal. Aber immer noch arbeiten mehrere Hundert Ingenieure und Techniker am A380, obwohl sie sich längst um die Entwicklung des A350 kümmern sollten. Das Problem verschärft sich zudem: Vor wenigen Tagen musste Airbus einräumen, dass sie von dem größten Flieger der Welt 2010 statt der geplanten 45 Maschinen nur zwischen 30 und 40 Flieger ausliefern können. Neueinstellungen sind keine Abhilfe. „Der Markt für qualifizierte Ingenieure ist praktisch leer gefegt“, sagt der Hamburger Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt. Airbus-Manager Pardoe glaubt dennoch an einen pünktlichen Start. „Wir werden alles tun, den Termin zu halten – und wir werden es schaffen.“

Wenn alles gut läuft, will Airbus die A350-Familie in etwa zehn Jahren noch erweitern. Ab 2018 könnten eine Ultralangstreckenversion und schließlich ein Frachter folgen.

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