Luftfahrt Prius der Lüfte

Steigende Treibstoffpreise und immer schärfere Ökoauflagen: Mit Biokraftstoffen, Hybrid- und Brennstoffzellenantrieben soll die Fliegerei grüner und sparsamer werden. Dabei lernt die Flugzeugindustrie ausgerechnet von den Automobilherstellern.

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Überschallflugzeug Boeing

Wie eine Pfeilspitze bohrt sich der grasgrüne Flieger durch die dünne Luft. Mit 1,8-facher Schallgeschwindigkeit, also rund 2200 Kilometern pro Stunde, donnert das Fluggerät über das Meer, so schnell, dass Passagiere in nur etwa zehn Stunden von Europa nach Australien reisen können. Doppelt so schnell wie heute.

Sieben Jahre nach dem Ende des legendären britisch-französischen Überschallfliegers Concorde haben die US-Unternehmen Boeing, General Electric und Northrop Grumman auf Einladung der amerikanischen Raumfahrtagentur Nasa ihre Ideen für den Flieger der Zukunft gezeigt. Eines davon, der Überschallflieger, erfüllt den uralten Traum, schneller als der Schall zu fliegen.

Gegenüber der Concorde jedoch, die nach einem dramatischen Crash im Juli 2000 nach 27 Jahren Dienstzeit ausgemustert wurde, hat das neue Modell entscheidende Vorteile: Der neue Überschallflieger kann mehr als 300 Passagiere transportieren – rund drei Mal so viele wie die Concorde. Ihr gewaltiger Donnerschlag beim Durchbrechen der Schallmauer schrumpft dank besserer Aerodynamik zu einem sanften Grollen. Und der Überschallflieger verbraucht wesentlich weniger Kerosin als das französisch-britische Vorgängermodell.

Jedes Mittel recht

Noch ist der Überschallflieger nur ein Konzept. Aber eines, das zeigt, wie sehr die Luftfahrtindustrie in Bewegung kommt. Seit Jahrzehnten standen Flugzeughersteller nicht unter einem solchen Veränderungsdruck. Die Treibstoffpreise steigen, die Diskussion über den Klimawandel sorgt für Negativ-PR, und ab 2012 drohen zusätzliche Belastungen durch den Emissionshandel in der Europäischen Union: Stoßen die Airlines mit ihren Fliegern dann zu viel klimaschädliches Kohlendioxid aus, müssen sie sich für Millionen Euro mit Verschmutzungszertifikaten eindecken. „Das hat mit Ökologie nur wenig zu tun“, schimpft Jürgen Starck, der bei der Lufthansa über die Treibstoff-Effizienz wacht.

Dringender als je zuvor müssen die Hersteller daher leisere, effizientere und umweltfreundlichere Flugzeuge bauen. Und dazu ist jedes Mittel recht: Sogar, dass die Hersteller Ideen aus der Automobilindustrie übernehmen. Die Autokonzerne nämlich stehen vor dem gleichen Dilemma steigender Rohstoffpreise und verschärfter Umweltauflagen. Ihre Lösung sind Fahrzeuge, die mit Biokraftstoffen, Hybrid-, Brennstoffzellen oder Elektromotoren angetrieben werden.

Probleme heruntergespielt

Dabei haben die Flugzeughersteller jahrelang versucht, die Probleme herunterzuspielen. Stets verwiesen sie auf den geringen Anteil ihrer Branche am weltweiten Kohlendioxid-Ausstoß von nur drei Prozent. Was sie oft verschweigen: Die Emissionen der Fliegerei steigen drastisch. Alleine in Europa legten sie seit 1990 um 87 Prozent zu. Verschärfend kommt hinzu: Die Auswirkungen des Fliegens auf das Klima sind weitaus schlimmer, als der Anteil an Kohlendioxid-Emissionen erahnen lässt. Denn nicht nur die Abgase aus der Kerosinverbrennung, sondern auch Kondensstreifen und vor allem Cirruswolken in einer Flughöhe zwischen 8000 und 13 000 Metern verschärfen den Treibhauseffekt.

Grund genug für die EU, die Airlines zu Investitionen in sparsamere Maschinen zu zwingen: Pro Tonne Kohlendioxid müssen sie ab 2012 ein sogenanntes CO2-Zertifikat vorlegen. Ein Großteil der Zertifikate wird anfangs zwar kostenlos abgegeben, aber einen Teil müssen die Luftfahrtgesellschaften kaufen. Steigt ihr Treibstoffverbrauch, müssen sie Verschmutzungsrechte teuer zukaufen.

Dieses Verschmutzungsrecht kostet derzeit an der Leipziger Börse 15 Euro pro Tonne Kohlendioxid. Die Lufthansa rechnet dadurch mit zusätzlichen Kosten von 350 Millionen Euro.

Biokraftstoff Diamond DA42

Die Kosten tragen die Passagiere. Nach heutigen Treibstoffpreisen sind mindestens drei Euro pro Flug in Europa und bis zu 40 Euro bei Überseeflugstrecken fällig.

Kein Wunder, dass Jim Albaugh, Leiter des Boeing Zivilgeschäfts, und Airbus-Chef Thomas Enders in seltener Einigkeit das Ziel formuliert haben, dass der Flugverkehr ab 2020 klimaneutral wachsen soll. Heißt: Der Kohlendioxid-Ausstoß soll, trotz zunehmendem Flugverkehr, nicht weiter steigen.

Ein großes Ziel. Der Anfang jedoch ist klein, winzig klein und schwimmt in einem gläsernen Bioreaktor. Nur Hundertstel Millimeter messen die kugeligen Mikroalgen, die auf Namen hören wie Chlamydomonas reinhardtii oder Phaeodactylum tricornutum.

Algen zählen zu den wichtigsten Hoffnungsträgern der Luftfahrtbranche. Weit besser als alle anderen Grünpflanzen wandeln sie in Wassertanks das Sonnenlicht in chemische Energie um. Sie wachsen auch mit Salzwasser, entziehen der Atmosphäre besonders viel klimaschädliches Kohlendioxid und produzieren dabei Öl. Dieses in den Algen gespeicherte Öl wird anschließend zu Sprit raffiniert.

Unproblematischer Anbau

Für Jean Botti, Chef-Entwickler beim Europäischen Luft- und Raumfahrt-Konzern EADS, wiegen die Vorteile des Biosprits schwer: „Die Energiedichte des Algentreibstoffs ist höher als die von Soja und sogar als die von Kerosin.“

Selbst der Anbau wäre vergleichsweise unproblematisch, wie eine Berechnung des US-Flugzeugherstellers Boeing zeigt: Die Brutreaktoren, die für die Produktion gebraucht werden, können fast überall stehen, auf nicht genutzten Industrieflächen, auf Fabrikdächern, ja, sogar in der Wüste. Hauptsache, sie haben Sonne.

Dass der Algentreibstoff Verbrennungsmotoren kurzfristig nicht schadet, hat Airbus im Juni erst gezeigt: Auf der Internationalen Luftfahrtmesse in Berlin startete das Kleinflugzeug Diamond DA42 NG, dessen Motor reinen Algensprit verbrannte. „Das ist ein starkes Signal der Branche“, frohlockt Botti.

Von Uraltflieger Junkers Ju 52 bis zum modernen Superjumbo Airbus A380 – praktisch alle Fluggeräte könnten sofort mit dem Algentreibstoff fliegen.

Doch es gibt noch zwei Probleme: Die Ingenieure sind sich noch nicht sicher, ob der grüne Sprit auch langfristig ablagerungsfrei in herkömmlichen Triebwerken verbrannt werden kann. Zudem verbrauchen Flugzeuge weltweit jährlich rund 200 Millionen Tonnen Kerosin. Die Jahresproduktion von Algenöl, das bisher vor allem in der Kosmetik-, Tierfutter- und Nahrungsmittelindustrie verwendet wird, beträgt aber nur 5000 Tonnen.

Nur Wasser als Abgas

Was jetzt in homöopathischen Dosen im Labormaßstab hergestellt wird, muss künftig großtechnisch in Bioreaktoren produziert werden. „Das wird noch acht bis zehn Jahre dauern“, schätzt der Hamburger Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt.

Doch bis dahin bekommen die herkömmlichen Verbrennungsmotoren spätestens Konkurrenz – aus Stuttgart zum Beispiel. In einem nüchternen Betonbau des Instituts für Technische Thermodynamik des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) rotiert eine silberne schuhschachtelgroße Brennstoffzelle.

Es ist eine Brennstoffzelle, in der Wasserstoff mit Sauerstoff reagiert und elektrochemische in elektrische Energie umwandelt. Als Abgas entsteht dabei lediglich Wasser. Seit Jahrzehnten forschen Ingenieure an Möglichkeiten, diese Zelle als Antrieb für Autos zu nutzen, erste Modelle kommen gerade auf den Markt (siehe WirtschaftsWoche 31/2010).

Brennstoffzelle Antares-H3

Nun soll die Brennstoffzelle auch die Luftfahrt umweltverträglicher machen. Die DLR-Ingenieure wollen mit ihrem Experiment deshalb herausfinden, wie die Zelle auf Extremsituationen reagiert: Was passiert, wenn sie in die Tiefe stürzt? „Wir untersuchen, ob sie in einem Flugzeug in jeder erdenklichen Position funktioniert“, sagt Andreas Friedrich, Ingenieur und Leiter des Instituts.

Denn in wenigen Monaten steht der Zelle ihre große Show bevor: Sie soll den Testflieger Antares-H3, in dem gerade einmal Platz für den Piloten ist, über den Atlantik befördern. 6000 Kilometer Reichweite hat der Flieger und damit fast zehnmal so viel wie das Vorgängermodell. Zugleich ist die H3 das erste Brennstoffzellenflugzeug, das Lasten von bis zu 200 Kilogramm befördern kann.

Die DLR-Forscher profitieren bei der Produktion des grünen Fliegers vom Elektro-Hype der Autoindustrie. Die Batterie beispielsweise wurde von dem Autozulieferer Saft produziert, der auch die Autohersteller Mercedes und BMW beliefert.

Dreckschleuder Hilfstriebwerk

Der Brennstoffzellenantrieb wird allerdings zu Beginn Sportfliegern und Motorseglern vorbehalten bleiben. Für große Flieger wie das Mittelstreckenflugzeug A320 wären die Wasserstofftanks schlichtweg zu schwer.

Die nächste Generation des A320 jedoch, die voraussichtlich 2024 auf den Markt kommt, soll dennoch von der Brennstoffzellentechnik profitieren. Dort soll die saubere Zelle die sogenannte Auxiliary Power Unit (APU) ersetzen, die nach der Landung die Bordelektronik und die Klimaanlage am Laufen hält und vor dem Start die Triebwerke zündet.

Die Hilfstriebwerke sind wahre Dreckschleudern. So hat die Züricher Flughafengesellschaft in einer Studie herausgefunden, dass 20 Prozent der gesundheits- und umweltschädlichen Stickoxid-Emission an Flughäfen von diesen Triebwerken stammen.

„Weil die Brennstoffzelle aber noch teurer ist als die APU, muss sie mehr bieten“, sagt Friedrich. Doch das tut sie: Die Zelle produziert beispielsweise Wasser, das für Toiletten und Klimaanlagen genutzt werden kann. Die Gewichts- und damit Treibstoffersparnis durch diese Doppelfunktion wäre enorm: Der Superjumbo A380 nimmt auf jedem Überseeflug fünf Tonnen Wasser mit. Mindestens eine Tonne ließe sich mit der Brennstoffzelle einsparen, glaubt Friedrich.

Als Antrieb für Passagierjets wird sich vor der Brennstoffzelle zunächst eher der Hybridantrieb durchsetzen, eine Kombination aus Verbrennungs- und Elektromotor. Eine ähnliche Kombination ist in der Autoindustrie gerade schwer angesagt, etwa in Toyotas Mittelklassewagen Prius. Vor wenigen Wochen hat nun Boeing dem „Subsonic Ultra Green Aircraft Research“ (Sugar) gezeigt, wie ein Prius der Lüfte aussehen könnte: Das auffälligste Element des Fliegers sind seine langen und sehr dünnen Flügel. Sparsame Gasturbinen werden ergänzt durch Elektromotoren und Akkus, die ähnlich wie beim Prius beispielsweise beim Bremsen oder im Sinkflug gespeist werden.

Hybridantrieb Sugar

Was Boeing erst plant, haben zwei Unternehmen für ihre kleineren Flieger bereits verwirklicht: Der Sportflugzeughersteller Flight Design aus dem württembergischen Echterdingen will mit einem neuen Hybridmotor in der 180-PS-Klasse eine grüne Alternative zu den herkömmlichen luftgekühlten Flugzeugtriebwerken bieten, die den Markt dominieren.

Dazu wird von den schwäbischen Entwicklern ein bewährter flüssigkeitsgekühlter 115 PS starker Vierzylinder von Rotax, einer Tochter des kanadischen Unternehmens Bombardier, mit einem 40 PS leistenden Elektromotor gekoppelt. Diese Kombination verbraucht laut Oliver Reinhardt, Geschäftsführer Technik bei Flight Design, nur noch etwa 26 bis 28 Liter in der Stunde. Ein US-Motor vergleichbarer Leistung schluckt rund zehn Liter mehr.

Ähnlich funktioniert auch der Hybridhubschrauber, den die deutsch-französisch-spanische EADS-Tochter Eurocopter baut. Der Hubschrauber soll die lautstarken Flugphasen des Startens und Landens rein elektrisch und damit leise absolvieren. Zudem verfügt der Helikopter über einen einzigartigen Zweitakt-Dieselmotor. Die Superlibelle soll damit nur noch halb so viel Treibstoff verbrauchen wie heute übliche Fluggeräte.

Und selbst der größte Hype bei den Autoherstellern beginnt nun auch Luftfahrt-Ingenieure zu interessieren: Der Marktführer im Bereich kleinerer Propellerflugzeuge, der US-Konzern Cessna, will seinen Flugzeug-Klassiker vom Typ C172 bis Jahresende auch mit Elektroantrieb in die Luft zur Erprobung bringen. Allerdings: „Nur mit Strom kriegen wir einen 300 Tonnen schweren Flieger nicht in die Luft“, dämpft Lufthansa-Techniker Joachim Buse die Erwartungen. Für große Passagierflugzeuge sind die Batterien noch viel zu schwach.

Aber skeptisch waren auch schon die Gebrüder Wright: Die US-Flugpioniere haben nach ihrem ersten nur wenige Sekunden langen Flug Anfang des 20. Jahrhunderts auch verkündet, es werde sicher nie möglich sein, über den Atlantik zu fliegen.

Nur 50 Jahre später waren Maschinen im Linienbetrieb unterwegs.

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