Medizin Die Babymacher

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Die Hand eines Säuglings Quelle: dpa/dpaweb

Auch ohne Tumorbehandlungen kann heute etwa jedes sechste Paar auf natürliche Weise keine Kinder bekommen. Die Gründe dafür sind vielfältig: Neben verklebten Eileitern bei der Frau oder zu geringer Spermienproduktion beim Mann ist das Alter für Frauen der Fruchtbarkeitskiller Nummer eins. Die Zahlen sprechen für sich: Bei der Geburt haben Mädchen etwa eine Million Eizellen. Die Zahl sinkt auf etwa 300 000 bis zum Beginn der Pubertät und rund 25 000 im Alter von 37 Jahren. Mit 51 Jahren sind nur noch rund 1000 übrig.

Bleibt der Kinderwunsch unerfüllt, gibt es eine Reihe medizinischer Lösungen: Hormonbehandlung der Frau, um die Reifung möglichst vieler Eizellen auf einmal zu stimulieren, künstliche Befruchtung im Labor, Samen- und Eizellenspende und Leihmütter. Doch das deutsche Embryonenschutzgesetz zieht den 120 privaten und universitären Instituten einen engen Rahmen. Ihre Arbeit wird strenger reguliert als die der Kollegen in den Nachbarländern. So dürfen nur drei Embryonen in der Petrischale geschaffen werden, jedoch ohne sie vorher auf Erbkrankheiten oder Eigenschaften wie Geschlecht oder Augenfarbe zu untersuchen.

Trotz dieser Einschränkungen kamen 2008 in Deutschland knapp 13 000 Kinder nach einer Reagenzglasbefruchtung auf die Welt. 2009 waren es nach einer Schätzung von Wolfgang Dahncke vom Deutschen In-Vitro-Fertilisations-Register 13 200 Kinder. Ein Grund für den Erfolg: Weil der Embryo in Deutschland für jegliche Untersuchungen tabu ist, haben Forscher sich darauf konzentriert, die Eizellen ganz genau zu checken.

Fehlversuche als Belastung

Der Biologe Markus Montag ist einer von denen, die für den Kindersegen sorgen. Er weiß, was Eizellen brauchen. Montag leitet das Labor für künstliche Befruchtung der Universitätsklinik Bonn, wo Eizellen gewonnen und untersucht werden. Montag wählt von Frauen, die schwanger werden wollen, die besten aus. Er ist eine Art Eizellen-TÜV. Je älter eine Frau ist, desto wichtiger ist es, die Eizellen sorgfältig zu untersuchen. Dazu lenkt Montag den Lichtstrahl eines Stereo-Mikroskops auf eine einzelne Eizelle. Deren Hülle, die sogenannte Glashaut, wirft das Licht zurück. Aus der Art und Weise, wie das Licht reflektiert wird, kann Montag ermitteln, wie die Hülle aufgebaut ist. Ein spezielles Computer-Programm setzt die Messwerte in farbige Bilder um. Je regelmäßiger die Hülle ist, desto größer die Chance, dass aus der Eizelle nach der Befruchtung ein Embryo entsteht.

Eizellen weisen zudem viel häufiger genetische Fehler auf als die männlichen Spermien. Deshalb setzt hier die Polkörperdiagnostik ein, die die Gene der weiblichen Eizelle untersucht. Dazu saugt der Arzt unter dem Mikroskop mit einer Glaspipette die Polkörperchen der Eizelle ab. Diese enthalten überzählige Chromosomen, die bei der Reifeteilung entstehen, der letzten Teilung auf dem Weg zur Keimzelle: Hier wird der doppelte Chromosomensatz auf den einfachen Satz reduziert. An der Zahl der übrig gebliebenen Chromosomen in den Polkörperchen lässt sich ablesen, ob bei der Verteilung des Erbguts Fehler passiert sind, ob etwa ein Chromosom doppelt in der Keimzelle ist. Das führt nach der Verschmelzung mit der Samenzelle zu Trisomien, Verdreifachungen von Chromosomen, die oft zu schwersten Behinderungen führen. So lassen sich mit der Polkörperuntersuchung die Schwangerschaftsraten zwar nicht direkt erhöhen. Doch die Zahl der Fehlversuche reduziert sich – und die sind für jede Frau mit Kinderwunsch eine enorme Belastung.

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