Medizin Wunschkind aus Spanien

Das erzkatholische Spanien hat eines der liberalsten Gesetze zur Reproduktionsmedizin in Europa. Eine Vielzahl von Kinderwunsch-Kliniken locken deutsche Paare mit Techniken die im Heimatland verboten sind.

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In Spanien wird vielen Quelle: dpa

Spanien ist für viele Deutsche mit Fruchtbarkeitsproblemen die erste Wahl. Wie Ruth Schmieder  (Name geändert) kennen sie es aus den häufigen Urlaubsreisen nach Mallorca oder an die Küste oder besitzen sogar ein Ferienhaus. Schmieder sprach aus beruflichen Gründen sogar sehr gut Spanisch,  als sie mit der Behandlung begann.  „Das ist bei dieser psychologisch schwierigen Behandlung wichtiger als man glaubt.“

Außerdem: In Deutschland ist eine Eizellenspende verboten, im erzkatholischen Spanien dagegen nicht, das war für die unfruchtbare Schmieder entscheidend bei der Wahl der Klinik „Zwar ist das Land immer noch sehr traditionell, dennoch verfügt es seit Jahren über einer der liberalsten Biomedizingesetze“, erklärt die Italienerin Elisabetta Ricciarelli von der Reproduktionsklinik FIV Madrid. Das habe dazu geführt, dass es inzwischen über 200 auf künstliche Fortpflanzung (In-Vitro-Fertilisation, IVF) spezialisierte Kliniken gibt, die meisten davon in der spanischen Haupstadt Madrid, Barcelona und Valencia. Und demnächst auch auf Mallorca.

Der dort niedergelassene deutsche Arzt Peter Hermann will von der sehr guten gesetzlichen Lage in Spanien profitieren, das gilt auch für den Patienten- und Spendenschutz: „Hier sind Eizellenspenden anonym und es ist auch klar, dass sich eine Ausländerin nicht strafbar macht, weil nach dem spanischen Gesetz nur die austragende Mutter ein Recht und auch die Verantwortung für das Kind hat. In keinem anderen Land sind Spenderin und Empfängerin so gut abgesichert.”

Zudem dürfen in Spanien Embryonen eingefroren, nicht überlebensfähige Embryonen getötet werden, was die passive Selektionsmethode ermöglicht, das heißt nur die überlebensfähigsten Embryonen werden eingesetzt. Bis zu sieben Eizellen kann man für die Entwicklung eines Embryo verwenden, drei Embryos können in die Gebärmutter eingepflanzt werden. Für Hermann, der seit Jahren in Spanien in der Reproduktionsmedizin in verschiedenen Kliniken arbeitet, ein ganz wichtiger Schritt zur behaupteten Erfolgsquote: „Im Bereich IVF mit eigenen Eizellen kann man davon ausgehen, dass durch die besseren passiven Selektionsoptionen von Embryonen und durch die Erfahrung der hiesigen Labors Schwangerschaftsraten im Bereich von 50 bis 60 Prozent je Transfer erreicht werden. Davon sind maximal 17 Prozent Aborte. Die „baby take home“-Rate liegt also bei ca. 40 Prozent. Im Vergleich zu Deutschland, wo diese Rate 16 Prozent erreicht, ist das ein gewaltiger Unterschied,“ glaubt Hermann.

Und auch mit der Moral sind die Spanier gelassener als die Deutschen. Auch Singles können ihren Mutterwunsch verwirklichen. Seit 2006 wird sogar die Adoption von Embryonen in spanischen Kliniken praktiziert. Rund 200 Paare nehmen dieses Angebot in Spanien jährlich wahr, die Hälfte davon sind Ausländer, vor allem Deutsche und Briten, die damit nicht selten einen Urlaub verbinden. In Deutschland kennt man vor allem das private Klinikzentrum Instituto Bernabeu, das verschiedene Niederlassungen an der valenzianischen Küste besitzt sowie das Instituto Valenciano de Infertilidad (IVI). Hier verbinden Patientinnen nicht selten die Behandlung mit Urlaub in Alikante oder Bernidorm, spanienweit werden in den angeschlossenen Kliniken mit Abstand die meisten internationalen Paare behandelt. Schon auf der Webseite kann man im internationalen Bereich zwischen sechs Sprachen wählen. Im vergangenen Jahr wurden im Instituto Bernabeu 2000 künstliche Befruchtungszyklen absolviert, 42 Prozent der Patienten waren Ausländer, die meisten kamen aus dem deutschsprachigen Raum. 

Auch das private Instituto Valenciano de Infertilidad ist sehr bekannt in Deutschland, es ist eindeutig die größte spanische Klinik in diesem Bereich. Hier werden jährlich rund 19 000 Behandlungen unternommen, um eine Schwangerschaft zu erzielen. Auf der Internetseite werben sie damit, dass von 100 Patientinnen 52 schwanger werden. Dennoch wollte die 37jährige Schmieder dort nicht hin, als sie erfuhr, dass sie unfruchtbar ist: „Ich wollte so etwas Wichtiges nicht mit einem Urlaubsfeeling vermischen. Mir waren die Professionalität der Klinik und die Diskretion viel wichtiger.“ Aber Hermann weist auf einen wichtigen Vorteil dieser Urlaubs-Standorte hin: „In den stark besiedelten Küstenorten haben wir ein enorm großes Angebot an unterschiedlichen Eizellenspendern.“ Im Sommer verdoppeln sich hier in dem meisten Städten die Einwohnerzahlen, viele davon sind Einwanderer oder Ferienhausbesitzer. Damit hat man Zugriff auf genetische Eigenschaften wie blaue Augen und blonde Haare, die normalerweise in einer spanischen Stadt nicht verfügbar sind. Die Wartezeiten für die Patientinnen, viele davon Ausländer, sind geringer. Auch ein Grund, warum Hermann plant, die erste Klinik in diesem Bereich auf Mallorca zu eröffnen, der Lieblingsinsel der Deutschen.

Für Schmieder wäre eine Klinik an der Küste jedoch nicht in Frage gekommen: „Ich wollte die Urlaubsstimmung gerade nicht. Sie erkundigte sich und gelangte auf indirekte Empfehlung von einem deutschen Arzt nach Barcelona, in die Klinik Dexeus, eine der renommiertesten Adressen in Sachen Reproduktionsmedizin in Spanien.

Hier wurde vor 25 Jahren die erste erfolgreiche spanische Invitro-Schwangerschaft eingeleitet. „Wir legen sehr viel Wert auf die Vorgespräche mit den Patienten und nehmen eine detallierte Untersuchung vor”, sagt die in Deutschland studierte Gynäkologin Ana Chueca. Für die Eizellenspenderinnen gelten klare gesetzliche Regeln, darunter unter anderem, das sie keine Rechte an dem Kind hat, was aus ihrer Eizelle entsteht und sie anonym bleibt. Dexeus hält sich kleinlichst an die Vorgaben des suchenden Paares. Ist nach vielen Gesprächen jemand gefunden, kann alles sehr schnell gehen für die Empfängerin.

Und genau das war es, was Schmieder von Anfang an gefiel: „Professionalität und Pragmatismus.“ Der Preis habe bei der Standortwahl nie eine Rolle gespielt: „Dafür ist mir meine Gesundheit zu wichtig.“ Ihr war schnell klar, dass Spanien im europäischen Vergleich nicht die billigste Adresse ist. Dexeus, wo bereits 8000 Kinder durch künstliche Befruchtung gezeugt wurden, gehört sogar eher zu den teureren Kliniken, verfügt über einen eigenen Vip-Bereich und eine sehr individuelle Betreuung. Die gesamte Behandlung mit Eizellenspende und Befruchtung hat Schmieder rund 8000 Euro gekostet, in anderen spanischen Kliniken ist es billiger.

8000 Euro für die gesamte Behandlung

Dafür ist die Deutsche aber auch direkt beim ersten Mal schwanger geworden: „Ein enormes Glück, dass ich diese Hormonbehandlung nicht noch einmal durchmachen mußte.“ Nur noch zwei Monate dann kommt ihr erstes Kind auf die Welt: „Man steht sehr stark unter Druck, wenn man Bescheid bekommt, dass eine Spenderin gefunden wurde und dann – wie diese Frau auch – mit starken Hormonen auf die Spende vorbereitet wird. Es nicht sicher, dass die Behandlungen anschlagen und die Befruchtung durchgeführt werden kann. Als es dann klar war, dass es zur Punktion kommen kann, waren wir froh, dass wir in Barcelona ein eigenes Appartment von der Klinik vermittelt bekommen haben, wo wir es uns einigermaßen wohnlich einrichten konnten”, sagt Schmieder.

Aber nicht nur die Professionalität von Kliniken wie Dexeus und detaillierte Gesetzgebung haben das Land in Sachen künstlicher Fortpflanzung nach vorne gebracht, auch die Spanierinnen, die ihren Lebensstil drastisch geändert haben. „Heutzutage will hier doch kaum jemand vor 35 Jahren Kinder haben“, sagt die Madrider Ärztin Ricciarelli von de Klinik FIVMadrid. Deswegen gehört die Geburtenrate des früher kinderreichen Landes inzwischen zu der niedrigsten der Welt.

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