Motor der Fortschritts Ingenieurdienstleister: Verschwiegene Branche

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Der Trend wird anhalten, ist sich Eurocopter-Entwicklungsleiter Schwer sicher. Der Hubschrauber-Hersteller beschäftigt neben seinen eigenen 2000 Entwicklern heute schon ständig zusätzlich rund 600 Ingenieure von Dienstleistern – das entspricht einem Anteil von 30 Prozent. „Wir erwarten einen Anstieg der Outsourcing-Quote auf bis zu 50 Prozent in einigen Engineering-Bereichen“, prophezeit Schwer. Ferchau entwickelt für die EADS-Tochter unter anderem Hubschrauberzellen und -rümpfe. Schwer erwartet, dass die Dienstleister Aufträge zunehmend vorfinanzieren und sie auf eigenes Risiko abwickeln. „Wir stehen unter enormem finanziellen Druck, da wird es wichtig, Risiken zu teilen.“

Brunel-Chef Siebeneich reagiert auf solche Forderungen mit gemischten Gefühlen. „So etwas kann uns schnell überfordern. Damit wäre am Ende niemandem gedient.“ Gerade erst haben die Bremer die Zusammenarbeit mit Airbus aufgekündigt, weil deren Geschäftsgebaren, so Sieben-eich, an das des einstigen VW-Einkaufschefs Ignacio López erinnert. Der rang den Zulieferern des Wolfsburger Autokonzerns Mitte der Neunzigerjahre brutale Preiszugeständnisse ab. „So etwas kann nicht gut gehen, da werden Projekte ruiniert.“

Dabei zeigt sich Brunel durchaus experimentierfreudig. Als erster Ingenieurdienstleister haben die Bremer Kompetenzzentren gegründet, in denen sie nicht nur Aufträge abwickeln, sondern neue technische Lösungen auf eigenes Risiko bis zur Serienreife entwickeln. Siebeneich: „So bekommen wir die komplette Entwicklungs- und Wertschöpfungskette in die Hand.“

In Hildesheim übernahmen sie 2003 vom schwedischen Telekommunikationskonzern Ericsson dessen Entwicklungszentrum für DSL- und ISDN-Übertragungstechnik (Brunel Communications). Vor drei Jahren stiegen die Hansestädter im Harz in ein auf Maschinen- und Motorenbau sowie Elektronik spezialisiertes ehemaliges Forschungsinstitut der DDR ein (Brunel IMG). Weitere Kompetenzzentren kümmern sich um Automatisierung, Autos, Software und Verkehrstechnik.

Ingenieurdienstleister: Wahre Jobmaschinen

Ein vielversprechendes Projekt ist ein Hybrid-Antrieb, bei dem ein kompakter Dieselmotor den Strom für den elektrischen Antrieb erzeugt. Er macht Schienenfahrzeuge unabhängig von der Stromversorgung durch eine Oberleitung. Breite Einsatzmöglichkeiten sehen die Brunel-Ingenieure aber auch in Booten, Flugzeugschleppern und Militärfahrzeugen. In drei Siemens-Straßenbahnen, die zwischen Nordhausen und dem Harzer Kurort Ilfeld verkehren, beweist die Technik seit 2004 ihre Praxistauglichkeit. In Nordhausen werden die Bahnen per Oberleitung mit Strom versorgt, auf der Strecke nach Nordhausen vom Dieselgenerator an Bord.

Ein optisches Netzwerk zur Signal- und Datenübertragung, das in Flugzeugen, Autos und Schiffen den Kabelsalat ablösen könnte, und ein Nanomaterial, das elektromagnetische Störungen empfindlicher Schaltkreise und Geräte verhindert, sind weitere Glanzlichter aus den Brunel-Labors. Auf einer Bestückungslinie fertigen die Bremer sogar kundenspezifische elektronische Bauteile selbst.

Auch die Rivalen bündeln ihr wachsendes Know-how in Geschäftsbereichen. „So können wir noch flexibler und schneller auf Kundenanforderungen reagieren“, erläutert Frank Ferchau. In Saarbrücken hat sich der Ingenieurdienstleister mit der Hochschule für Technik und Wissen zusammengetan. RLE International aus Köln sucht mit einem hydrostatischen Wandler für Windkraftanlagen, der das übliche Getriebe zwischen Rotorwelle und Generator ersetzt, den Einstieg in den lukrativen Markt für erneuerbare Energien.

Zusätzlichen Schwung hat das Anfang 2004 geänderte Arbeitnehmerüberlassungsgesetz der Branche gebracht. Seither dürfen die Entwicklungsdienstleister ihre Experten unbefristet an Kunden ausleihen. Solche Kontinuität war für Andreas Knitter, Vorsitzender der Geschäftsführung des Schienenfahrzeugherstellers Alstom LHB in Salzgitter, Voraussetzung dafür, die Verantwortung für Baugruppen wie Verkabelung, Verkleidung und Bremspneumatik komplett an Euro Engineering zu übertragen. „Das geht nur, wenn wir dauerhaft vertraute Ansprechpartner haben.“

Auch die Rekrutierung von qualifizierten Fachkräften fällt der Branche leichter, seit sie das Image von Kurzzeit-Engagements los ist. Die Vielfalt der Aufgaben und eine hohe Eigenständigkeit der Mitarbeiter in den Projekten haben die Dienstleister im Gegenteil zu begehrten Arbeitgebern gemacht. Brunel-Chef Siebeneich konnte sein Personal im vergangenen Jahr aus mehr als 20 000 Bewerbern auswählen. „Wir haben uns einen guten Ruf erarbeitet, andere trifft der Ingenieurmangel weitaus härter.“

Zum Beispiel den Mittelstand. Sieben-eich erwartet von dort verstärkt Aufträge. „Ohne unsere Hilfe können die ihre Auftragsflut gar nicht bewältigen, dafür sind ihre Entwicklungsressourcen viel zu begrenzt.“ Im eigenen Haus will er die Expansion mit unvermindertem Tempo vorantreiben. Seine Motto: „Brunel wird erwachsen, aber nicht vernünftig.“

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