Orgelbau Klangzauberer

Der Bonner Familienbetrieb Klais baut Orgeln für die größten Kirchen-und Konzertsäle der Welt.

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Ein schönes Graffiti ziert die Außenwand der Werkstatt von Orgelbauer Philipp Klais

Am Anfang steht das Hören. Wenn der Bonner Orgelbauer Philipp Klais eine neue Orgel plant, schaut er sich als erstes den Konzertsaal oder die Kirche ganz genau an, die das Instrument später einmal mit seinem mächtigen Klang erfüllen soll. Klang und Intonation der Orgel müssen exakt auf die Raumakustik abgestimmt sein. Das ist die Kunst, die die Großen der Branche vom Durchschnitt unterscheidet. Klais beherrscht sie. Das hat ihn zu einem der gefragtesten Orgelbauer auf der Welt gemacht.

„Am besten ist es, wenn ich den Raum nachts alleine für mich habe“, sagt der 40-Jährige. „Ich klatsche in die Hände und höre, wie der Schall zurückkommt. Noch besser ist es zu singen.“ So wandert er von Ecke zu Ecke, klatscht und singt, um die „Seele des Raums“ zu erspüren. „Das Hören ist das Wichtigste für einen Orgelbauer“, sagt Klais.

Aber nicht alles. Wer heute eine Spitzenorgel bauen will, muss ebenso handwerklich perfekt sein und modernste Technik integrieren. Klais hat den Dreiklang hinbekommen. Seine Orgeln erklingen in den Philharmonien von Sankt Petersburg, Krakau in Polen und dem japanischen Kyoto, sie sind im Kölner Dom und im Megaron-Konzertsaal der Petronas Towers im malaysischen Kuala Lumpur zu hören, und seit Ende vergangenen Jahres im chinesischen Nationaltheater in Peking. Sie setzen dort auch gestalterisch unübersehbare Akzente. Fünf Millionen Euro setzte der 125 Jahre alte Familienbetrieb zuletzt um. Klais und seine 65 Mitarbeiter sind auf Monate hinaus ausgelastet.

Klais ganze Konzentration gilt dieser Tage einer reizvollen Aufgabe. Ende Februar bekam er den heiß begehrten Auftrag, eine moderne Konzertorgel für die neue Elbphilharmonie in Hamburg zu bauen. Klais setzte sich dabei gegen fünf internationale Konkurrenten durch. Das 24 Tonnen schwere Kunstwerk wird mit mehr als 4000 Pfeifen ausgestattet sein.

Die besondere Herausforderung: Die Bonner müssen den perfekten Klang diesmal kreieren, ohne sich vorher einen Eindruck von der Raumakustik verschaffen zu können. Denn mit dem Bau der Elbphilharmonie, die spektakulär auf einem alten Hafenspeicher aufsitzt und zu den zehn weltbesten Konzertsälen gehören soll, wurde gerade erst begonnen. Um so sorgfältiger planen sie die Orgel bis ins kleinste Detail am Rechner. Mit seiner Hilfe, davon sind sie überzeugt, kommen sie den späteren realen Verhältnissen ganz nahe.

Klaus Flügel ist einer der Männer am Computer. Die Bezeichnung Orgeldesigner hört er ungern. „Wir sind hier bis auf die Finanzchefin und die Sekretärin alle Orgelbauer und Schreiner“, betont er. In Flügels Büro hängen große Konstruktionszeichnungen, das Ergebnis monatelanger Feinarbeit. „Die Hamburger Elbphilharmonie stellt mit ihren ineinander fließenden Balkonen und Emporen eine besondere Herausforderung dar“, sagt Flügel. Auch deshalb hat er einen dreidimensionalen Rundgang durch die Hamburger Orgel am Rechner gebaut, damit sich deren Dimensionen tontechnisch besser erfassen lassen. In rund zwei Jahre soll sie erstmals live erklingen.

Vorher schlägt die Stunde der Handwerker. Das Unternehmen, das seinen Sitz im Bonner Stadtteil Castell unweit des Geburtshauses von Beethoven hat, fertigt alles selbst: Die Pfeifen aus Zinn oder Holz, die Spieltische, die Tasten und sogar die Schnitzereien. Philipp Klais ist auf diesem Gelände groß geworden. Er kennt jede Ecke des verwinkelten Backsteinkomplexes. Das Haus, das Philipps Urgroßvater vor mehr als 125 Jahren gebaut hat, ist seit jeher Werkstatt und Wohnhaus in einem.

Und es ist ein Paradies für jeden Orgelliebhaber: Im Inneren riecht es nach Holz und Leder, das für die Erneuerung abgenutzter Bälge verwendet wird. Die Restauration alter Instrumente ist das zweite Standbein des Familienunternehmens. In den Werkstätten wird gehobelt, gesägt und geschleift. Unter einem Schild mit der Aufschrift „Pfeifenwerkstatt“ haben Mitarbeiter Schwarz-Weiß-Fotos von sich aufgehängt. Die Selbstironie ist kein Ausdruck von Lässigkeit oder gar Nachlässigkeit. Jeder hier geht hochkonzentriert ans Werk. Denn sie wissen: Perfekt klingt die Orgel am Ende nur, wenn sie hier Präzisionsarbeit leisten.

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