Outdoor-Navigation Moderne Pfadfinder

Nach dem Armaturenbrett erobern elektronische Wegweiser jetzt Rucksack und Fahrradlenker. Das Geschäft mit Outdoor-Navis für Wanderer, Radler und Freizeitsportler boomt.

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Wald und Wiese.

Wenn er mit dem Mountainbike auf Tour geht, macht Robert Helgerth keine Kompromisse. Konsequent hat der Chef des europäischen Mittelstands- und Partnergeschäfts beim Softwareriesen Microsoft sein Geländerad auf Karbon-Leichtbauteile umgerüstet. „Da zählt jedes Gramm“, sagt der passionierte Biker, der gerade erst von einer Alpenquerung auf Offroad-Pfaden zurückgekehrt ist. Doch seit diesem Frühjahr macht der 53-jährige Softwaremanager zumindest eine Ausnahme bei der Zweirad-Diät: Auf dem Lenker weist ein digitaler Routenführer des Navi-Spezialisten Garmin den Weg über Stock und Stein.

Schnell wachsender Markt

Helgerth ist in bester Gesellschaft. Denn Deutschlands Feld-, Wald- und Wiesen-Freunde begeistern sich gerade zu Abertausenden auch abseits asphaltierter Wege für die Assistenz sogenannter Outdoor-Navis und das darin elektronisch gespeicherte Wegenetz. Vorbei die Zeiten, in denen sich allenfalls Expeditionsteilnehmer oder Extremsportler in Urwald, Hochgebirge oder Eiswüste mithilfe spezieller Navis orientierten. Mit neuen, für die Anforderungen von Wanderern, Radlern oder Sportlern optimierten Routenführern erschließen die Hersteller jetzt den rasch wachsenden Freizeitmarkt.

Dabei orientieren sich die aktuellen, je nach Ausstattung zwischen 200 und 600 Euro teuren Geräte für die digital geprägte Freizeitgesellschaft in Design und Bedienkonzept immer stärker an den Trends aus Autonavigation und Handybranche.

Umsatzeinbruch für TomTom

Große Farbbildschirme gehören bei den neuen elektronischen Führungskräften ebenso zur Grundausstattung wie die vom Smartphone gewohnte Steuerung der Technik per Fingerstreich übers berührungsempfindliche Display. Allerdings sind die Wegweiser bedeutend stabiler und ausdauernder als die zunehmend auch mit GPS-Sensoren ausgerüsteten Handys.

Die wildern damit, gestützt auf Wegweisersoftware aus dem App-Store, immer stärker im Markt der Nachrüst-Routenführer fürs Auto. Darunter leiden speziell Gerätehersteller, die bisher primär auf die Fahrzeugnavigation setzten. Der europäische Branchenprimus TomTom etwa musste für das zweite Quartal 2011 einen Umsatzeinbruch von 13 Prozent auf 314 Millionen Euro vermelden.

Bei US-Marktführer Garmin dagegen, der seit Jahren auch Outdoor-Geräte vertreibt, lieferte das Segment „Outdoor and Fitness“ laut dem Marktforschungsunternehmen ABI Research 2010 schon 27 Prozent des operativen Ergebnisses. Im zweiten Quartal 2011 wuchs der Umsatz der Sparte um weitere rund 25 Prozent.

Nicht nur Navigationsgeräte, Quelle: AP

Den geländegängigen Geräten dagegen droht vorerst kaum ernsthafte Konkurrenz aus dem Handylager. Denn die teuren Taschentelefone sind für Offroad-Touren, bei denen Matsch und Regen drohen, denkbar ungeeignet. Outdoor-Navis wie etwa das TwoNav Sportiva mit seinem Spritz- und Staubschutz dagegen trotzen mindestens Dreck und Spritzwassergüssen. Teurere Modelle wie das Magellan Explorist 710 überstehen sogar kurze Tauchgänge in Pfützen oder Bächen. Und dank schlagfester, vielfach sogar gummierter Geräteschalen sowie versenkter Displays hinterlässt auch ein versehentlicher Sturz aus der Hand oft nicht mehr als eine Macke im Gehäuse. Da wäre das Handy längst ein Fall für die Versicherung.

Vor allem aber halten die Spezial-Navis mit acht bis zehn Stunden pro Batterieladung deutlich länger durch als Smart‧phones. Die machen im für Positionsbestimmung erforderlichen GPS-Betrieb oft schon nach zwei bis drei Stunden schlapp – lange bevor die Tagesetappe erwandert oder der Pass mit dem Rad bezwungen ist.

Keine Angst vor Tauchgängen

Sogenannte transflektive Displays sorgen bei den Outdoor-Navis außerdem dafür, dass die Geräte auch in gleißendem Sonnenlicht zumeist ein gut erkennbares Kartenbild liefern. Möglich machen das spezielle Beschichtungen, die nicht nur das Spiegeln verhindert, sondern das Licht auch von der Displayrückseite zurückwerfen. So kann der Nutzer Karteninhalte zumeist auch im Stromsparmodus erkennen, also ohne Hintergrundbeleuchtung.

Hinzu kommt, dass die Geräte standardmäßig mit Höhenmessern ausgestattet sind und zudem Satellitenempfänger besitzen, die weit empfindlicher sind als jene der GPS-Handys. Damit lassen sich nicht nur wesentlich exaktere Weg- und Höhenprofile aufzeichnen. Die Wegpeilung klappt auch noch in engen Tälern oder beispielsweise unter Lawinenverbauungen.

Vorausgesetzt, im Gerät ist die passende Karte installiert. Denn mancher Hersteller liefert seine Einstiegsmodelle nur mit groben Übersichtskarten aus oder verzichtet ganz auf vorinstallierte Wegenetze. Dann muss der Nutzer die Datensätze zu Preisen ab rund 50 Euro nachträglich dazukaufen.

Mittelklasse-Navis der Preisklasse ab etwa 350 Euro dagegen haben zumeist ordentliche Basiskarten an Bord, die neben Wander- und Radwegen auch akkurate topografische Angaben enthalten.

Die einfachere Version, sogenannte Rasterkarten, ähnelt eingescannten Landkarten klassischen Typs und ermöglicht es, den aktuellen Standort und die Richtung zum Ziel anzuzeigen. Liegen die Informationen in Form sogenannter Vektorkarten vor, kann sich der Naturfreund sogar ähnlich komfortabel führen lassen, wie das bei Auto-Navis seit Jahren Standard ist.

Auf den hochauflösenden Bildschirmen weisen dann Wegmarkierungen, teils sogar Sprachanweisungen die Richtung. Gute Geräte haben zudem Profile, mit denen der Gerätebesitzer dem Outdoor-Navi mitteilt, ob er es lieber eher geruhsam oder sportlich mag. Entsprechend wählt das Programm dann Route und Höhenprofil aus.

Neben aus der Fahrzeugnavigation bekannten Geodatenriesen wie der Nokia-Tochter Navteq oder dem TomTom-Ableger TeleAtlas liefern auch Landesvermessungsämter oder andere Institutionen das Material zu. Speziell für Radler konzipierte Geräte wie das Falk Ibex 30 haben so beispielsweise einen optimierten Kartensatz des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs vorinstalliert.

Anders als die Geräte fürs Auto unterstützen die Outdoor-Modelle vielfach die Installation zusätzlicher – oft sogar kostenlos angebotener – Karten aus dem Internet. Online-Projekte wie www.openstreetmap.org, bei dem Tausende Freiwillige weltweit mit GPS-Geräten detaillierte Karten in Form einer Art Wikipedia für Geodaten zusammenstellen, liefern dann das Material.

Gratisrouten aus dem Netz

Viele Gelände-Navis sind zudem in der Lage, aufgezeichnete Wander- oder Fahrradrouten zu exportieren und fremde Routenprotokolle im GPX-Datenformat einzulesen. Und so findet auf spezialisierten Online-Portalen wie GPSWandern.de oder WegeundPunkte.de inzwischen ein aktiver Austausch interessanter Routen statt, die Outdoor-Fans anderen Nutzer zum Download anbieten.

Damit allerdings ist die Flexibilität der meisten Freizeitgeräte erschöpft. Garmin hat seinem Modell Oregon 550t zwar noch eine integrierte Kamera spendiert. Doch einen App-Store mit Zusatzprogrammen zum Nachladen, wie er bei Smartphones Standard ist, bietet bisher kein Hersteller.Outdoor-Enthusiasten wie Microsoft-Manager Helgerth findet das richtig: „Das Navi soll mir verlässlich den Weg weisen. Die Verwaltung von Büroterminen oder Geschäftsadressen sollen Windows-Phone & Co. übernehmen.“

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