Pest-Erreger Massengrab bringt Forscher auf die Spur des Schwarzen Todes

Lange haben Wissenschaftler über den tatsächlichen Erreger der mittelalterlichen Pest-Epidemie gerätselt. Jetzt kamen sie dem Schwarzen Tod auf die Spur - in einem mittelalterlichen Massengrab in London.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Die elektronenmikroskopische Aufnahme zeigt das Pestbakterium Yersinia pestis, Auslöser der größten Seuche der Menschheitsgeschichte mit bis zu 75 Millionen Toten. Quelle: handelsblatt.com

Die Bakterien, die im 14. Jahrhundert als „Schwarzer Tod“ Angst und Schrecken verbreitet haben, waren tatsächlich Pesterreger. Das bestätigen nun genetische Untersuchungen an Keimen aus einem mittelalterlichen Massengrab in London. Forscher um Johannes Krause von der Universität Tübingen hatten Gen-Spuren an Knochen und Zähnen von Toten untersucht, die dort während der Pest im 14. Jahrhundert beigesetzt worden waren.

Von 1347 bis 1351 erlagen dem Schwarzen Tod, der als bislang tödlichste Epidemie in die Geschichte einging, bis zu 75 Millionen Menschen – mehr als ein Drittel der damaligen europäischen Bevölkerung. Seit längerem vermuten Forscher schon, das die Seuche auf das Konto des Bakteriums Yersinia pestis ging.

Der gängigen Theorie nach verursachte Yersinia in Form von drei ähnlichen Stämmen seit der Antike drei Wellen tödlicher Epidemien: die mittelalterliche, verursacht vom Bakterienstamm „Medievalis“, war die zweite, ihr voraus ging durch den Stamm „Antiqua“ die Justinianische Pest von 541 n. Chr. Schließlich starben durch die Variante „Orientalis“ auch im 20. Jahrhundert in Asien wieder Tausende in einer bislang letzten großen Welle. Auch heute noch fordert die Krankheit jährlich 100 bis 200 Opfer.

Die Theorie einer kontinuierlichen Wiederkehr ein und desselben Erregers in Form ähnlicher Varianten ist allerdings umstritten. So passen etwa die im Mittelalter beschriebenen Symptome, der Ausbruchszeitpunkt und der Krankheitsverlauf in manchen Punkten nicht zu der modernen Pest.

Gefährliche Nachkommen

Manche Wissenschaftler vermuteten deshalb nicht ein subtil verändertes Pestbakterium, sondern einen ganz anderen Erreger hinter den historischen Ausbrüchen. Schon vor Jahren war daher der Versuch unternommen worden, Reste von Yersinia pestis an Pestopfern aus dem Mittelalter nachzuweisen. Inwieweit dies tatsächlich gelungen ist, blieb aber unklar, da es immer wieder Kritik an den Methoden der untersuchenden Forscher gab.

Krause und seine Kollegen nutzten jetzt neue, sehr genaue Möglichkeiten der Erbgutanalyse, um erneut nach den Pesterregern zu fahnden. Dazu untersuchten sie Genspuren an 53 Knochen und 46 Zähnen von Opfern des Schwarzen Tods, die 1348 bis 1350 in der Frühphase der Epidemie auf dem Londoner Friedhof East Smithfield bestattet worden waren. Zum Vergleich analysierten sie auch Skelette von nicht an der Pest gestorbenen Zeitgenossen.

Tatsächlich gelang es dem Team, die für den Pesterreger typische Basensequenz des damaligen Bakterienstamms zusammenstellen. Ein Vergleich mit der bekannten Sequenz ergab dann, dass die Londoner Opfer des Schwarzen Tods tatsächlich durch die Medievalis-Biovar von Y. pestis zu Tode gekommen waren.

In Details weichen die Gensequenzen aber voneinander ab, so die Forscher weiter: Womöglich handelte es sich bei der mittelalterlichen Pest also um einen Vorläufer des heutigen Medievalis-Stamms des Pest-Erregers. Der Schwarze Tod des Mittelalters, so das Fazit der Wissenschaftler, könnte demnach mittlerweile selbst ausgestorben sein. In jedem Fall hat er aber gefährliche Nachkommen hinterlassen.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%