Prognosebörsen sagen die Zukunft voraus Orakel aus dem Internet

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Mit Wunschdenken habe die Prognosebörse nichts zu tun: „Nicht die persönliche Meinung eines Händlers ist gefragt, vielmehr wird er für eine möglichst realistische Einschätzung der Situation belohnt“, sagt der Karlsruher Forscher Christof Weinhardt. Dahinter steckt die Idee von der „Intelligenz der Masse“. Schon vor hundert Jahren entdeckte der Wissenschaftler Francis Galton dieses Phänomen auf einer westenglischen Viehmesse. Besucher der Messe wurden aufgerufen, das Gewicht eines Ochsen zu schätzen. Dabei fiel Galton auf, dass der Durchschnitt aller Schätzungen nur haarscharf vom wirklichen Gewicht entfernt lag: Der Mittelwert lag bei 1197 Pfund, das tatsächliche Gewicht des Ochsen bei 1198 Pfund. Die Masse hatte genauer geschätzt als jeder einzelne Viehexperte. Später entwickelte der Nobelpreisträger Friedrich August von Hayek die Theorie von der Informationseffizienz des Marktes weiter. Nach Hayek wird die Fülle verstreuter Informationen am besten durch den Wettbewerb des Marktes gebündelt; Marktpreise geben jederzeit alle für den Markt relevanten Informationen wider. Unter den virtuellen Börsen machte der Iowa Electronic Market im Jahr 1988 den Anfang. Seitdem können Interessenten dort mit echtem Geld auf den Ausgang der US-Präsidentschaftswahlen oder seit einigen Jahren auch auf Zinsentscheidungen der US-Notenbank setzen. Den Durchbruch von Prognosebörsen ermöglicht heute erst das Internet – zu jeder Zeit und an jedem Ort können beliebig viele Menschen an virtuellen Märkten teilnehmen. Längst etabliert sind virtuelle Aktienmärkte wie tradesports.com oder newsfutures.com. Dort wetten Interessierte auf alle möglichen Ereignisse – von der Entwicklung der Finanzmärkte über den Ausgang der Formel-1-Weltmeisterschaft bis hin zum nächsten Hurrikan im Golf von Mexiko. Steigt der Aktienkurs bestimmter Ereignisse, steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass das vorhergesagte Ereignis in Realität eintritt. Im Wesentlichen kommen bei solchen Prognosemärkten zwei unterschiedliche Wertpapiertypen zum Einsatz: zum einen so genannten. „Winner-takes-all“-Wertpapiere, die eine im Voraus fixierte Auszahlungssumme versprechen, sofern das entsprechende Ereignis eintritt (z.B. Kandidat XY gewinnt die nächste Präsidentschaftswahl). Zum anderen existieren Index-Wertpapiere, deren Auszahlungsbetrag meist proportional an eine Zielgröße gekoppelt ist (z.B. 1 Cent pro prozentualem Stimmenanteil, den die Z-Partei bei der nächsten Bundestagswahl erreicht). Möglich ist auch die Vorhersage von Ergebnissen im Sport. Handelsblatt.com startete in diesem Jahr eine Prognosebörse zur Fußballweltmeisterschaft. 2000 Fußballfans aus aller Welt handelten virtuelle Aktien der Nationalmannschaften. Die Mehrheit der Teilnehmer schätzte, dass Brasilien Weltmeister wird. Unfehlbar ist auch die Börse nicht.

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