Risiko Warum wir uns ohne Mut nicht weiterentwickeln

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Rauchen wird als Gesundheitsrisiko unterschätzt Quelle: Picture Alliance/DPA

Das Problem dabei: Wir tun uns schwer damit, Wahrscheinlichkeiten und damit Risiken rational zu bewerten. „Ein Risiko von eins zu Tausend wird ähnlich wahrgenommen wie das Risiko von eins zu einer Million“, sagt Forscher Trimpop. Deshalb haben so viele ein mulmiges Gefühl beim Fliegen. Obwohl die Zahl der Unfalltoten im Straßenverkehr weitaus höher ist als im Flugverkehr. Und obwohl wir das genau wissen, schätzen wir das Risiko eines Flugzeugabsturzes trotzdem deutlich höher ein.

Hinzu kommt: Wir können das Flugzeug nicht selbst steuern, fühlen uns dem Schicksal ausgeliefert. Auch das ist ein typisch menschliches Kriterium, um ein Risiko als hoch zu bewerten. Risiken, die jeder selbst in der Hand hat, werden massiv unterschätzt: riskante Überholmanöver, Rasen, Rauchen oder Übergewicht. Forscher Trimpop hat zudem herausgefunden, dass „Risiken herkömmlicher Techniken wie etwa der Kohlebergbau niedriger bewertet werden als neue Technologien“. Sie sind uns vertraut – und werden damit als beherrschbarer eingestuft.

Ob wir Risiken letztlich akzeptieren, hängt laut Trimpop davon ab, ob Gerechtigkeit bei der Verteilung der Risiken herrscht. Bei einer CO2-Pipeline des Pharma-Unternehmens Bayer im Rheinland fragen sich viele – warum bei uns? Warum vor meiner Tür? Schlimmer noch: Das Kohlenmonoxid sieht und riecht man nicht, das lässt das Problem besonders gefährlich erscheinen.

Mutige Entscheidung und ein Plan B

Forscher schlagen deshalb vor, sich diese irrationalen Bewertungs- und Entscheidungsmuster zu verdeutlichen, um riskante Irrtümer zu vermeiden. Dann sehen wir klarer. So sei es in jedem Fall Erfolg versprechender, beherrschbare Risiken auch einzugehen – und dabei an den Erfolg zu glauben, meint Erziehungswissenschaftler von Cube. Hartnäckigkeit zahle sich dabei aus. Hier passe die alte Fabel von den Fröschen, die verzweifelt in einem Milchtopf schwimmen und nicht mehr herauskommen: Der eine Frosch gibt auf, lässt sich zu Boden sinken und ertrinkt. Der andere strampelt so lange, bis die Milch zur Butter wird und er aus dem Topf springen kann.

Die vielleicht beste Strategie für den Umgang mit Risiken ist ein Plan B. So sieht das Jutta Bauer, die im vorigen Herbst ein Haus im Stadtzentrum von Neuss kaufte, weil die ganze Familie vom Landleben genug hatte. Obwohl kein Käufer für ihr Landhaus in Sicht war, erstanden sie das Stadthaus und vereinbarten mit der Bank für ein Jahr eine Zwischenfinanzierung. „Man muss auch mal was riskieren, das predige ich meinen Kindern immer wieder“, sagt die Werbetexterin.

Acht Monate lang tat sich dann allerdings nichts. Doch Bauer blieb entspannt: „Im dümmsten Fall müssen wir eben aufs Land zurückziehen und das neue Haus verkaufen.“ Das sei mit seiner Lage in einem begehrten Stadtviertel leicht zu veräußern.

Letztlich hat sich die mutige Entscheidung dann doch ausgezahlt: Bauer behielt die Nerven und wurde belohnt. Kurz vor Ablauf der Jahresfrist tauchte der erhoffte Käufer auf. Ob sie das Risiko der Doppelfinanzierung noch mal auf sich nehmen würde? „Warum nicht – hat doch alles prima geklappt.“

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