Sicherheit Neue Röntgen-Scanner erkennen Flüssigsprengstoffe

Endlich Schluss mit den albernen Tüten fürs Aftershave im Handgepäck: Neue Röntgen-Scanner können Flüssigsprengstoffe im Koffer aufspüren.

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Eine neue Generation von Röntgen-Scannern soll den lästigen Kontrollen von mitgeführten Flüssigkeiten ein Ende bereiten, Symbol AP

Das Wasser war am Wallfahrtsort Lourdes abgefüllt und von einem Priester geweiht worden. Dennoch durfte die Flasche nicht mit an Bord des vom Vatikan gecharterten Düsenjets: Als der Zöllner das Weihwasser wegkippen wollte, setzte ein Pilger die Flasche an die Lippen und trank sie aus. Die aufwendigen Kontrollen des Handgepäcks, die nach den Anschlägen vom 11. September 2001 angeordnet und nach den vereitelten Terroranschlägen auf Verkehrsflugzeuge in England nochmals verschärft wurden, haben vielen Reisenden den Spaß am Fliegen verdorben. Seit dem 6. November 2006 gelten komplizierte Vorschriften für die Mitnahme von Flüssigkeiten. Behälter mit einem Fassungsvermögen über 100 Milliliter sind verboten, kleinere Flaschen dürfen nur in einer transparenten Plastiktüte mit Reißverschluss ins Handgepäck – wenn sie nicht im Müll landen sollen. Und das passiert oft. Allein an deutschen Flughäfen werden täglich Flüssigkeiten im Wert von einer Million Euro beschlagnahmt und für viel Geld als Sondermüll entsorgt. Doch nun ist eine Lösung des Problems in Sicht. Die US-Behörde für Transportsicherheit (TSA) testet derzeit an drei Flughäfen neue High-Tech-Röntgenapparate, die den Inhalt einer Flasche im Reisegepäck eindeutig identifizieren und nach harmlosen Spirituosen und brisantem Flüssigsprengstoff unterscheiden können. Sieben Geräte der drei Hersteller L3 Communications, Rapiscan Systems und Smiths Detection kommen bei dem Test zum Einsatz – mit ermutigenden Ergebnissen. Prinzipiell neu ist die Technik nicht. Bei der Kontrolle von Koffern und Taschen, die von den Reisenden aufgegeben werden, wird sie schon seit zehn Jahren erfolgreich eingesetzt. Diese Röntgen-Tomografen sind allerdings sehr groß. „Die Geräte klein zu machen, war alles andere als einfach“, berichtet Stefan Aust, Leiter des Produktmanagements bei Smiths Heimann, der deutschen Tochter von Smiths Detection mit Sitz in Wiesbaden. Der Konzern stellt die Hälfte aller Durchleuchtungsgeräte an den 3000 Kontrollpunkten der US-Flughäfen. Die bisher eingesetzten Durchleuchtungsgeräte haben zudem den Nachteil, dass sie nur einen Röntgenstrahl aussenden. Werden mehrere Objekte in einer Tasche durchstrahlt, kommt es schnell zu einer Überlagerung auf der Aufnahme, die eine Kontrolle von Hand erforderlich macht. Wird das Gepäckstück zeitgleich aus verschiedenen Richtungen bestrahlt, steigt die Chance einer eindeutigen Identifizierung schon am Bildschirm. Mithilfe verschiedener Röntgenstrahlen unterschiedlicher Stärke werden bestimmte Parameter wie das relative Atomgewicht und die Dichte eines Stoffes ermittelt. Ein Rechner analysiert die Daten anhand bestimmter Algorithmen und gleicht sie mit einer Bibliothek bekannter Signaturen ab.

Präzision ist dabei Trumpf, denn die Verwechslungsgefahr ist groß: Die Signatur des Plastiksprengstoffs Semtex ähnelt der von Schokolade und auch Haarshampoo. Noch schwieriger ist die eindeutige Identifikation von Sprengstoffmixturen. Sie bestehen aus zwei Komponenten, von denen jede einzelne harmlos ist, die aber zusammen ein hochexplosives Gemisch ergeben. Die derzeit in den USA getesteten Geräte erfüllen zwar noch nicht in allen Punkten die Anforderungen der Sicherheitsbehörden. Dennoch ist TSA-Sprecher Christopher White zuversichtlich, spätestens Anfang 2008 grünes Licht für einen breiten Einsatz der Röntgen-Scanner und eine Lockerung der Vorschriften empfehlen zu können: „Es handelt sich schließlich um ein erprobtes und stabiles System.“ Von neuen Techniken zur Personenkontrolle lässt sich das nicht sagen. Etwa von der sogenannten Röntgen-Rückstreuung. Solche Ganzkörper-Scanner werden zum Beispiel von der Rüstungsschmiede QinetiQ hergestellt. Dabei kommen Kameras zum Einsatz, die mit Terahertz-Strahlen arbeiten. Diese Strahlen decken im elektromagnetischen Spektrum den Bereich zwischen Infrarotlicht und Radiowellen ab. Das Rückstreuungsverfahren hat zwei gravierende Nachteile. Zum einen ziehen die Scanner die Beobachteten buchstäblich bis auf die nackte Haut aus, da die Wellen Textilien durchdringen. Zum anderen wird der Passagier ionisierenden Strahlen ausgesetzt. „Einige Fluglinien sind dagegen, sie befürchten Klagen von Vielfliegern“, weiß Aust. Sein Unternehmen setzt auf unproblematische Systeme mit passiven Millimeter-Wellen, „obwohl die Technik der Millimeter-Wellen deutlich teurer ist“. Die Geräte stehen nach seinen Angaben kurz vor der Serienreife und könnten 2008 erstmals zum Einsatz kommen.

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