Eigentlich soll smarte Technik das Leben leichter machen. Erst einmal macht sie es aber unübersichtlicher. Zumindest gilt das bei Steuerungslösungen für die Heizung. Neue Unternehmen drängen auf den Markt. Beherrschten bisher vor allem Heizungstechnikunternehmen wie Buderus, Danfoss, Junkers, Vaillant und Vissmann das große Geschäft mit der Wärme, drängen jetzt neue Anbieter ins Heim: Energieversorger, Telekommunikationsunternehmen und Start-ups wollen ein Stück vom Kuchen bekommen, das deutsche Haushalte für Heizungstechnik ausgeben.
Geradezu spektakulär lenkte Anfang des Jahres die Übernahme des amerikanischen Start-ups Nest Labs durch den Internetgiganten Google die Aufmerksamkeit auf die neue Dynamik des Haustechnikmarktes: 3,2 Milliarden Dollar legte der Suchmaschinenanbieter für das junge Unternehmen mit nicht einmal 300 Mitarbeitern hin.
Das große Interesse gilt der intelligenten Steuerungstechnik von Nest. Sie erlernt das Heizverhalten und gibt damit Aufschluss darüber, wann die Hausbewohner zu Hause sind.
Für welche Smart-Home-Technologien sich deutsche Internetnutzer interessieren
Fittkau & Maaß Consulting hat Internetnutzer in Deutschland befragt, für welche der folgenden Smart-Home-Technologien sie sich interessieren.
Quelle: Statista
50,7 Prozent
44,1 Prozent
36,1 Prozent
18,7 Prozent
18,6 Prozent
15,4 Prozent
14,5 Prozent
13,3 Prozent
7,2 Prozent
22,3 Prozent
Doch der Deal in den USA hat vorläufig keine Auswirkungen auf den deutschen Markt. Nest bietet seine Thermostate zurzeit vor allem jenseits des Atlantiks an und ist mit seiner Technik stark auf amerikanische Besonderheiten ausgerichtet. Ob und wann die Heizungssteuerung auch nach Europa und Deutschland kommt, ist noch nicht abzusehen.
Aber auch hierzulande arbeiten junge Unternehmen an der komfortablen Heizungssteuerung. Das Münchner Start-up tado beispielsweise hat eine lernende Technik entwickelt, die die Ortungsfunktion moderner Smartphones und die Wettervorhersage nutzt: Sie erkennt, wann der Bewohner sein Heim verlässt und fährt die Temperatur herunter.
Nähert er sich wieder seinem Zuhause, schaltet tado die Heizung ein und sorgt für die gewünschte Wohlfühltemperatur. In der ersten Nutzungswoche lernt tado, wie lange das Heizungssystem zum Aufwärmen der individuellen Wohnung benötigt.
Deshalb kann es in dieser Zeit vorkommen, dass man zu Hause ankommt, bevor das Wohnzimmer warm ist. Zusätzlich berücksichtigt die Steuerung die Wettervorhersage, sodass beispielsweise bei schönem Wetter der vorgesagte Sonnenschein schon beim Aufheizen berücksichtigt wird und es so nicht zu einer Überheizung kommt.
Kosten sparen, Beitrag zum Klimaschutz leisten
Ein wesentliches Argument für derartige Technik ist die Möglichkeit, Heizenergie und damit Kosten zu sparen sowie einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Das Fraunhofer-Institut für Bauphysik ist dem in einer aktuellen Studie im Auftrag von tado auf den Grund gegangen.
Zwei Szenarien haben die Wissenschaftler untersucht: ein Single-Haushalt in einer Altbau-Geschosswohnung und ein Familienhaushalt in einem Altbau-Einfamilienhaus. Das Ergebnis: Mit der tado-Technik können in den beiden Fällen 26 und 21 Prozent Heizenergie eingespart werden. Bis zu 24 Prozent gehen auf die Temperaturabsenkung bei Abwesenheit zurück; rund sieben Prozent Einsparung bringt die Berücksichtigung der Wettervorhersage.
Prognose zum Umsatz im Bereich Smart Home in Europa nach Bereichen
Convenience und Security: 300 Mio. Euro
Home Cloud: 490 Mio. Euro
Pflege und Gesundheit: 618 Mio. Euro
Smart Energy: 310 Mio. Euro
Convenience und Security: 560 Mio. Euro
Home Cloud: 1.012 Mio. Euro
Pflege und Gesundheit: 1.001 Mio. Euro
Smart Energy: 480 Mio. Euro
Convenience und Security: 300 Mio. Euro
Home Cloud: 1.625 Mio. Euro
Pflege und Gesundheit: 1.249 Mio. Euro
Smart Energy: 740 Mio. Euro
Quelle: Statista; Erhebung durch Deloitte
Die Absenkung der Raumtemperatur lässt sich aber natürlich nicht nur mit einer neuartigen Steuerung wie der von tado erreichen. Das einfache Herunterdrehen von Heizkörperventilen erreicht die gleiche Ersparnis. Der Haken: Vielfach ist es schlicht zu aufwändig oder zu lästig, die Heizung klein zu stellen, wenn wir einen Raum verlassen – dabei würde sich das mehr lohnen, als etwa das selbstverständliche Ausschalten des Lichts. Während der typische Haushalt nur zwei Prozent seiner Energie für die Beleuchtung verbraucht, fließen 71 Prozent in die Raumwärme.
Moderne Heizungstechnik will deshalb zu einem großen Teil die energiesparsame Regelung einfach und komfortabel machen. Dabei setzen die unterschiedlichen Anbieter fast alle auf denselben technischen Aufbau: Die Heizungssteuerung wird mit einem Internetzugang versehen.
Dieser baut eine Verbindung zum Anbieter auf, der dann die Steuerung über ein Web-Portal oder eine App fürs Smartphone ermöglicht. Unterschiede ergeben sich vor allem bei Komfortfunktionen wie lernender und automatischer Nutzungserkennung und beim Einsatz als zentrale Steuerung und dezentrale Heizkörpersteuerung.
Während tado zurzeit nur direkt auf die zentrale Heizungssteuerung wirkt, ermöglichen andere Systeme die Steuerung jedes einzelnen Heizkörpers. Damit lassen sich auch Wohnungen intelligent heizen, die nicht über eine eigene Heizungsanlage verfügen, sondern an der zentralen Versorgung des Mehrfamilienhauses hängen.
Heizungshersteller wie Buderus, Junkers und Vissmann setzen bislang nur auf die Steuerung der Zentralheizung per Smartphone oder Tablet. Damit bekommt der Bewohner also eine Fernbedienung für seine Heizung, über die er beispielsweise auf der Fahrt vom Winterurlaub nach Hause rechtzeitig die Wohnungstemperatur wieder erhöhen kann und so statt wie bisher in eine kalte, in eine angenehm geheizte Wohnung kommt.
Der Remscheider Hersteller Vaillant hat bislang noch keine Internetsteuerung in seine Produkte integriert; erst ein Gerät überhaupt lässt sich innerhalb des heimische WLANs per Smartphone steuern.
Einfache Bedienung
Buderus kooperiert darüber hinaus mit dem Energiekonzern RWE, der mit seiner Smart-Home-Lösung ein ganzes Sortiment zur Heimautomatisierung aufbaut. Buderus ist der erste Heizungshersteller, der seine Brenner über dieses Technikangebot öffnet und darüber steuern lässt.
Internetaffine Start-ups wie tado setzen konsequent auf einfache Bedienung mit möglichst wenig Hinzutun des Nutzers. Das System lässt sich nach Herstellerangaben mit nahezu allen Heizungssystemen der letzten 30 Jahre verbinden.
Viel Arbeit hat das junge Unternehmen in die für die Programmierung der entsprechenden Schnittstellen gelegt. Wann tado aber zusätzlich zur zentralen Steuerung eine für einzelne Zimmer oder Heizkörper bietet, ist noch nicht abzusehen.
So wird sich der Markt für Smart-Home-Technologien bis 2020 entwickeln
2010 wurden 33 Hersteller von Smart-Home Lösungen gefragt, wie sie die Marktentwicklung ihrer Sparte bis 2020 einschätzen. Mehrfachnennungen waren möglich.
Quelle: Statista; Erhebung durch trend:research
91 Prozent
70 Prozent
48 Prozent
42 Prozent
36 Prozent
36 Prozent
18 Prozent
18 Prozent
12 Prozent
3 Prozent
Diesen Schritt weiter ist bereits das Unternehmen alphaEOS. Es bietet ein vorausschauendes Heizungssystem, das sowohl Wetterdaten als auch Heizgewohnheiten analysiert und raumindividuell zur richtigen Zeit für die richtige Wohlfühltemperatur sorgt. Dabei reicht die Steuerfunktion bis herunter auf den einzelnen Heizkörper.
Das Telekommunikationsunternehmen mobilcom-debitel wartet wie RWE mit einer umfassenden Smart-Home-Steuerung auf. In sie ist auch eine Regulierung für die einzelnen Heizkörper in einer Wohnung integriert. Sie lässt sich per Smartphone bedienen.
Wem der ganze Aufwand mit neuartigen Steuerungssystemen oder die Vernetzung über das Internet zu aufwändig ist oder wer Sicherheitsbedenken gegen derartige Lösungen hat, dem bleiben noch die zeitabhängigen Steuerungsventile, wie sie im Baumarkt und längt auch immer wieder im Lebensmitteldiscounter angeboten werden.
Einfache programmierte Zeitschaltuhren für die Heizkörper bringen zwar nicht den Komfort, wenn man mal vom programmierten Tagesablauf abweicht, aber auch sie ermöglichen rund ein Viertel der Energieersparnis. Und komfortablere Systeme, wie es beispielsweise der Steuerungsspezialist Honeywell anbietet, ermöglichen auch eine einfache drahtlose Fernsteuerung der Heizung zu Hause.
Der größte Energiesparer war in diesem Jahr ganz unabhängig von der Technik aber wohl der Winter, der zu den drei wärmsten seit Beginn der Wetteraufzeichnung zählt.