„Viele Menschen werden feststellen, dass ihre Ausbildung obsolet wird“, prophezeit auch Tyler Cowen, Professor für Wirtschaftswissenschaften an der George-Mason-Universität bei Washington. Kenneth Brant, Forschungsdirektor beim Marktforscher Gartner, glaubt gar, dass „Arbeitsplätze bald schneller zerstört werden, als der Markt neue wertvolle Stellen schaffen kann“.
Brants Pessimismus kontert der Zukunftsforscher Sven Janszky: „Wir können glücklich sein, dass die Technologie uns Jobs abnimmt – und den Schmerz fehlender Fachkräfte in Unternehmen lindert.“
Doch selbst wenn noch offen ist, wie drastisch die Verwerfungen am Ende ausfallen: Die Entwicklung der Computertechnik beschleunigt massiv. Alle zwei Jahre hat sich die Rechenleistung von Computerchips verdoppelt – und der Trend hält an. Dadurch war schon Apples iPhone 4 so rechenstark wie der schnellste Supercomputer im Jahr 1975, der damals fünf Millionen Dollar kostete.
Zugleich ist der Großteil des Weltwissens inzwischen digital gespeichert. Und es wächst mit atemberaubendem Tempo, denn immer mehr vernetzte Sensoren versorgen Computer mit neuen Daten. Schon bald sind Internet-Telefonate und E-Mails nur ein Flüstern, verglichen mit dem globalen Geschwätz der Maschinen.
Vor allem aber haben Computer gelernt, diese Datenberge mittels schlauer Algorithmen auszuwerten. Deep Learning nennen Forscher die Technik, bei der Computer in Massen unsortierter Daten Muster erkennen – und dabei ähnlich wie das menschliche Gehirn dazulernen. Mit einem verwandten Verfahren gewann etwa IBMs Supercomputer Watson schon vor drei Jahren in der US-Quizshow Jeopardy gegen zwei menschliche Kandidaten.
Plötzlich ist künstliche Intelligenz (KI) wieder Trendthema. Google etwa hat KI-Vordenker Ray Kurzweil zum Leiter der technischen Entwicklung gemacht, für 400 Millionen Dollar das britische KI-Unternehmen DeepMind gekauft und sich zudem acht Robotikhersteller einverleibt.
Facebook investierte im März Millionen in das Start-up Vicarious, das den menschlichen Neokortex nachbilden will, den Teil des Gehirns, der Sprache versteht, sieht, rechnet und Körperbewegungen steuert.
Bis Computer so schlau und so vielseitig sind wie Menschen, wird es Jahrzehnte dauern, und vielleicht werden sie es nie. Doch schon kleine Fortschritte vernichten Arbeitsplätze. Der Analogfilmhersteller Kodak etwa beschäftigte einst 140.000 Menschen. Dann kam die Digitaltechnik – und für Kodak Anfang 2012 die Insolvenz.
Drei Monate später zahlte Facebook eine Milliarde Dollar für die Foto-App Instagram. Das Start-up hatte zu dem Zeitpunkt 30 Millionen Nutzer – aber nur zwölf Mitarbeiter. Software und Serverfarmen, betreut von wenigen Programmierern, das zeigt auch dieses Beispiel, machen Fabriken voller Fachkräfte überflüssig.
Welche Jobs trifft die Digitalisierung als Nächstes? Umgekehrt, sagt US-Ökonom Cowen, ergebe die Frage mehr Sinn: Welche Jobs sind überhaupt noch sicher?
Elektronischer Anwalt
Schon jetzt ist absehbar: Es werden immer weniger klassische Schreibtischjobs darunter sein. Noch vor ein paar Jahren etwa war beim US-Energiekonzern Constellation Energy Recherche Handarbeit. Waren juristische Zweifelsfälle zu klären, mussten bis zu 30 Mitarbeiter Berge an Dokumenten durchstöbern, um entscheidende Informationen zu finden. 45.000 Arbeitsstunden kamen so im Jahr 2005 zusammen.