Umleitung Internet senkt Mobilfunktarife

Nachdem Web-Telefonate schon die Festnetzgebühren auf Cent-Niveau gedrückt haben, zwingt das Internet jetzt auch die Mobilfunktarife nach unten.

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Grund zur Freude: Die letzte Hochpreisbastion der Telekommunikation fällt durch Anbieter, die die Gespräche so über Internet und Festnetz umleiten, dass sie nur noch einen Bruchteil der bisherigen Tarife kosten, Foto: dpa

Die monatliche Mobilfunkrechnung ist für Christian Fox ein steter Quell des Ärgers. „300 Euro pro Monat sind keine Seltenheit“, flucht der 32-jährige Unternehmer aus Berlin. Dazu kommen die Kosten für die dienstlichen Handygespräche seiner 16 Angestellten, die der Chef der PR-Agentur Markengold erstattet. Wenn sich Mitte März die Elektronikbranche zur Cebit trifft, wird es für Fox noch teurer. Dann muss er mehrfach täglich mit den Kontaktleuten in den Zentralen seiner Kunden telefonieren. Zur Freude der Netzbetreiber, treiben doch Gespräche nach Frankreich, Irland oder Finnland die Rechnung im Minutentakt jeweils um knapp einen Euro in die Höhe. Dabei könnten kostenbewusste Handy‧nutzer deutlich billiger telefonieren. Zur Cebit blasen Unternehmen wie Jajah, Cellity, Sparruf, Truphone oder Tarifjäger zum Sturm auf die letzte Hochpreisbastion der Telefonwelt: den Mobilfunk. Sie leiten teure Handygespräche so übers Internet oder ins Festnetz um, dass sie nur noch einen Bruchteil üblicher Tarife kosten. Der Clou: Für viele der neuen Angebote benötigt der Handynutzer weder ein neues Telefon noch einen neuen Mobilfunkvertrag. „Die bisherigen Gesprächspreise sind grotesk hoch“, sagt Philipp Bohn, Analyst beim Berliner Marktforscher Berlecon. „Im Vergleich zu den regulären Tarifen lassen sich mit den neuen Diensten vor allem bei Auslandsgesprächen bis zu 80 Prozent an Gebühren einsparen.“ Solche Telefonate kosten dann nur noch 9 bis 38 Cent pro Minute, statt ein bis zu zwei Euro. Doch auch bei Anrufen in andere deutsche Handynetze, die gerade Kunden mit älteren Verträgen bis zu 59 Cent pro Minute kosten, lässt sich bis zur Hälfte einsparen. Damit wiederholt sich im Mobilfunk eine Entwicklung, die in den vergangenen zwei Jahren schon die Kosten für Festnetztelefonate radikal in den Keller trieb. Immer öfter nämlich tritt dort der Versand der Sprachsignale via Internet – Fachleute sprechen von Voice over IP (VoIP), zu deutsch Sprachübertragung übers Internet – an die Stelle klassischer Gespräche über die Leitungen der Netzbetreiber. Billiganbieter wie Voipstunt oder Sparvoip bieten Anrufe in deutsche, europäische und amerikanische Festnetze bereits für null Cent an. Der Preisdruck trifft nun auf den Mobilfunk. Beschleunigt wird der Trend zur Internet-Telefonie per Handy zudem dadurch, dass neue Geräte zunehmend mit integrierten Funkmodulen für schnurlose Wireless-LAN-Computernetze (WLAN) auf den Markt kommen. Eine Entwicklung, die sich rasch verschärfen wird, prognostizieren die Analysten des US-Marktforschers In-Stat. Laut einer aktuellen Studie soll der Verkauf von WLAN-fähigen Telefonen im Jahr 2010 bereits 132 Millionen Geräte erreichen. Noch aber sind sie eine Rarität. Bisher nutzen vor allem Laptop-Computer den WLAN-Funk, um in Restaurants, an Flughäfen oder in Internet-Cafés schnurlos online zu gehen. Genauso gut aber lasen sich über die Technik auch Internet-Telefonate führen. Etwa mit Handys wie dem N61i von Nokia: Kommen sie in die Reichweite eines Hotspots, leiten sie den Anruf automatisch übers Internet – und vorbei an den Gebührenzählern der Netzbetreiber. „Bald werden unsere meisten Mobiltelefone WLAN-fähig sein“, sagt Nokia-Manager Ari Virtanen, verantwortlich für Konvergenzprodukte und Multimedia.

Mithilfe von WLAN-Handys drückt auch die Berliner Softwarefirma 4S Newcom die Telefonkosten. „Manager befinden sich sowieso zu 80 Prozent ihrer Arbeitszeit in Büros mit WLAN“, behauptet 4S-Newcom-Gründer Harry Behrens. „Warum sollten sie in dieser Zeit teuer übers Handynetz telefonieren?“ Eine clevere Lösung präsentiert auch Siemens: Der Handybesitzer ist stets unter einer Nummer erreichbar, egal, ob er sich im WLAN- oder Mobilfunknetz befindet. Sobald das WLAN-Signal schwächer wird, leitet das Handy das Gespräch auf eine Mobilfunkverbindung um, über die das Gespräch ohne Unterbrechung weiterläuft. Weiter noch geht Alexander Straub, Mitgründer des Unternehmens Truphone. Er will den klassischen Mobilfunk durch WLAN-Telefonate ersetzen. „So bauen wir unser eigenes Netz, in dem man weltweit kostenlos telefonieren kann“, sagt Straub. Truphone-Nutzer können mit ihren Handys an WLAN-Hotspots teils zu Cent-Beträgen, teils kostenlos telefonieren. Noch bekommen sie dafür englische oder amerikanische Telefonnummern, über die sie erreichbar sind, sobald sie sich in der Nähe eines Hotspots befinden. Nur wo der nicht verfügbar ist, springt die Rufumleitung ins Handynetz ein. „Bald gibt es auch deutsche Nummern“, kündigt Straub im WLAN-Telefonat an. Die Stimme scheppert, dann bricht der Anruf zusammen, weil sich die Web-Verbindung aufgehängt hat.

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