Umwelt Grüner Wahnsinn mit erneuerbaren Energien

Die Begeisterung für die erneuerbaren Energien hat sich abgekühlt: Biosprit schadet dem Klima mehr, als er ihm hilft; Wind- und Sonnenkraftwerke liefern zu wenig und viel zu teuren Strom. Notwendig ist eine Generalrevision der Umweltpolitik – die Techniken und Konzepte für die neue Biovernunft stehen bereit.

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Windkraft erzeugt erneuerbare Quelle: REUTERS

Neuerdings befällt Claus Sauter, Chef des Leipziger Biokraftstoff-Konzerns Verbio, Schwermut beim Anblick seiner Biospritfabrik im brandenburgischen Schwedt. 60 Millionen Euro hat der Bau der Anlage Ende 2004 verschlungen, knapp 14 Millionen davon hat das Land Brandenburg damals zugeschossen. 700.000 Tonnen Getreide sollten auf dem weitläufigen Gelände im Gewerbepark an der Passower Chaussee eigentlich jährlich zu Ethanol vergoren werden. „Pack die Sonne in den Tank“, hieß ein Werbespruch, mit der Verbio Autofahrer für den Kraftstoff vom Acker zu begeistern suchte. Doch inzwischen haben die Autofahrer aus der Region, die sich von der Werbung locken ließen, Probleme, Nachschub zu bekommen. Denn seit Herbst 2007 arbeitet die Raffinerie nur mit halber Kraft, weil der Rohstoff zu teuer geworden ist. Die 92 Beschäftigten arbeiten seitdem kurz.

Auch beim zweiten großen Produzenten von Biosprit in Ostdeutschland, der Südzucker-Tochter CropEnergies in Zeitz südlich von Gera, herrscht Katerstimmung. Der Grund ist nicht so sehr die Entscheidung von Bundesumweltminister Sigmar Gabriel, die eigentlich für den 1. Januar 2009 geplante Zwangsbeimischung von zehn Prozent Ethanol zum Benzin zu stoppen. Die dafür benötigte Menge von jährlich 1,5 Millionen Kubikmeter hätten deutsche Biospritfabriken ohnehin nicht liefern können, sie hätte deshalb aus Brasilien importiert werden müssen. Nein, der Grund für die Probleme in Zeitz ist der gleiche wie in Schwedt: Die Herstellung von Biokraftstoffen rechnet sich hierzulande nicht mehr. Denn der Preis für die Tonne Getreide ist im vergangenen Jahr aufgrund der weltweiten Nachfrage nach diesem wichtigen Rohstoff für die Biosprit-, Lebensmittel- und Futtermittelindustrie explodiert, von 70 Euro auf 230 Euro.

Die Raffinerie in Schwedt hat deshalb nicht nur ihre Produktion gedrosselt, um die Verluste in Grenzen zu halten. Verbio-Chef Sauter hat auch entschieden, den Vorrat von 400.000 Tonnen Weizen, den sein Unternehmen eingelagert hatte, an einen Mühlenbetrieb zu verkaufen. Das bringt mehr Geld in die klamme Firmenkasse als die Weiterverarbeitung zu Ökokraftstoff. Ob die Produktion von Bioethanol in Schwedt jemals wieder unter Volllast laufen wird – wer weiß. „Keiner kann derzeit sagen, wo es mit Ethanol hingeht“, klagt der Manager und verweist auf die USA, wo trotz staatlicher Subventionen von jährlich bis zu 7,3 Milliarden Dollar die ersten Ethanolraffinieren den Betrieb einstellen mussten.

Auf Euphorie folgt Ernüchterung. Um die Folgen des Klimawandels abzumildern und die fossilen Ressourcen zu schonen, hatte die Politik nicht nur in Deutschland und den USA auf den massiven Ausbau der erneuerbaren Energien gesetzt. Investiert und gefördert wurde nach dem Gießkannenprinzip. Mit Steuermitteln und Risikokapital haben die Industrienationen in Europa, Amerika und Asien nicht nur die Kapazitäten zur Produktion von Agrarsprit enorm ausgebaut. Gleichzeitig schossen überall Windmühlen wie Spargel aus dem Boden, wurden Millionen Quadratmeter von Dachflächen mit Solarzellen zugepflastert, Riesenstaudämme aus dem Boden gestampft und Abertausende tiefe Löcher in den Planeten gebohrt, um die Erdwärme anzuzapfen. Die Energien aus Wind, Sonne, Wasser, Erdwärme und vom Acker wurden zu Wundermitteln stilisiert. Kaum jemand fragte genau nach, ob sie die hohen Erwartungen tatsächlich erfüllen können. Untersuchungen, wann die Förderung ökonomisch Sinn hat und welchen Nutzen die Technologien für das Klima haben, gab es nur sporadisch und oft auch nur oberflächlich. Doch inzwischen wird immer deutlicher, dass die Regenerativen in der heutigen Verfassung nur zum Teil halten, was ihre Verfechter versprachen. Nicht nur der Ökonom Carl Christian von Weizsäcker will ihnen deshalb den „teuren Heiligenschein“ nehmen.

Das Ökoimage der Bioenergie wankt, urteilt Professor Johann Köppel vom Fachgebiet Landschaftsplanung und Umweltverträglichkeitsprüfung der Technischen Universität Berlin. Doch in den Investitionen hat sich das noch nicht niedergeschlagen. Nach einer aktuellen Studie des internationalen Renewable Energy Policy Network (kurz: Ren21) wurden im vergangenen Jahr weltweit über 100 Milliarden Dollar in den Ausbau der Kapazitäten gesteckt. Weltweit werden aktuell etwa 240 Gigawatt Strom mithilfe regenerativer Energiequellen erzeugt – 50 Prozent mehr als 2005. „Die Erzeuger erneuerbarer Energien setzen damit ihren kometenhaften Aufstieg fort“, jubelt Mohamed El-Ashry, der Vorsitzende des von Politik und Industrie getragenen Netzwerks.

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