Atommüll-Endlager Gorleben "Ich bin relativ desillusioniert"

Gestern wurde Gorleben vorerst geschlossen. Einige Arbeitskräfte kümmern sich noch um die Instandhaltung. Ein Erfolg ist das für Jochen Stay, einen der Gegner dieses Atommülllagers, allerdings nicht.

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Jochen Stay engagiert sich seit 1985 in der Anti-Atom-Bewegung. Er ist Pressesprecher der Initiative ausgestrahlt.

WirtschaftsWoche: Herr Stay, gestern wurde Gorleben geschlossen. Fast alle Arbeitskräfte haben den Salzstock verlassen – es bleiben nur noch einige wenige, die Gorleben instand halten sollen. Ist das eine Bestätigung der Antiatomkraft-Bewegung?

Jochen Stay: Was heißt geschlossen? Das Bergwerk bleibt ja erhalten. Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass es nicht doch wieder ein Kandidat für ein Atommülllager wird. Natürlich ist es schön, dass dort nicht weiter gebaut wird, aber es ist nicht schön, dass das  Bergwerk nicht zugeschüttet wird. Stattdessen bleibt es bestehen – obwohl dieser Salzstock ungeeignet ist.

Die Salzschicht in Gorleben hat Kontakt zum Grundwasser.

Wenn man Atommüll in Salz lagern will, ist es das Wichtigste, dass kein Kontakt zum Wasser besteht. Salz ist wasserlöslich, Wasser ist das Transportmedium unter Tage. Wenn der Atommüll erst in Kontakt mit dem Wasser kommt, gelangt er auch dorthin, wo Menschen leben.

In Gorleben ist über dem Salz keine wasserundurchlässige Gebirgsschicht. Das Wasser kommt direkt an das Salz heran und laugt es ab – deswegen ist Gorleben ein besonders ungeeignete Standort.

Die lange Suche nach einem Atommüllendlager

Aber es gab doch gewisse Standortkriterien – unter anderem, dass eben kein Kontakt zum Grundwasser bestehen dürfe.

Die gab es. Und als feststand, dass Gorleben diese Anforderungen nicht erfüllt, hat man nicht den Standort, sondern das Kriterium gestrichen. Die Regierung glich die Regeln an den schlechten Standort an. Das ist, als würde ich mit einem Auto mit defekten Bremsen zum TÜV fahren und verlangen, dass der TÜV seine Regeln ändert, damit mein Auto eine neue Plakette kriegt. Das ist absurd. Aber genau das ist in Gorleben passiert.

Die Instandhaltung von Gorleben kostet jährlich 20 Millionen Euro. In Anbetracht der Tatsache, dass dieser Finanzaufwand weiter getragen wird – wie wahrscheinlich ist es, dass Gorleben doch wieder als Lager in Betracht kommt?

Die Wahrscheinlichkeit ist groß. Bisher sind in dieses Projekt 1,6 Milliarden Euro geflossen. Da ist die Befürchtung natürlich angebracht, dass der bisherige Finanzaufwand am Ende mehr zählt als geologische Fakten. Auch die AKW-Betreiber, die das finanzieren müssen, weigern sich, woanders noch einmal zu investieren. Geld wird am Ende bei der Entscheidung wohl eine große Rolle spielen. Die Frage, wo das Risiko am geringsten ist, eher nicht.

In den Planungszeiträumen für die Endlagerung ist von einer Million Jahre die Rede. Sind bei allen möglichen gesellschaftlichen Umbrüchen, die über diesen Zeitraum nicht einmal vorstellbar sind und Umweltveränderungen, die nicht prognostizierbar sind, solche Betrachtungszeiträume überhaupt sinnvoll?

Dieser Müll wird solange ein Problem sein, deswegen muss man ihn so lange sicher lagern. Die Frage ist, lagert man den Müll über der Erde oder unter der Erde.

Und?

Ich bin ein Befürworter der unterirdischen Lösung. In Anbetracht der letzten einhundert Jahre deutscher Geschichte, ist das keine beruhigende Vorstellung, wenn überirdisch Atommüll gelagert wird. Man denke an die Weltkriege und mögliche künftige Kriege. Deswegen bin ich für eine tiefengeologische Lagerung, wie es in der Fachsprache heißt. Aber dann an einem Ort, der nicht wie das Salzbergwerk Asse nach zehn Jahren absäuft. Außerdem ist zu bedenken: Bis so ein Lager gebaut ist, vergehen lange Zeiträume.

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