Ein beliebtes Totschlag-Argument immer wieder: "Pflanzen haben doch auch Gefühle!"
Oh Gott, ja. Nein, haben sie nicht, man kann sie bedenkenlos essen. Pflanzen haben kein zentrales Nervensystem. Im Gegensatz zu Menschen oder Tieren führen sie keine Partnerschaften, sie haben keine Sympathien, Antipathien oder Mitleid. Pflanzen können nicht lügen, Pflanzen können nicht hassen. Sie sind dafür gemacht, dass man sie isst.
Mein Lieblingsargument ist auch: "Der Mensch braucht Fleisch". Wenige sprechen mich auf Milch oder Eier an, aber: "Der Mensch braucht Fleisch", daran ziehen sich viele hoch. Es stimmt einfach nicht. Der Mensch ist von seinen Anlagen her sogar Frutarier, unser Gebiss und Verdauungssystem sind darauf eingestellt, Pflanzen zu verwerten. Fleisch ist optional, wir können es essen, fallen aber nicht um, wenn wir es nicht tun. Es gibt eigentlich keinen Grund, Fleisch zu essen, wenn man nicht gerade auf einer einsamen Insel oder in der Arktis bei den Inuit lebt.
Aber noch ein ganz anderer Spruch, der Vegetariern und Veganern gern entgegen geschleudert wird: "Hitler war auch Vegetarier." Ich weiß gar nicht, was mir das sagen soll! Es soll wohl sowas heißen wie "Hitler war ein schrecklicher Massenmörder, und in diese Richtung willst du auch gehen?" Das ist doch völlig absurd!
Fleischkonsum ist besonders bei Männern auch ein Statussymbol - wer das größte Steak verdrückt, wird bewundert. Können Sie das erklären?
Aus meiner Erfahrung würde ich sagen, dass das vor allem bei deutschen Männern so ist. Schaut man etwa nach Indien, sieht man: 40 Prozent der Menschen dort sind Vegetarier - auch Männer, und die sind gesund, groß gewachsen und so weiter. Ich glaube, das ist eine Potenzprojektion. Männer haben es heutzutage wirklich schwer. Viele befinden sich in einer Identitätskrise: Wer bin ich, wo gehöre ich hin, wie gehe ich vernünftig mit Frauen um - viele Männer sind da sehr verunsichert. Es gibt für sie nur noch wenige Refugien, in denen sie sich als Mann fühlen können. Selbst im Fußballstadion, wo sie früher noch ordentlich grölen konnten, sind jetzt immer mehr Frauen dabei und die wissen jetzt auch, was "Abseits" ist. Ich glaube, Fleisch ist für viele das letzte Ding, bei dem sie sich noch als Mann fühlen können. Sie fühlen sich so verbunden mit dem vermeintlichen Urvater, der in männlicher Runde das Wild erlegt hat.
Man hört immer wieder von Veganern, die bei Ärzten auf Unverständnis oder Ablehnung stoßen. Mussten Sie sich auch gegen Vorwürfe wehren, Ihrem Körper eine Mangelernährung anzutun?
Zum Glück nicht. Ich habe von meinen Ärzten immer positive Reaktionen bekommen. Man sollte nicht nur als Veganer regelmäßig ein Blutbild machen lassen, ich mache das natürlich auch immer brav. Meine Ärzte hatten Tränen in den Augen vor Glück, als sie mein Blutbild gesehen haben. Ich rede ja nicht über mein Alter, aber mein Blutbild ist viel besser als das, was für mein Alter typisch ist - top Cholesterinwerte, super Vitamin-D-, B12- und Eisen-Werte. Die Nährstoffe finden Sie nicht in Fertigpizza, Burger, Fritten oder Chips, die sind eben in dem ganzen Gemüse, das ich esse. Das einzige, was ich über Nahrungsergänzungsmittel aufnehme, ist Vitamin B12. Meine Ärzte wollen mich am liebsten auf Kongresse mitnehmen und mich vorführen, um anderen Ärzten zu zeigen, dass es Veganern sehr gut gehen kann.
Könnten Sie sich vorstellen, irgendwann wieder Fleisch zu essen?
Nein. Es ist völlig absurd für mich, Fleisch zu essen, richtig eklig. Wenn ich jetzt an einer Fleischtheke vorbeigehe, kann ich gar nicht mehr abstrahieren. Ich sehe kein Filet, sondern ich sehe den toten, herausgetrennten Muskel. Ich finde es spannend, dass die meisten Menschen, die ja Fleischesser sind, das so verdrängen können.
Gibt es da vielleicht wirklich eine Art psychologischen Mechanismus, den Vegetarier und Veganer verloren haben?
Dazu hat die amerikanische Psychologin Melanie Joy, Autorin des Buchs "Warum wir Hunde lieben, Schweine essen und Kühe anziehen", etwas Interessantes geschrieben. Sie prägte den Begriff des "Karnismus", eine unsichtbare Ideologie, die in fleischessenden Kulturen verbreitet ist. Dieses dominierende Überzeugungssystem ermöglicht es den Menschen, Fleisch zu essen, weil ihnen eingeredet wird, es als normal, notwendig und natürlich anzusehen. Es hilft dabei, etwas das einen eigentlich berühren sollte - da stirbt ein Tier, und ich esse es - zu verdrängen. Die Gesellschaft fördert also, dass man von eigentlichen moralischen Werten wie: "Du sollst nicht töten" abrücken und sagen kann: "Tiere essen ist ganz normal". Vegetarier und Veganer machen diese Ideologie sichtbar, weil sie ihr nicht mehr unterliegen.