Die Bundeswehr wird sich demnächst so sichtbar verändern wie seit über 20 Jahren nicht mehr. Die Soldaten bekommen ab Mitte 2016 neue Uniformen. Mit Mode hat das nichts zu tun, sondern mit den veränderten Aufgaben und Ansprüchen der geschrumpften deutschen Freiwilligenarmee.
Seit den frühen Neunziger Jahren tragen deutsche Soldaten im Dienst in der Regel den charakteristischen Feldanzug mit „Flecktarn“: fünf Farben (Braun, Schwarz und drei Grüntöne) in unregelmäßig gekleckerten Flecken. Er soll Soldaten im Gelände tarnen, also menschliche Umrisse mit dem Umfeld verschwimmen lassen, um gegnerischen Kämpfern das Erkennen und Zielen zu erschweren. Die Farbmischung orientiert sich am mitteleuropäischen Mischwald. Für Auslandseinsätze in trockeneren, weniger bewachsenen Landschaften, zum Beispiel in Afghanistan, führte die Bundeswehr ab 1995 eine Tarn-Variante in Sandfarben, Braun und leichten Dunkelgrün-Flecken ein.
Nun gibt es ein einheitliches „Multitarn“, das zunächst bei Spezialeinheiten der Infanterie eingeführt wird. Also jenen Soldaten, die für besonders heikle und gefährliche Aufgaben, wie zum Beispiel die Befreiung von Geiseln, ausgebildet sind. Das neue Tarnmuster mit sechs Farben wirkt wie ein Kompromiss der beiden bisherigen Muster.
Für den deutschen Mischwald sei das bisherige Flecktarn-Muster zwar nach wie vor optimal, heißt es aus dem Bundesverteidigungsministerium. Aber sobald der Soldat diesen verlässt, sei er mit dem neuen Muster besser geschützt.
Der neue Multitarn-Druck besteht aus sechs Farben: Braun, Dunkel- und Hellgrün, grau, Beige und ein paar helle Kleckser. Das entspreche auch dem Gesamteindruck der Landschaften in den potentiellen Einsatzgebieten, also Ländern wie Afghanistan, Irak, aber auch Mali. Beim Wehrwissenschaftlichen Institut für Werk- und Betriebsstoffe (Weweb) der Bundeswehr, wo die Tarnung entwickelt wurde, ist man überzeugt, dass das neue Multitarn-Muster in solchen potentiellen Einsatzländern auch besser funktioniere als die bisherige Sandtarn-Uniform, wie Erprobungen in Afghanistan gezeigt hätten. Außerdem seien die neuen Farben so entwickelt, dass ihre Tarnwirkung auch beim Einsatz von Nachtsichtgeräten erhalten bleibe.
Und noch eine Neuerung: Im Unterschied zu den bisherigen Tarn-Mustern verhindert die Bundeswehr mit einem eingetragenen Designschutz die kommerzielle Verbreitung von Multitarn. Ausrüstungsteile mit dieser Tarnung werden also nicht auf dem freien Markt erhältlich sein.
Im Bundesverteidigungsministerium heißt es, der Wunsch nach einer neuen Tarnkleidung sei explizit von den Spezialkräften gekommen. Inwiefern andere Truppenteile neu eingekleidet werden sollen, wird gerade im Verteidigungsministerium beraten. Das Erscheinungsbild der Truppe wird sich also nicht auf einen Schlag, sondern allenfalls allmählich ändern - ähnlich wie in den 1990er Jahren bei der Einführung des bisherigen Flecktarns: Damals wurden zunächst die Einheiten versorgt, die tatsächlich mit höherer Wahrscheinlichkeit Tarnung nötig haben. Also Kampfeinheiten vor Unterstützungstruppen.
Historische Belastungen und amerikanisches Vorbild
Die Bundeswehr folgt mit dem universell einsetzbaren Multitarn dem Vorbild der US-Armee, die schon seit 2004 das Tarnmuster „Multicam“ verwendet, das in Mischwäldern ebenso wirksam sein soll, wie in wüstenartigen Landschaften und Ortschaften. Die von den Amerikanern verwendeten Pixel-artigen Flecken hätten sich aber nicht bewährt, heißt es beim Weweb. Auch beim Tarnmuster, heißt es dort, bleiben Armeen gerne bei ihren eigenen Charakteristiken.
Als die Bundeswehr ab 1990 die Flecktarn-Uniformen einführte, war sie im Vergleich der NATO-Armeen ein Spätling. Zuvor hatten deutsche Soldaten jahrzehntelang in einfarbigen, oliv-grünen Anzügen ihr Kriegshandwerk erlernt.
Vermutlich hatte die Zurückhaltung der Bundeswehr auch historische Gründe: Die ersten Tarnanzüge überhaupt waren eine deutsche Erfindung der dreißiger Jahre. Im Zweiten Weltkrieg kämpften vor allem Einheiten der Waffen-SS in Tarnuniformen, die denen der heutigen Bundeswehr erstaunlich ähnlich sehen. Beim Aufbau der Bundeswehr hatte man zunächst auf diese Muster aus dem Zweiten Weltkrieg zurückgegriffen, diese aber bald zugunsten der Oliv-Anzüge fallengelassen. Schließlich trugen die westlichen Verbündeten in den Nachkriegsjahrzehnten auch einfarbige Anzüge.
Ähnliches gilt bekanntlich für den „Stahlhelm“ der Wehrmacht, den die Bundeswehr aus symbolpolitischen Rücksichten nicht übernahm, obwohl sein Design erwiesenermaßen optimalen Schutz bot. Stattdessen übernahm man das erwiesenermaßen schlechtere Design des amerikanischen Stahlhelms, um die Westbindung der Bundeswehr deutlich zu machen. Moderne Kevlar-Helme, die ab den 1970er Jahren zuerst in den USA entwickelt wurden, haben das Design des alten deutschen Stahlhelms dann weitgehend übernommen. In der US-Armee wird er daher auch „Fritz“ genannt. Seit Mitte der 1990er Jahre verwendet auch die Bundeswehr einen ähnlichen Helm.