Die Freytags-Frage

Warum rettet keiner das Klima?

Am Montag beginnt die Weltklimakonferenz. Bahnbrechende Ergebnisse erwartet keiner - obwohl Lösungen im Klima-Streit auf dem Tisch liegen.

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Dank Schuldenkrise und Finanz-Chaos findet der Klimaschutz momentan nur wenig Beachtung - Dabei ist das Thema aktueller denn je Quelle: dpa

Selbst Naturkatastrophen wie Hurrikan "Sandy" können nichts daran ändern: Im Windschatten der europäischen Krise findet das Thema Klimawandel zur Zeit wenig Beachtung. Der Politik mag das recht sein, rückt so doch ihr Versagen in den Hintergrund. Der weltweite CO2-Ausstoß nimmt zu statt ab, wie es im Kyoto-Protokoll vereinbart wurde. Das liegt zum einen am dynamische Wachstum zum Beispiel der BRIC-Länder, dessen Schattenseite eben die steigende Umweltverschmutzung ist. Aber auch die Industriestaaten haben viel versäumt. Warum rettet keiner das Klima?

Leider handelt es sich beim Klimaschutz um ein öffentliches Gut, die Atmosphäre selbst kann wohl als Allmendegut angesehen werden: Der Zugang zur Atmosphäre (zum Beispiel durch Emissionen) kann nicht verhindert werden, die Konsequenzen der Emissionen tragen aber nicht nur die Verursacher, sondern die gesamte Menschheit. Deshalb wird eine Lösung benötigt, an der sich alle beteiligen; die Anreize zum Trittbrettfahren sind somit sehr groß.

Wie groß der Schaden wirklich ist
New Jersey: Ein Mann verzweifelt wegen der Zerstörung, die der Wirbelsturm "Sandy" hinterlassen hat. „Sandy“ hat den Flugverkehr in Teilen der USA und bis nach Übersee lahmgelegt. Seit Samstag seien 16 271 Flüge ausgefallen, berichtete das Flugportal Flightstats. Die meisten Ausfälle gab es demnach am Montag, als der Sturm über die Ostküste hinwegfegte.Zudem könnte der Wirbelsturm im Nordosten der USA nach Schätzungen des Informationsdienstes IHS Global Insight einen wirtschaftlichen Gesamtschaden in Höhe von bis zu 50 Milliarden Dollar (38,7 Milliarden Euro) verursachen. Die Analysten rechneten mit direkten Schäden von rund 20 Milliarden Dollar und Gewinneinbußen von bis zu 30 Milliarden Dollar. Nach Auffassung von Ökonomen dürfte der Sturm der Volkswirtschaft der USA langfristig allerdings keinen weiteren Schaden zufügen."Es gibt keinen Grund zu glauben, dass der Hurrikan der bereits schleppenden Wirtschaft die Beine wegtritt", sagte die Chefökonomin der TD Bank, Beata Caranci, am Dienstag. Vielmehr dürften Investitionen in Reparatur und Wiederaufbau nach dem Sturm die entgangenen Umsätze ausgleichen. (Quelle: dpa&dapd) Quelle: dapd
Der Ferienort Atlantic City, im Bundestaat New Jersey: Hier kommen die Menschen am Wochenende zum pokern - Atlantic City ist für seine Casinos bekannt, das Glücksspiel ist hier legal. Hier drehte Martin Scorsese Teile seines Film "Die Farbe des Geldes". Gut möglich, dass sich hier niemand mehr so schnell zum zocken verirrt: Der Hurrikan Sandy hat Atlantic City komplett überschwemmt, der Boardwalk, die historische Uferpromenade aus Holz, teilweise weggespült. Quelle: dapd
Eine unterirdische Parkanlage im New Yorker Finanzviertel hat es schwer erwischt; die Wagen befinden sich fast komplett unter Wasser. Quelle: dapd
In Hoboken, New Jersey befinden sich nach dem Sturm diese Taxen unter Wasser. Quelle: dapd
Wasser und Regen an der Küste des Landes, schwere Schneefälle im Landesinnere: In West Virginia hat "Sandy" die Menschen unter fast 30 Meter Schnee begraben. Auch hier viel der Strom aus - für 264,000 Personen. Straßen wurden gesperrt. Quelle: dapd
Autos, Wohnwagen und Boote stehen dort, wo sie nicht stehen sollten: In der Nähe von Point Pleasant Beach, New Jersey, liegt ein Boot nach dem Sturm auf den Broadway Avenue. Quelle: REUTERS
In New York ist Battery-Park-Unterführung komplett überschwemt. Quelle: dpa

Auf der Konferenz in Kyoto 1997 wurden grundsätzlich sinnvolle und praktikable Lösungen gefunden. Die Ausgabe von handelbaren Emissionszertifikaten für Kohlendioxid ist ebenso zu begrüßen wie ihre entwicklungspolitische Flankierung mit Hilfe des "Clean Development Mechanism" und der gesteigerten Flexibilität durch die Möglichkeit gemeinsamer grenzüberschreitender Klimaprojekte aus den Unterzeichnerstaaten. Das Abkommen – ursprünglich bis 2012 beschlossen – wurde auf der Klimakonferenz 2011 in Durban bis 2017 (eventuell bis 2020) verlängert. Das Problem besteht darin, dass noch nicht einmal sämtliche Industriestaaten und kaum Schwellenländer sich zur Reduktion ihrer CO2-Emissionen verpflichtet haben.

Ebenso begrüßenswert sind Initiativen einzelner Länder wie Deutschland oder anderer EU-Mitglieder, die zeigen, dass man klimapolitische Aktivitäten auch ohne allzu tiefe wirtschaftliche Einschnitte auch einseitig vornehmen kann. Allerdings ist die globale Wirkung gering, denn eine dank des Einsatzes erneuerbarer Energien hierzulande sinkende Nachfrage nach Emissionszertifikaten senkt deren Preis und ermöglicht Unternehmen aus Drittländern billigere Emissionen; dies ist der so genannte Rebound-Effekt. Und ganz ohne Kostensteigerung für die Industrie verlaufen diese Alleingänge nicht; nicht zuletzt deshalb sind in der EU fast sämtliche energieintensiven Industrien von der Reduktionspflicht und der Pflicht, Zertifikate zu erwerben, ausgenommen. So viel zur Vorreiterrolle!

Folgen des Klimawandels in Deutschland

Klimazölle machen wenig Sinn

Im Bewusstsein der Kosten des Klimaschutzes für die eigene Wirtschaft schlagen Politiker immer wieder außenhandelspolitische Korrekturmaßnahmen, zum Beispiel so genannte Klimazölle vor. Produkte aus Ländern, in denen kein Zertifikatehandel stattfindet oder in denen mit veralteten Produktionsmethoden produziert wird (zum Teil sogar in ausgelagerten Fabriken europäischer Unternehmen), sollen mit Zöllen belegt werden. Derartige Überlegungen werden auch in denjenigen Schwellenländern angestellt, die auf dem Sprung zum Teilnehmerland am Zertifikatehandel sind. So verständlich diese Überlegungen politisch sind, ökonomisch machen sie keinen Sinn. Denn sie verzerren den Handel, ohne allzu viel für das Klima tun zu können. Dies ist auch deshalb so absurd, weil der Außenhandel für die durch Transport entstehenden Kosten keine Zertifikate braucht. Es wäre besser, Luft- und Schiffsverkehr ebenfalls an den Kosten zu beteiligen.

Zähe Verhandlungen

Schnelle Wege aus der Klimafalle
Klimaexperten haben mehr als 400 Methoden zur Bekämpfung des Klimawandels unter die Lupe genommen. Im Fokus der im Wissenschaftsmagazin „Science“ veröffentlichten Untersuchung stand ausnahmsweise nicht der Klimakiller CO2, sondern das Treibhausgas Methan sowie Ruß, der in der Atmosphäre dafür sorgt, dass weniger Sonnenstrahlung ins All reflektiert wird. Schon mit einigen einfachen Maßnahmen, so die Wissenschaftler, ließe sich der Ausstoß von Methan und Ruß so stark reduzieren, dass der globale Temperaturanstieg bis zum Jahr 2050 um ein Drittel geringer ausfallen würde als bislang vorhergesagt. Die zehn wichtigsten Maßnahmen im Überblick. Quelle: dpa
Durch eine bessere Filterung bei der Entlüftung von Kohleminen würde deutlich weniger Methan freigesetzt. Quelle: dpa
Lecke Gaspipelines sind eine weitere Treibhausgas-Quelle, die sich mit relativ geringem Aufwand schließen ließe. Quelle: dpa
Deponie-Gas, dessen Hauptbestandteil Methan ist, entsteht durch den bakteriologischen und chemischen Abbau von organischen Inhaltsstoffen des Mülls. Seine Freisetzung zu verhindern und es nutzbar zu machen, würde dem globalen Klimawandel entgegenwirken, so die Forscher. Quelle: dpa
Durch unkontrolliertes Abblasen bei der Ölförderung gelangen ebenfalls große Mengen Methan in die Atmosphäre, die durch verbesserte Fördertechnik eingefangen werden könnten. Quelle: dpa
Auch durch eine bessere Aufarbeitung der bei der Nutztierhaltung anfallenden Exkremente – etwa durch Vergärung in Biogasanlagen – ließe sich der Methanausstoß deutlich verringern. Quelle: dpa
Keine andere Kulturpflanze setzt soviel Methan frei wie Reis. Durch verbesserte Anbaumethoden, weniger Dünger und eine weniger intensive Bewässerung ließe sich der Methanausstoß beim Reisanbau reduzieren. Quelle: dpa

Deshalb ist es am Ende des Tages entscheidend, sämtliche Länder zu einer gemeinsamen Lösung ins Boot zu holen. Darum muss es gehen, und das wurde auch auf der Klimakonferenz in Durban im Jahr 2011 beschlossen. Das Jahr 2012 sollte der Vorbereitung eines internationalen Klimaabkommens mit dem Ziel eines Abschlusses im Jahr 2015 dienen. An diesem Abkommen sind ab dem Jahr 2020 alle Länder zu beteiligen.

Damit kommen wir zum so genannten Dinner-Table-Problem, wie es Peter Draper vom South African Insititute of International Affairs getauft hat: Stellen Sie sich vor, sie werden zum Dinner eingeladen, dürfen aber erst zum Dessert und Kaffee erscheinen. Die Rechnung wird anschließend auf alle Teilnehmer am Dinner gleichermaßen aufgeteilt. So würden sich die Schwellen- und Entwicklungsländer fühlen, wenn sie ab 2020 die vollen Kosten für die Zertifikate tragen müssten, obwohl ihr Entwicklungsprozess erst sehr viel später als in den Industrieländern begann (und ihr Pro-Kopf-CO2-Ausstoß deutlich geringer ist).

Die dreckigsten Flüsse der Welt
Murray-Darling River Quelle: Hindaandjohn
Nil Quelle: AP
Rio de la Plata Quelle: dpa/dpaweb
Rio Grande Quelle: Fotolia
Donau Quelle: dpa
Indus Quelle: AP
Ganges Quelle: dapd

Man mag dazu stehen, wie man will, es ist ein starkes politisches Argument, das mithilfe von Trittbrettfahrerverhalten machtvoll eingesetzt werden kann. Nicht zuletzt deshalb wurde in Durban ein Klimafond (Green Climate Fund) beschlossen. Dessen Ausstattung soll ab dem Jahr 2020 100 Milliarden Dollar jährlich betragen. Er soll besonders vom Klimawandel betroffenen Ländern zur Verfügung stehen. Es werden wohl noch zähe Verhandlungen über die Details folgen; die Idee ist grundsätzlich zu begrüßen.

Lösungen sind grundsätzlich verfügbar

Zusätzlich sollte daran gearbeitet werden, sämtliche Aktivitäten am Zertifikatehandel zu beteiligen. Gegenwärtig wird wie gesagt zum Beispiel der Außenhandel einschließlich des Tourismus subventioniert, denn die CO2-Emissionen von Schiffen und Flugzeugen werden bisher nicht berücksichtigt. Klimapolitik wirkt so indirekt als ein Vielflieger-Förderprogramm!

Insgesamt ist es notwendig, dem Klimawandel zügig und effektiv zu begegnen; Instrumente sind bekannt, Lösungen grundsätzlich verfügbar. Wichtig ist auch, dass Klimapolitik neutral gegenüber den Aktivitäten und Akteuren sein muss, ohne dass deshalb Verteilungsprobleme aus dem Blick geraten müssen. Die politischen Entscheidungsträger haben einen langen Weg vor sich. In Doha sind die nächsten Schritte zur Umsetzung der Ergebnisse der Konferenz 2011 in Durban fällig. Man kann nur hoffen, dass sie diesen Weg einschlagen, ohne dass es weiterer dramatischer Naturkatastrophen bedarf.

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