Ecosummit Cleantech-Dollar für Deutschland

Eine gute Idee, um die Welt zu verbessern, aber kein Geld? Das ist die Situation vieler deutscher Cleantech-Startups, die in dieser Woche in Berlin auf dem Branchentreffen Ecosummit zusammenkommen. Weil es in Deutschland fehlt, greifen viele Gründer immer häufiger auf Kapital aus dem Ausland zurück.

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Die Deutsche Flagge weht vor dem Reichstag in Berlin Quelle: dpa

Ein Welterfolg kann manchmal Zufall sein. So wie beim IT-Sicherheitsexperten Josef Brunner. Während er sich mit sogenannten Smartmetern in Unternehmen beschäftigte, die den Stromverbrauch zum Beispiel von Lampen messen und steuern, entdeckte er, dass abends und am Wochenende der Stromverbrauch im Vergleich zu einem Arbeitstag nur um 60 Prozent sinkt. Also setzte sich Brunner an seinen Computer und entwickelte eine Software. Sie steuert den Verbrauch von Bürotechnik wie Computer, Drucker, Telefone und Gebäudetechnik wie Klimaanlagen und Lampen je nach Tageszeit und Gebrauch. Mit der Software seines Startups JouleX, das Brunner 2009 gründete, sparen Unternehmen heute sogar bis zu 60 Prozent Strom. Das überzeugt: Mittlerweile gehören 100 der 500 größten Unternehmen weltweit zu den Kunden von JouleX, darunter Daimler, Coca Cola und die Deutsche Telekom. Die Nachhaltigkeits-Experten der Londoner Analysefirma Verdantix zählen das Münchner Startup außerdem zu den fünf wichtigsten Cleantech-Unternehmen weltweit. Finanziert haben Brunner und seine Partner diesen rasanten Aufstieg aber nicht mit Geld aus Deutschland, sondern mit Hilfe von US-Investoren.

Zwar hätte JouleX die rund 15 Millionen Euro Kapital, um auf dem Weltmarkt anzugreifen, vielleicht auch in Deutschland auftreiben können. „Aber den deutschen Investoren hätte für weitere Finanzierungsrunden schlicht das Geld gefehlt“, sagt Brunner. Um weiter rapide expandieren zu können und den Vorsprung auf dem Markt zu halten, war er auf Dollar und die prall gefüllten Kassen der US-Fonds angewiesen. Aber JouleX ist kein Einzelfall. Denn bei immer mehr Cleantech-Gründungen sind die Ideen und die Technologie zwar Made in Germany, aber das Geld kommt aus dem Ausland.

Leere Investment-Fonds

Das beobachtet auch Götz Hoyer Cleantech-Experte beim Beratungsunternehmen FHP Private Equity Consultants in München. „Die großen Investitionen tätigen in Deutschland in der Regel ausländische Geldgeber“, sagt er. Denn zweistellige Millionenbeträge gebe der lokale Wagniskapital-Markt kaum her. Zwar existierten hierzulande viele kleine Fonds, die könnten den Kapitalbedarf für die oft langwierige und teure Produktion und Markteinführung neuer Technologien kaum decken. Der Grund, so Hoyer: Anders als im angelsächsischen Raum fehlen in Deutschland schlicht die Geldgeber, die Kapital in die Investment-Fonds stecken.

Von rund 70 Millionen Euro Wagniskapital, das 2011 in deutsche Cleantech-Unternehmen floss, wurde beinahe ein Viertel von ausländischen Fonds mit Sitz in Deutschland bereitgestellt. Zu diesem Betrag kommen noch einmal rund 20 Millionen Euro von Fonds mit Sitz im Ausland. In den vergangenen Jahren, so hat Hoyer festgestellt, stieg der Anteil der ausländischen Investoren stetig.

Deutsche Innovationskraft

Einen weiteren Grund, warum es immer mehr ausländische Investoren nach Deutschland zieht, weiß Jan Michael Hess. Er organisiert seit 2010 in Berlin unter dem Titel Ecosummit das deutschlandweit größte Treffen von Startup-Gründern, Investoren und Vordenkern der Grüntechnik-Szene. „Der deutsche Cleantech-Bereich ist für ausländische Investoren besonders spannend, weil die Innovationskraft und die Qualität der Produkte im Vergleich mit anderen Ländern sehr hoch sind“, sagt Hess. Hinzu kämen hervorragende Management-Teams und Deutschlands Vorreiterrolle im Bereich der „grünen intelligenten Ökonomie“.

Fehlendes Spezialwissen

Das Logo von Evonik Quelle: dpa

Diese Vorreiterrolle hat zu einem regelrechten Gründerboom bei grünen Startups geführt. Die Folge, sagt Hess: Deutsche Investoren können die Kapitalnachfrage deutscher Cleantech-Startups nicht mehr bedienen. Zwar gibt es hierzulande große Venture-Kapital-Investoren wie Earlybird, Target und Wellington Partners. Hinzu kommen Investment-Ableger von Großunternehmen wie Siemens, Evonik oder BASF. Auf Cleantech spezialisiert ist aber keiner von ihnen. Ihr Geld fließt auch in neue Entwicklungen im Bereich Medizintechnik oder Biotechnologie.

Nicht nur die fehlende Finanzkraft der deutschen Investoren, sondern auch die mangelnde Spezialisierung treibt Startups auf der Suche nach Geld ins Ausland. Wie zum Beispiel Entelios. „Vielen Venture-Kapital-Fonds in Deutschland fehlt das notwendige Spezialwissen, um Technologie bewerten und einschätzen zu können“, sagt Thomas Schulz, der unter anderem für die Finanzierung bei Entelios verantwortlich ist. Und Kapitalgeber, die eine Sache nicht verstünden, bringe man kaum dazu, zu investieren.
Das Gründerteam von Entelios, neben Schulz der CEO Oliver Stahl und der CTO Stephan Lindner, benötigte 2010 für den Aufbau des Unternehmens einen einstelligen Millionenbetrag. Die deutschen Investoren konnten mit der Idee von Entelios allerdings wenig anfangen. Denn die Startup-Gründer wollen Großverbraucher von Elektrizität, wie Fabriken, Schmelzöfen und Kühlhäuser zu einem neuartigen virtuellen Stromnetzwerk zusammenschließen.

Immer dann, wenn Stromproduzenten und dem Netz durch einen hohen Verbrauch Überlastung droht, regeln die Kunden ihre Maschinen herunter und der Elektrizitätsverbrauch sinkt. So wird zum Beispiel in der Münchener Bierbrauerei Paulaner eine Grundwasserpumpe abgestellt oder die Prozesskühlung für einige Zeit ausgesetzt. Wenn viele Großverbraucher gleichzeitig vom Netz gehen, führt das zu gewaltigen Entlastungen.

Für dieses sogenannte „Demand-Response-Management“ zahlen die Netzbetreiber Geld an die Unternehmen, die ihren Verbrauch drosseln. Außerdem kann die schwankende Einspeisung von Wind- und Sonnenstrom so besser in die Versorgung integriert werden. Für ihre Technologie ist Entelios auch für den Ecosummit-Award nominiert.

Standortnachteil Deutschland

Einen Fond, der auf Stromnetztechnik spezialisiert ist, fanden die Entelios-Gründer schließlich mit Yellow & Blue in den Niederlanden. „Wer sich als Cleantech-Gründer heute nur noch in Deutschland nach Kapital umsieht, wird kaum erfolgreich sein“, sagt Thomas Schulz.

Bisher erleben die meisten grünen Gründer die Investments aus dem Ausland als Erfolgsgeschichte. Aber langfristig kann der Mangel an fachlich geeigneten und solventen Geldgebern in Deutschland auch zu einem Standortnachteil werden, warnt Götz Hoyer vom Münchner Beratungsunternehmen FHP: „Cleantech-Unternehmen aus Deutschland droht die Gefahr, dass sie zukünftiges Wachstum nicht adäquat finanzieren können.“

Dann würde der Kapitalmangel zu einem Wettbewerbsnachteil für die Startups – und das könnte am Ende auch dem Standort Deutschland und seiner Vorreiterrolle im Bereich grüner Technologie schaden.

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