Elektro-Schiffe Warum auf hoher See bald weniger Diesel verbraucht wird

Seite 2/2

Die ersten Vorboten der E-Wende auf See

Im Sognefjord an der Küste können Pendler das Elektrozeitalter schon seit 2015 ganz praktisch erleben: Die 80 Meter lange Autofähre Ampere ist dort Tag für Tag komplett elektrisch unterwegs, mit Technik von Siemens. Die sechs Kilometer lange Strecke legt sie in 20 Minuten zurück, leise und rußfrei. 120 Autos haben darauf Platz, es ist ein mächtiges Schiff, ein Tesla der Meere.

Technische Hintergründe zu Akkus

Den Strom liefern Lithium-Ionen-Akkus mit einer Kapazität von 1000 Kilowattstunden – so viel, wie 1600 herkömmliche Autobatterien speichern. Bei jedem Stopp zapft die Fähre Strom aus der Leitung und lädt die Akkus zehn Minuten lang auf. 34 Fahrten pro Tag erledigt sie so. Und spart eine Million Liter Diesel im Jahr. Der Betreiber Fjord1 will Anfang 2018 zwei weitere Elektrofähren an anderen Verbindungen einsetzen.

Experten der norwegischen Umweltorganisation Bellona erwarten, dass sich die Technik schnell verbreitet. 180 Fähren transportieren in Norwegen pro Jahr 20 Millionen Autos. 84 von ihnen könnten, so eine Bellona-Studie, profitabel auf Akkuantrieb umsteigen, weitere 43 Fähren auf Hybridantrieb. Im Bau wären die vollelektrischen Fähren zwar 384 Millionen Euro teurer als die Dieselvariante. Aber dafür wäre ihr Betrieb pro Jahr 77 Millionen Euro billiger. Strom ist preiswerter als Sprit – und kommt in Norwegen aus sauberer Wasserkraft.

Das alles treibt Schiffsbauer dazu, noch viel größer zu denken. Wenn Fähren elektrisch unterwegs sein können – warum nicht auch große Passagierschiffe, die weitere Strecken zurücklegen? Zumindest einen Teil der Energie könnten ja Batterien liefern.

Besuch im modernsten Simulator für die Schifffahrt

Auf diesen Ansatz setzt nun die norwegische Ulstein-Werft: Für die Reederei Color Line baut sie das größte Passagierschiff der Welt mit Hybridantrieb. Das Schiff, 160 Meter lang und mit Platz für 2000 Passagiere, soll ab 2019 in Südnorwegen pendeln und seine Dieselmotoren ausschalten, sobald es sich dem Hafen von Sandefjord nähert – damit die Luft dort frisch und sauber bleibt. „Das Schiff kann eine Stunde lang rein elektrisch fahren“, sagt Ulstein-Manager Rødstøl.

Möglich ist das, weil Schiffe schon seit Jahren mit elektrischem Antriebsstrang gebaut werden. Das heißt: Dieselgeneratoren erzeugen Strom, der dann einen Elektromotor antreibt, der wiederum die Schiffsschraube bewegt. Nach und nach lassen sich Dieselgeneratoren durch Akkuschränke ersetzen. Und die Dieselmaschinen laufen immer gleichmäßig und sehr effizient, egal, wie sehr das Tempo des Schiffs wechselt. „Das spart bis zu 60 Prozent Treibstoff“, sagt Hallvard Lidset Slettevoll, CEO des norwegischen Schiffsantriebsherstellers Stadt.

Nachbesserung nötig

Bisher reicht die Energiedichte von Akkus noch nicht aus, um große Elektroschiffe auch über den Pazifik schippern zu lassen. Die E-Wende auf See wird wohl viel später als auf der Straße gelingen, in Norwegen sieht man nur die ersten Vorboten. Aber die Branche setzt darauf, dass der technologische Durchbruch auch hier gelingt und dass dann sogar Containerschiffe mit Batterien fahren.

Welche Schadstoffe im Abgas stecken

Der norwegische Düngemittelkonzern Yara etwa und das Rüstungsunternehmen Kongsberg bauen bereits ein Frachtschiff, das komplett elektrisch betrieben sein wird: Die Yara Birkeland soll ab 2018 zwischen drei Häfen Düngemittel transportieren. Bisher erledigen das Trucks, die pro Jahr 40.000 Fahrten unternehmen. An Bord des Schiffs: ein Akku mit einer Leistung von mehr als sieben Megawattstunden – groß genug, um ein ganzes Dorf mit Strom zu versorgen. Er soll das Schiff immerhin 120 Kilometer weit befördern. 120 Container fasst der Laderaum. Das ist nicht mit Ozeanriesen zu vergleichen, die mehr als 20.000 Container transportieren. Aber für ihre Zwecke ist die Yara Birkeland groß genug.

Und sie hat eine weitere Finesse: Dank Sensoren und Computern an Bord soll sie ab 2020 autonom ihre Route meistern. Für Andreas Seth, Automationsexperte beim Schiffszulieferer Rolls-Royce, ist das die Zukunft: „Schon bald werden autonome Schiffe auf lokalen Routen unterwegs sein“, sagt er. 2030 soll dann das erste autonome Schiff den Atlantik überqueren.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%